Hat ein Mieter, wenn er aufgrund einer schweren Veränderung seiner Wirbelsäule in seiner Steh- und Gehfähigkeit sehr stark eingeschränkt und nicht mehr in der Lage ist, gefahrlos über den Badewannenrand zu steigen, einen Anspruch auf Duldung des Einbaus einer Step-in-Badewanne?
Die Antwort des Amtsgerichts Charlottenburg (AG Charlottenburg – 233 C 543/14, Urteil vom 06.10.2015) lautet: Ja!
Zur Begründung führt das AG Charlottenburg in seiner vorgenannten Entscheidung wie folgt aus: “Die Klägerin hat gegen die Beklagte gemäß § 554a Abs. 1 BGB (Barrierefreiheit) Anspruch auf Duldung des Einbaus einer Step-in-Badewanne.
Die Klägerin hat gemäß § 554a Abs. 1 Satz 1 BGB ein berechtigtes Interesse an dem Einbau einer Step-in-Badewanne, die für eine behindertengerechte Nutzung erforderlich ist.
Barrierefrei sind bauliche Anlagen, wenn sie für behinderte Menschen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar sind.
Aufgrund der Behinderung der Klägerin ist der Einbau einer Step-in-Badewanne erforderlich. Eine andere Maßnahme, z.B. der Einbau eines Badewannenliftes, ist nicht ausreichend.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Klägerin aufgrund einer schweren Veränderung der Wirbelsäule in ihrer Steh- und Gehfähigkeit sehr stark eingeschränkt und nicht mehr in der Lage ist, gefahrlos über den Badewannenrand zu steigen. Der Zeuge ### hat bestätigt, dass ein fortgeschrittener Verschleiß der gesamten Wirbelsäule mit deutlichen Bewegungseinschränkungen vorliegt und das gefahrlose Überwinden des Badewannenrandes nicht möglich ist.
Er hat weiter bestätigt, dass der Einstieg mittels eines Badewannenliftes nur unter Beistellung einer Pflegeperson möglich ist und ein Einstieg mittels eines Badewannenliftes beim Ein- und Aussteigen erhebliche Schmerzen verursachen würde.
Schließlich hat ### ausgesagt, die Klägerin könne nach einer gewissen Einübungsphase in der Step-in-Badewanne auch ohne Hilfe eines Pflegedienstes allein sicher duschen.
Aufgrund der Inkontinenz der Klägerin sei auch erforderlich, dass die Klägerin alleine duschen könne.
Soweit für die sichere Nutzung der Badewanne gegebenenfalls ein Griff zum Aussteigen erforderlich ist, bedarf die Anbringung eines solchen Griffes nicht der Zustimmung der Beklagten.
Die Beklagte kann ihre Zustimmung nicht gemäß § 554a Abs. 1 Satz 2 BGB verweigern.
Das Interesse der Beklagten an der unveränderten Erhaltung der Mietsache überwiegt nicht das Interesse der Klägerin an einer behindertengerechten Nutzung.
Die Demontage der alten Badewanne und Installation einer neuen Step-in-Badewanne verändert die Mietsache nur unerheblich. Gemäß Klageantrag wird die Maßnahme durch einen Fachhandwerker durchgeführt, so dass eine sach- und fachgerechte Installation geschuldet ist. Die Beeinträchtigungen anderer Mieter durch die Bauarbeiten sind zumutbar. Selbst wenn eine Step-in-Badewanne ggf. Wartungsarbeiten im Hinblick auf Türscharniere und Dichtungen erfordert, stellt dies keine erhebliche Beeinträchtigung der Beklagten dar, die das Interesse der Klägerin an einer behindertengerechten Nutzung überwiegt.
Die Beklagte kann ihre Zustimmung nicht gemäß § 554a Abs. 2 BGB von der Leistung einer angemessenen zusätzlichen Sicherheit für die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes abhängig machen.
Die Sicherheitsleistung gemäß § 554a Abs. 2 BGB dient der Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes (Kinne/Schach/Bieber, Mietrecht 7. Aufl. § 554a Rn. 9.).
Wenn kein Anspruch auf Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes besteht, entfällt der Anspruch auf Sicherheitsleistung.
Ein Anspruch der Beklagten auf Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes, d.h. des Zustandes vor der Baumaßnahme gemäß § 554a BGB und somit auf Einbau der alten, 25 Jahre alten Badewanne besteht jedoch nicht.
Grundsätzlich sind zwar gemäß § 546 Abs. 1 BGB bei Rückgabe bauliche Maßnahmen, mit denen der Mieter die Mietsache versehen hat, zu entfernen, auch wenn die Maßnahme mit Zustimmung des Vermieters erfolgt. Es gibt jedoch Ausnahmen. So entfällt die Verpflichtung zum Rückbau, wenn es sich bei der Maßnahme des Mieters um eine dauerhafte, über das Mietverhältnis hinausreichende Wertverbesserungsmaßnahme handelt, die nur mit erheblichem Aufwand an Kasten wieder zu entfernen wäre und deren Beseitigung die Mietsache in einen schlechteren Zustand versetzt, wie etwa beim Einbau eines Bades (LG Berlin, 06.07.2010, 65 S 355/09). Abzustellen ist bei der Prüfung auf den Zeitpunkt der Zustimmung, nicht auf das Vertragsende (Schmidt-Futterer, Mietrecht 12. Aufl. § 546 RN. 44).
Nach diesen Grundsätzen hat die Beklagte gegen die Klägerin keinen Anspruch auf Wiederherstellung des bei Anmietung vorhandenen Zustandes. Denn der Einbau einer Einbaubadewanne statt einer freistehenden Badewanne stellt eine dauerhafte Wertverbesserung dar, deren Beseitigung die Mietsache in einen schlechteren Zustand versetzen würde.
Gemäß § 242 BGB hat die Beklagte vor diesem Hintergrund auch keinen Anspruch auf Wiederherstellung des jetzigen Zustandes. Es kann dahinstehen, ob die Beklagte in Zukunft eine Step-in-Badewanne in der Wohnung haben möchte.
Vor dem Hintergrund, dass die derzeit in der Wohnung vorhandene Badewanne bereits bei Beginn des Mietverhältnisses 1989 eingebaut wurde und nunmehr über 25 Jahre alt und verbraucht ist, steht die Beklagte nach Einbau der Step-in-Badewanne nicht schlechter dar, als wenn die Klägerin das Bad nicht umbaut. Wenn die Beklagte das Bad nach Auszug der Klägerin erneuern will (mit oder ohne Badewanne) ist es egal, welche Badewanne sie später einmal demontiert. Wenn die Beklagte die Wohnung mit einer vorhandenen Badewanne weitervermieten will, stellt der Austausch einer neuen Step-in-Badewanne, die gegenüber eine normalen Badewanne lediglich eine unerhebliche Abweichung in der Funktionalität aufweist, gegen eine 25 Jahre alte, verbrauchte Badewanne auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass ggf. Wartungsarbeiten (Dichtung, Türscharniere) erforderlich werden, eine objektive dauerhafte Wertverbesserung dar, deren Rückbau die Mietsache in einen schlechteren Zustand versetzen würde.”