Aus der Rubrik “Wissenswertes”:  

Kann eine unverschuldete Zahlungsunfähigkeit einen Mieter im Rahmen des § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB bei einer ordentlichen Kündigung entlasten und ihm die Möglichkeit eröffnen, sich auf unvorhersehbare wirtschaftliche Engpässe zu berufen?

Die Antwort des Bundesgerichtshofs (BGH – VIII ZR 238/15, Beschluss vom 20.07.2016) lautet: Ja!

Zur Begründung führt der BGH in seiner vorgenannten Entscheidung unter II. 3. b) unter den Randnummern 14 bis 18 wie folgt aus:

14 “b) Auch gegen das vom Berufungsgericht bejahte Vorliegen eines berechtigten Interesses der Klägerin an der Beendigung der Mietverhältnisse wendet sich die Revision ohne Erfolg. Das Berufungsgericht hat richtig gesehen, dass nach der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 16. Februar 2005 – VIII ZR 6/04,WuM 2005, 250 unter II 2 d cc) eine unverschuldete Zahlungsunfähigkeit den Mieter im Rahmen des §573 Abs. 2 Nr. 1 BGB bei einer ordentlichen Kündigung auch entlasten und ihm im Gegensatz zur fristlosen Kündigung wegen Zahlungsverzugs die Möglichkeit eröffnen kann, sich auf unvorhersehbare wirtschaftliche Engpässe zu berufen. Insoweit hat das Berufungsgericht aber – anders als die Revision meint – nicht die (Substantiierungs-)Anforderungen an eine vorzunehmende Entlastung verkannt.
15 (1) Dass der Beklagte mit den über mehrere Monate jeweils nahezu in Höhe einer Halbjahresmiete aufgelaufenen Mietrückständen seine Mietzahlungspflichten weit mehr als nur unerheblich verletzt hat, steht – wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei angenommen hat – außer Frage (vgl. Senatsurteil vom 10. Oktober 2012 – VIII ZR 107/12, BGHZ 195, 64 Rn. 19 f.). Ebenso ist das Berufungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass es – in Übereinstimmung mit § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB – Sache des Beklagten war, im Einzelnen darzulegen, dass er diese Pflichtverletzungen aufgrund des Eintritts einer unvorhersehbaren wirtschaftlichen Notlage mangels Verschuldens nicht zu vertreten hatte (Senatsurteil vom 10. Oktober 2012 – VIII ZR 107/12, aaO Rn. 24; MünchKommBGB/Häublein, 6. Aufl., § 573 Rn. 65 mwN). Denn das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler die nach den Umständen gebotenen Darlegungen des Beklagten vermisst, welche es ihm überhaupt erst ermöglicht hätten, ein fehlendes Verschulden des Beklagten am Eintritt des behaupteten Liquiditätsengpasses mit dem nötigen Grad an Sicherheit festzustellen.
16 Zwar erfordern die vom Mieter zur Führung des Entlastungsbeweises zu erbringenden Darlegungen keine derart lückenlose Darstellung der Umstände, dass jede noch so entfernt liegende Möglichkeit eines Verschuldens ausgeschlossen erscheint. Es genügt vielmehr, dass er darlegt und nachweist, dass ernstlich in Betracht kommende Möglichkeiten eines Verschuldens nicht bestehen, weil er insoweit alle ihm obliegende Sorgfalt beachtet hat (vgl. BGH, Urteil vom 9. November 2004 – X ZR 119/01, BGHZ 161, 79, 84 f.; BVerwGE 52, 255, 262; jeweils mwN). Dem ist das Vorbringen des Beklagten, wie das Berufungsgericht im Einzelnen und ohne Überspannung der Anforderungen ausgeführt hat, aber nicht gerecht geworden.
17 Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht insbesondere konkrete Angaben zur tatsächlichen Höhe der angeblich weit übersetzten Steuerschätzung und zu der Frage vermisst, warum es nicht zu einer Stundungsvereinbarung mit dem Finanzamt gekommen ist. Gleiches gilt für die näheren Gründe des Zustandekommens dieser Steuerschätzung und die Umstände der Beitreibung der danach festgesetzten Beträge. Auf diese Weise hat das Berufungsgericht – anders als die Revision meint – mit Recht darauf abgestellt, dass sich die zur Führung des Entlastungsbeweises erforderlichen Darlegungen einschließlich der sonstigen Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Schuldners auf sämtliche Umstände beziehen müssen, die für einen behaupteten Ausschluss der Leistungsfähigkeit von Bedeutung sein können.
18 (2) Soweit die Revision darüber hinaus meint, insbesondere die nachträgliche Rückführung der Mietrückstände hätte dem Berufungsgericht Veranlassung geben müssen, die bis dahin bestehenden Pflichtverletzungen in “einem milderen Licht” zu sehen und das Vorliegen eines berechtigten Kündigungsinteresses der Klägerin zu verneinen, hat das Berufungsgericht auch diesen Umstand, welcher der Sache nach den auf § 242 BGB beruhenden Einwand rechtmissbräuchlichen Verhaltens betrifft, eingehend gewürdigt, jedoch keine Veranlassung gesehen, den Fortbestand des bis dahin gegebenen Kündigungsgrundes zu verneinen oder das Vorgehen der Klägerin als rechtsmissbräuchlich einzustufen. Das lässt ebenfalls keinen Rechtsfehler erkennen.”