Ist die Betriebskostenabrechnung des vermietenden Wohnungseigentümers wirksam, wenn die zu Grunde liegende Jahresabrechnung der Wohnungseigentümergemeinschaft nicht von dieser beschlossen wurde?
Die Antwort des Landgerichts Darmstadt (LG Darmstadt – 6 S 143/15, Urteil vom 05.02.2016) lautet: Ja!
Zur Begründung führt das LG Darmstadt in seiner vorgenannten Entscheidung unter II. wie folgt aus: “Die Kammer vertritt ferner die Auffassung, dass vorliegend eine Beschlussfassung der Erbbauberechtigtengemeinschaft vor der Erstellung der Betriebskostenabrechnung durch den Kläger nicht erforderlich war.
Dies rechtfertigt sich zunächst aus der Überlegung, dass sich Jahresabrechnung und Betriebskostenabrechnung aufgrund der unterschiedlichen Anforderungen, die an beide Abrechnungsarten zu stellen sind und des unterschiedlichen Inhalts beider Abrechnungen in weiten Teilen unterscheiden.
So sind mietrechtlich lediglich die Kosten entscheidend, die der Eigentümer als umlagefähig aufgewandt hat. Der Verwalter hat dagegen auch die Kosten in die Abrechnung einzustellen, die er nicht ausgeben durfte, sofern er über die entsprechenden Beträge verfügt hat. Darüber hinaus enthält die Jahresabrechnung zusätzlich die Gesamteinnahmen der Eigentümergemeinschaft (Erbbauberechtigtengemeinschaft). Diese wiederrum sind für den Mieter unintressant
Die Abrechnungszeiträume beider Abrechnungsarten können voneinander abweichen, da sich lediglich die Jahresabrechnung gemäß § 28 Abs. III WEG auf das Kalenderjahr beziehen muss. Ein möglicher Unterschied besteht auch grundsätzlich bei dem jeweils zugrunde gelegten Verteilungsschlüssel (vgl. hierzu Jennißen, “Abhängigkeit der mietrechtlichen Betriebskostenabrechnung von der wohnungseigentumsrechtlichen Jahrenabrechnung, NZM 2002, 236 f.).
Des Weiteren ist es dem Vermieter ohne weiteres möglich, die Betriebskostenabrechnung zu erstellen, ohne die entsprechende Beschlussfassung über die Jahresabrechnung abzuwarten. Der Vermieter kann sich insoweit durch Belegeinsicht beim Verwalter die von ihm für die ordnungsgemäße Erstellung der Betriebskostenabrechnung benötigten Daten zusammenstellen. Soweit der Beklagte in diesem Zusammenhang darauf verwiesen hat, dass die vom Verwalter angegebenen Kosten fehlerbehaftet sein können, hat der Mieter die Möglichkeit, sich von dem Vermieter zur Belegeinsicht bei der Verwaltung bevollmächtigten zu lassen, um die Korrektheit der ihm in der Rechnung gestellten Beträge zu überprüfen.
Insofern überzeugt auch das Argument nicht, dass ohne einen Beschluss der Eigentümergemeinschaft (Erbbauberechtigtengemeinschaft) noch keine vollwirksame Forderung vorliege und die tatsächliche Höhe der nach der vorläufigen Verwalterabrechnung auf den vermietende Eigentümer entfallen anteilgemäßen Betriebskosten noch in der Schwebe ist, womit ein wesentliches Element der Betriebskostendefinition nicht erfüllt sei (vgl. hierzu OLG Düsseldorf NJW-RR 2001, 299 f.).
Für das Entstehen von Betriebskosten ist nämlich bereits ausreichend, dass diese laufend zur Entstehung gelangen, ohne dass über die einzelnen Positionen bereits eine Abrechnung erstellt oder diese bereits beschlossen worden ist.(Riecke, “Risiken und Besonderheiten bei der Betriebskostenabrechnung für vermietetes Sondereigentum”. WuM 2003, 309 f.).
Vor diesem Hintergrund vermag auch der Einwand, dass die Jahresvorlage aufgrund ihres nur vorläufigen Charakters zur Bestimmung der Nachforderungen des Vermieters nicht geeignet sei, nicht überzeugen.
Weiterhin kann nur durch die hier dargelegte Rechtsauffassung der Kammer ein – unter Umständen lang anhaltender – Zustand der Rechtsunsicherheit zwischen den Mietvertragsparteien vermieden werden.
Sofern nämlich auf den Beschluss der Eigentümergemeinschaft (Erbbauberechtigtengemeinschaft) abgestellt wird, wäre konsequenter Weise auch die Bestandskraft dieses Beschlusses abzuwarten (Jennißer a. a. O.). Andernfalls besteht die Gefahr der Aufhebung des Beschlusses mit der Folge, dass die Höhe der dem Eigentümer in Rechnung gestellten Kosten weiterhin unklar ist.
Gerade die Bestandskraft des Beschlusses kann aber durch Anfechtungen, die noch nicht einmal mit der Richtigkeit der auf den Mieter umlagefähigen Positionen im Zusammenhang stehen müssen, auf Jahre hinausgezögert werden, was dem Sinn und Zweck des § 556 Abs. III Satz 2 BGB zuwider liefe.
Dies wiederum birgt für den Vermieter die Gefahr, eine etwaige Nachforderung aus der Betriebskostenabrechnung wegen Ablaufs der Jahresfrist des § 556 Abs. III Satz 2 BGB nicht mehr gegenüber dem Mieter geltend machen zu können. Insoweit ist entscheidend, ob es dem Vermieter gelingt, nachzuweisen, dass ihn an der verspäteten Geltendmachung der Nachforderung kein Verschulden trifft.
Der Mieter wiederum muss damit rechnen, mit Nachzahlungsforderungen seitens der Vermieters konfrontiert zu werden, obwohl der in Frage stehende Abrechnungszeitraum unter Umständen schon Jahre zurück liegt.
Die Kammer verkennt im Übrigen nicht, dass die Regelung in § 4 des Mietvertrages ausdrücklich auf die Beschlüsse der Wohnungseigentümergemeinschaft abstellt. Dies rechtfertigt jedoch gleichfalls nicht die Annahme, dass die Erstellung der Betriebskostenabrechnung gegenüber dem Beklagten von einer Beschlussfassung über die Jahresabrechnung für das Jahr 2013 abhängig wäre. Unter Berücksichtigung der obigen Ausführungen ist nicht davon auszugehen, dass die Vertragsparteien eine Regelung treffen wollten, die unter Umständen die Erstellung einer Betriebskostenabrechnung über Jahre verhindert.
Der Verweis auf die “Beschlüsse der Wohnungseigentümergemeinschaft” stellt daher nach Auffassung der Kammer lediglich eine allgemeine Bezugnahme auf zuvor gefasste Beschlüsse der Gemeinschaft dar, zumal davon auszugehen ist, dass der in den Jahresabrechnungen der Verwaltung zugrunde gelegte Verteilungsmaßstab keine Änderung erfährt.
Hinsichtlich des Einwands einer unzulässigen Globalabrechnung rechtfertigt allein der Umstand, dass die Abrechnungen in vergangener Zeit “extrem problematisch” gewesen seien, ohne weiteren Vortrag nicht die Annahme, dass es sich auch bei hier streitgegenständlichen Abrechnung um eine derartige unzulässige Globalabrechnung handelt.
Schließlich ist auch der Argumentation des Beklagten, dass lediglich nach dem Leistungsprinzip abzurechnen sei, nicht zu folgen. Der Entscheidung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 2012 lässt sich solches zur Überzeugung der Kammer nicht entnehmen.
Diese Entscheidung beschäftigt sich lediglich mit der Frage, inwieweit Heizkosten gegenüber dem Mieter nach dem Abflussprinzip abgerechnet werden dürfen. Hinsichtlich der weiteren Betriebskosten wird von dem Bundesgerichtshof dagegen eine Abrechnung nach dem Leistungsprinzip gerade für zulässig gehalten.”