Aus der Rubrik “Wissenswertes”:

Besteht bereits während der Trennungszeit ein Anspruch des ausgezogenen Ehepartners gegenüber dem in der Wohnung verbliebenen Ehepartner, mit Rechtskraft der Ehescheidung an einer einvernehmlichen Erklärung gegenüber dem Vermieter der Beteiligten dergestalt mitzuwirken, dass das Mietverhältnis allein mit dem noch in der Wohnung lebenden Ehepartner fortgesetzt wird?
Die Antwort des Oberlandesgerichts Hamm (OLG Hamm – 12 UF 170/15, Beschluss vom 21.01.2016) lautet: Ja!

Zur Begründung führt das OLG Hamm in seiner vorgenannten Entscheidung unter II. 1. bis 6. wie folgt aus: “1. Der Anspruch auf Mitwirkung an der Mitteilung nach § 1568a Abs. 3 Nr. 1 BGB folgt aus §§ 1353 Abs. 1 S. 2, 749 oder 723 BGB (Handbuch des Fachanwalts für Familienrecht/Klein, 10. Aufl. 2015, 8. Kap. Rdn. 384; Palandt/Brudermüller, BGB, 74. Aufl. 2015, § 1568 a Rn. 12; Johannsen/Henrich/Götz, Familienrecht, 6. Aufl. 2015) und kann nicht erst ab Rechtkraft der Scheidung, sondern schon während der Trennungszeit geltend gemacht werden (entgegen OLG Hamm, FamRZ 2015, 667).

2. Aus dem Wesen der Ehe ergibt sich die – aus § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB abzuleitende – Verpflichtung, die finanziellen Lasten des anderen Teils nach Möglichkeit zu mindern, soweit dies ohne Verletzung eigener Interessen möglich ist (BGH, FamRZ 2005, 182). Da § 1353 BGB sich auf die Wirkungen der Ehe im Allgemeinen bezieht, gilt die Verpflichtung nicht erst für die Zeit der rechtskräftigen Scheidung, sondern vor allem während bestehender Ehe.

3. Da zwischen den Beteiligten Einigkeit bestand, dass die Ehewohnung nach ihrer Trennung der Antragsgegnerin mit den gemeinsamen Kindern zur alleinigen Nutzung überlassen werden sollte, ist der Grund für die einvernehmlich in der Ehewohnung verbliebene Antragsgegnerin, das Mietverhältnis unter Mitwirkung des anderen Ehegatten aufrecht zu erhalten, weggefallen.

4. Der ausgezogene Ehegatte hat demgegenüber ein berechtigtes Interesse, in der Zukunft nicht mehr möglichen finanziellen Belastungen aus diesem Mietverhältnis ausgesetzt zu sein (OLG Köln, FamRZ 2006, 46). Dies gilt insbesondere in Hinblick auf Mietzinsansprüche des Vermieters für die Zeit nach dem Auszug, die im Außenverhältnis gegen den ausgezogenen Ehegatten solange weiterbestehen, bis dieser aus dem Mietverhältnis entlassen ist. Wegen dieses vorrangigen Interesses des ausgezogenen Ehegatten ist diesem auch nicht zuzumuten, mit der Geltendmachung seines Anspruchs auf Mitwirkung des anderen Ehegatten an der Entlassung aus dem Mietverhältnis bis zur Rechtskraft der Scheidung zu warten. Ein Ehegatte, der im Einvernehmen mit dem ausgezogenen Ehegatte, die Ehewohnung alleine nutzt, ist vielmehr gegenüber dem anderen schon während der Trennungszeit verpflichtet, an der Entlassung aus dem gemeinsamen Mietverhältnis mitzuwirken (vgl. OLG Hamburg, FamRZ 2011, 481). Insbesondere wenn der Vermieter diesbezüglich kooperationsbereit ist, gibt es keinen Grund, dem anderen Ehegatten das Recht einzuräumen, seine Zustimmung bis zum Eintritt der Rechtskraft zu verweigern.

5. Dem Anspruch des Antragstellers steht nicht entgegen, dass die Antragsgegnerin der Ansicht ist, aus der Zeit des Zusammenlebens noch Ansprüche gegen den ausgezogenen Antragsteller zu haben. Da die Entlassung aus dem Mietverhältnis nur für die Zukunft wirkt, hat sie keinen Einfluss auf Ansprüche, die vorher entstanden sind. Dies gilt im Übrigen auch in Hinblick auf Ansprüche des Vermieters, dessen Sicherheiten, wie etwa eine Barkaution oder das Vermieterpfandrecht, hinsichtlich entstandener Forderungen fortbestehen (Johannsen/Henrich/Götz, § 1568 a Rn. 37).

6. Auch aus § 1568a Abs. 3 Nr. 1 BGB folgt keine andere Wertung. § 1568 a BGB soll die Nutzung der früheren Ehewohnung endgültig regeln, indem mit Rechtskraft der Scheidung Mietverhältnisse mit dem Alleinnutzer zu Stande kommen sollen. Während § 1568 a Abs. 1 BGB als Anspruchsgrundlage ausgestaltet ist, regelt § 1568a BGB Abs. 3 BGB die Rechtsfolgen, die bei einer übereinstimmenden Erklärung der Ehepartner über die Überlassung der Wohnung (Nr. 1) oder der Endentscheidung im Wohnungszuweisungsverfahren (Nr. 2) eintreten. Zwar folgt aus dem Regelungszusammenhang, insbesondere der Stellung des § 1568 a BGB im 7. Titel des BGB – Scheidung der Ehe -, dass die Änderung des Mietvertrages durch Mitteilung gegenüber dem Vermieter gem. § 1568a Abs. 3 Nr. 1 BGB erst mit Rechtskraft der Scheidung wirksam wird. Diese Vorschrift hat aber keinen Einfluss auf den Anspruch des ausgezogenen Ehegatten gegen den anderen aus § 1353 BGB. Der Eintritt der Rechtskraft ist vielmehr der späteste Zeitpunkt, zu dem der ausgezogene Ehegatte seine Entlassung aus dem Mietverhältnis erreichen kann. Dieses ist nur möglich, wenn im Zeitpunkt der Rechtkraft der Scheidung eine Erklärung des anderen Ehegatten nach § 1568 a BGB vorliegt. Der ausgezogene Ehegatte hat deshalb grundsätzlich ein berechtigtes Interesse daran, dass (spätestens) zeitgleich mit der Rechtskraft der Scheidung die Umgestaltung eintritt und er auf der Grundlage des § 1568a BGB Abs. 3 Nr. 1 aus dem Mietverhältnis ausscheidet.”