Aus der Rubrik “Wissenswertes”:              

Hat ein Vermieter den Fortbestand der Versorgung des Hörfunk- und Fernsehempfangs über Breitkabelnetz zu gewährleisten, wenn die Wohnung bei Abschluss des Mietvertrags über Hörfunk- und Fernsehempfang über Breitkabelnetz verfügte?

Die Antwort des Landgerichts Kempten (LG Kempten – 52 S 2137/15, Urteil vom 08.04.2016) lautet: Ja!

Zur Begründung führt das LG Kempten  in seiner vorgenannten Entscheidung unter II. 1. bis 4. wie folgt aus: “1. Zunächst ist davon auszugehen, dass den Klägern ein vertraglicher Anspruch auf Bereitstellung eines Kabelanschlusses zusteht, und zwar gemäß § 535 i 2 BGB:

In § 1 Abs. (6) des Mietvertrages vom 04.04.2014 zwischen den Klägern und der Rechtsvorgängerin der Beklagten (vollständig vorgelegt von den Beklagten als Anlage B1) ist ausdrücklich ausgeführt, dass die Wohnung über einen Kabelanschluss verfügt. Gemäß § 2 Abs. (4) u) des Mietvertrages sind die Kosten des Betriebs der mit einem Breitbandkabelnetz verbundenen privaten Verteilanlage als Betriebskosten umlagefähig. Daraus ergibt sich, dass der Vermieter bereits bei Vertragsschluss von der in § 7 des Mietvertrages angesprochenen Möglichkeit Gebrauch gemacht hatte, die Mieter über ein Breitbandkabelnetz mit Hörfunk- und Fernsehempfang zu versorgen und die hierbei anfallenden Kosten in den Betriebskostenvorauszahlungen zu berücksichtigen.

Wurde also (wie hier) vereinbart, dass die Wohnung mit einer bestimmten Empfangsmöglichkeit vermietet wird, so hat der Vermieter den Fortbestand zu gewährleisten. Die Mieter haben gemäß § 535 i 2 BGB hinsichtlich der (bereits bei Vertragsschluss) bauseits vorhandenen Empfangsanlage (hier: dem Breitbandkabelanschluss) einen Instandsetzungs- und Instandhaltungsanspruch (vgl. Hannemann/Wiegner, Münchner Anwaltshandbuch Mietrecht, 4. Auflage 2014, § 16 Rn. 165 m. w. N.). Die Vorsorgung durch (Breitband-)Kabelanschluss gehört auch nicht zu den Anlagen und Einrichtungen, bei denen es dem Vermieter gemäß § 1 Abs. (4) freisteht, sie jederzeit wieder abzuschaffen. Zum einen ist der Kabelanschluss dort nicht ausdrücklich genannt. Zum anderen überlagert die Formulierung in § 1 Abs. (6) nach Auffassung der Kammer die allgemeine Regelung in § 1 Abs. (4); abgesehen davon ginge eine etwaige Unklarheit darüber, ob der in § 1 Abs. (6) angesprochene Kabelanschluss auch zu den in § 1 Abs. (4) genannten Einrichtungen bzw. Anlagen gehört, zulasten der Vermieterseite, die den vorliegenden Formularmietvertrag verwendet hatte. Die in § 18 des Mietvertrages in Bezug genommene Hausordnung ist für die vorliegende Rechtsfrage ohne Erkenntniswert.

2. Inhalt der Leistungspflicht ist nach Auffassung der Kammer die Bereitstellung des Kabelanschlusses in Form eines entsprechenden Kabelsignals, das in der Wohnung der Kläger ankommt. Wenn das bisherige (nach Mitteilung der Kläger analoge) Kabelsignal splitterfähig war, was zwischen den Parteien unstreitig ist, dann ist die Beklagte in diesem Zusammenhang auch zur Bereitstellung eines splitterfähigen Kabelsignals verpflichtet.

Eine einvernehmliche Vertragsänderung dahingehend, dass eine Versorgung der Kläger nunmehr allein über die von der Beklagten installierte Satellitenanlage erfolgt, liegt nicht vor. Die Beklagte kann vorliegend nicht einseitig das Vertragsverhältnis hinsichtlich der Empfangsart ändern, indem sie die Kläger (insbesondere ohne formgerechte Ankündigung i. S. d. § 555c i BGB, vgl. unten Ziff. II. 4) vor vollendete Tatsachen stellt.

3. Die Leistungspflicht der Beklagten ist nicht nachträglich erloschen.

a) Die Leistungspflicht ist nicht nach § 275 i BGB wegen nachträglich eingetretener Unmöglichkeit erloschen. Völlig unabhängig von der Frage, wie die Eigentumsverhältnisse am “alten” Kabelnetz sind, ist nicht ersichtlich, weshalb eine (Wieder-)herstellung der Versorgung mit dem bisherigen Kabelsignal objektiv bzw. für die Beklagte subjektiv dauerhaft unmöglich sein sollte. Selbst wenn man davon ausginge, dass das (unbestritten nach wie vor vorhandene) Kabelnetz nur mit Zustimmung der Fa. E. genutzt werden darf, so wäre Unmöglichkeit i. S. d. § 275 i BGB nur gegeben, wenn die Wiedereinräumung der Nutzung des “alten” Kabelnetzes von vornherein aus- geschlossen ist. Dies steht hier nicht fest. Dass die Beklagte das gegenüber der Fa. E. gekündigte Vertragsverhältnis wiederbeleben müsste, ändert daran nichts. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Fa. E. sich einer solchen Sachbehandlung endgültig verweigert hätte.

Die Voraussetzungen des § 275 II BGB liegen ebenfalls nicht vor. Durch die bloße Behauptung, das Kabelnetz sei “veraltet”, kann ein Schuldner keinesfalls die Hürde des § 275 II BGB überspringen, insbesondere wenn man berücksichtigt, dass die Beklagte die Kosten für die Bereitstellung des Kabelanschlusses im Rahmen des § 2 Abs. 4 Buchstabe u) als Betriebskosten auf die Mieter umlegen darf.

b) Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts ist die Leistungspflicht der Beklagten auch nicht gemäß § 362 i BGB erloschen. Nach § 362 i BGB erlischt ein Schuldverhältnis nur, wenn die geschuldete Leistung an den Gläubiger bewirkt wird. Daran fehlt es hier:

Es mag sein, dass (auch) in der Wohnung der Kläger ein Glasfaseranschlusspunkt (FTTH-Anschluss) vorhanden ist, bei dessen Inanspruchnahme (und nach Abschluss eines Direktvertrages mit dem jeweiligen Anbieter) die Kläger ein splitterfähiges Kabelsignal beziehen könnten. Die Einräumung dieser zusätzlichen Option ist – unabhängig von der Frage von ggf. zusätzlich anfallenden Kosten – jedenfalls kein Bewirken der geschuldeten Leistung. Denn nach den obigen Ausführungen ist der Vermieter verpflichtet, ein entsprechendes Kabelsignal zur Verfügung zu stellen. Die Schaffung der technischen Voraussetzungen, um durch Direktvertrag mit dem jeweiligen Anbieter ein splitterfähiges Kabelsignal beziehen zu können, ist etwas anderes und bereits deswegen nicht erfüllungstauglich. Auf die weiteren Erwägungen des Amtsgerichts kommt es insoweit nicht an. Die Voraussetzungen des § 364 i BGB liegen im Falle der Kläger ohnehin nicht vor, insbesondere auch nicht hinsichtlich des dargebotenen Satellitensignals.

4. Das Klagebegehren ist auch durchsetzbar.

Zwar sprechen durchaus Argumente für die Rechtsauffassung der Beklagten, dass die Inbetriebnahme der Satellitenanlage eine Modernisierungsmaßnahme im Sinne des § 555b BGB ist. Das bedeutet, dass die Beklagte die Kläger unter den Voraussetzungen der §§ 555b ff. BGB hätte dazu zwingen können, eine solche Maßnahme zu dulden. Bei einer entsprechenden fälligen Duldungsverpflichtung der Mieter wäre das vorliegende Klagebegehren jedenfalls nicht durchsetzbar (§ 242 BGB).

Eine fällige Duldungspflicht der Kläger als Mieter der streitgegenständlichen Wohnung liegt jedoch nicht vor. Selbst wenn sämtliche Voraussetzungen des § 555b BGB gegeben sind und eine Duldungspflicht der Mieter gemäß § 555d I BGB entsteht, so wird diese Duldungspflicht grundsätzlich erst fällig, wenn eine ordnungsgemäße Modernisierungsankündigung i. S. d. § 555c I BGB vorliegt und eine entsprechende Ankündigungsfrist abgelaufen ist (vgl. Palandt/Weidenkaff, § 555d BGB Rn. 3). Daran fehlt es hier:

Nach Aktenlage ist eine Modernisierungsankündigung i. S. d. § 555c I BGB überhaupt nicht erfolgt. Sie war auch nicht gemäß § 555c IV BGB entbehrlich, da insoweit kein tragfähiger Sachvortrag der insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Beklagtenseite zu den beiden Voraussetzungen des § 555c IV BGB, die kumulativ vorliegen müssen, gegeben ist.”