Aus der Rubrik “Wissenswertes”:               

Ist ein formularmäßiger Kündigungsausschluss in einem Wohnraummietvertrag, der sich an der gesetzlichen Regelung des bei einer Staffelmietvereinbarung zulässigen Kündigungsausschlusses in § 557a Abs. 3 BGB orientiert, wegen unangemessener Benachteiligung des Mieters gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam?

Die Antwort des Bundesgerichtshofs (BGH – VIII ZR 23/16, Beschluss vom 23.08.2016) lautet: Nein!

Zur Begründung führt der BGH in seiner vorgenannten Entscheidung unter II. unter den Randnummern 4 bis 18 wie folgt aus:

4 “1. Ein Grund zur Zulassung der Revision ist nicht gegeben. Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen, weil die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordere. Eine höchstrichterliche Entscheidung zur Wirksamkeit der streitgegenständlichen Kündigungsausschlussklausel sei noch nicht erfolgt. Ihre Wirksamkeit werde bisher lediglich im Schrifttum bejaht. Diese Erwägung trägt indessen weder den vom Berufungsgericht bejahten Zulassungsgrund der Fortbildung des Rechts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 1 ZPO) noch liegt einer der weiteren im Gesetz (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO) genannten Zulassungsgründe (grundsätzliche Bedeutung; Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung) vor.
5 a) Zur Fortbildung des Rechts ist die Zulassung der Revision dann geboten, wenn der zu entscheidende Einzelfall Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen aufzustellen oder Gesetzeslücken auszufüllen. Für die Entwicklung höchstrichterlicher Leitsätze besteht aber nur dann ein Bedürfnis, wenn es für die rechtliche Beurteilung typischer oder verallgemeinerungsfähiger Lebenssachverhalte an einer richtungsweisenden Orientierungshilfe ganz oder teilweise fehlt (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 27. März 2003 – V ZR 291/02, BGHZ 154, 288, 292 mwN).
6 b) Einer solchen Hilfestellung bedarf es im Streitfall nicht. Zwar hat sich der Senat noch nicht mit der Wirksamkeit der konkret in Frage stehenden Kündigungsausschlussklausel befasst. Durch die Rechtsprechung des Senats ist jedoch geklärt, dass ein formularmäßiger Kündigungsausschluss in einem Wohnraummietvertrag, der sich an der gesetzlichen Regelung des bei einer Staffelmietvereinbarung zulässigen Kündigungsausschlusses in § 557a Abs. 3 BGB orientiert, nicht wegen unangemessener Benachteiligung des Mieters gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam ist (st. Rspr.; vgl. Senatsurteil vom 8. Dezember 2010 – VIII ZR 86/10, NJW 2011, 597 Rn. 13 ff.).
7 Eine diesen Anforderungen gerecht werdende Kündigungsausschlussklausel hat die Beklagte in dem Mietvertragsformular verwendet. Die in Rede stehende Klausel greift den Wortlaut der gesetzlichen Vorschrift des § 557a Abs. 3 BGB auf. Im Einklang mit dieser Bestimmung heißt es in der Klausel, dass die ordentliche Kündigung frühestens “zum Ablauf dieses Zeitraums” zulässig ist. Da der Senat die Wirksamkeit von formularmäßigen Kündigungsausschlussklauseln an der in § 557a Abs. 3 BGB zum Ausdruck gekommenen, verallgemeinerungsfähigen Wertentscheidung des Gesetzgebers misst, ist die rechtliche Beurteilung der Wirksamkeit der in Frage stehenden Klausel durch die höchstrichterliche Rechtsprechung vorgezeichnet.
8 2. Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg. Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht die verwendete Kündigungsausschlussklausel dahin ausgelegt, dass sie eine ordentliche Kündigung des Mieters nur für die Dauer von vier Jahren ab dem 1. April 2012 ausschließt, und sie daher für wirksam erachtet. Weder die von den Beklagten behauptete ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses vom Oktober/November 2014 noch die vom Berufungsgericht festgestellte ordentliche Kündigung vom 16. Februar 2015 hat daher das Mietverhältnis beendet, so dass die Mietzahlungspflicht der Beklagten weiterbesteht.
9 a) Nach den rechtsfehlerfreien, von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen handelt es sich bei der streitgegenständlichen Klausel um eine vom Kläger verwendete Allgemeine Geschäftsbedingung. Ohne Erfolg macht die Revisionserwiderung im Wege der Gegenrüge geltend, die Klausel sei deswegen nicht als Allgemeine Geschäftsbedingung zu werten, weil ihr wesentlicher Kern erst durch die handschriftlich eingetragene Festlegung der Mindestlaufzeit bestimmt werde. Dass die Dauer des Kündigungsverzichts durch handschriftliche Ergänzung von zwei Leerstellen des im Übrigen vorgedruckten Texts auf vier Jahre festgelegt worden ist, nimmt der Klausel nicht ihren Charakter als Allgemeine Geschäftsbedingung; die gewählte Schriftart ist nach § 305 Abs. 1 Satz 2 BGB ohne Bedeutung (Senatsurteil vom 6. April 2005 – VIII ZR 27/04, NJW 2005, 1574 unter II 2 b).
10 Eine Allgemeine Geschäftsbedingung wäre nur dann nicht gegeben, wenn die Ergänzung von den Parteien individuell ausgehandelt oder gar von dem Vertragspartner des Verwenders nach seiner freien Entscheidung vorgenommen worden wäre (BGH, Urteile vom 6. April 2005 – VIII ZR 27/04, aaO; vom 13. November 1997 – X ZR 135/95, NJW 1998, 1066 unter II 2 b, c). Dies macht die Revisionserwiderung jedoch nicht geltend.
11 Sie führt lediglich an, das Berufungsgericht habe nicht festgestellt, dass der Kläger die Absicht gehabt habe, die Klausel mit dem konkreten Inhalt mehrfach zu verwenden. Eine solche Absicht ist aber entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung nicht erforderlich. Allgemeine Geschäftsbedingungen liegen auch dann vor, wenn sie – wie hier bei dem verwendeten Formularvertrag – von einem Dritten für eine Vielzahl von Verträgen formuliert sind, selbst wenn die Vertragspartei, die die Klauseln stellt, sie nur in einem einzigen Fall verwenden will (Senatsurteil vom 17. Februar 2010 – VIII ZR 67/09, NJW 2010, 1131Rn. 10 mwN). Dies hat auch für Formularklauseln zu gelten, bei denen zwar keine bestimmte (Höchst-)Frist vorformuliert ist, bezüglich derer aber – wie im Streitfall – vom Ersteller des Formulars ein Hinweis auf eine zulässige Höchstfrist erteilt wird, von der der Verwender dann Gebrauch macht. Denn in einem solchen Fall besteht auf Seiten des Vertragspartners des Verwenders kein geringeres Schutzbedürfnis als wenn die Höchstfrist bereits vorformuliert gewesen wäre.
12 b) Die vom Kläger verwendete Kündigungsausschlussklausel hält einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB stand.
13 aa) Nach der Rechtsprechung des Senats ist zwar ein formularmäßiger Kündigungsausschluss dann gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam, wenn er einen Zeitraum von vier Jahren – gerechnet vom Zeitpunkt des Vertragsschlusses bis zu dem Zeitpunkt, zu dem der Mieter den Vertrag erstmals beenden kann – überschreitet (st. Rspr.; vgl. zuletzt Senatsurteile vom 8. Dezember 2011 – VIII ZR 86/10, aaO Rn. 15; vom 2. März 2011 – VIII ZR 163/10, WuM 2011, 294 Rn. 11). Daher hat der Senat formularmäßige Kündigungsausschlussklauseln für unwirksam erachtet, die den zulässigen Bindungszeitraum von vier Jahren um drei Monate verlängern, indem sie bestimmen, dass eine ordentliche Kündigung erstmals “nach Ablauf des bezeichneten Zeitraums” zulässig ist (Senatsurteile vom 8. Dezember 2011 – VIII ZR 86/10, aaO Rn. 13 ff.; vom 2. März 2011 – VIII ZR 163/10, aaO).
14 bb) Eine solche Klausel enthält der zwischen den Parteien geschlossene Mietvertrag jedoch nicht. Vielmehr sieht die Klausel vor, dass die ordentliche Kündigung erstmals “zum Ablauf dieses Zeitraums” zulässig ist und entspricht damit der gesetzlichen Regelung des § 557a Abs. 3 Satz 2 BGB. Das Berufungsgericht hat die Klausel rechtsfehlerfrei dahin ausgelegt, dass das Kündigungsrecht nicht erst nach Verstreichen der Vierjahresfrist, sondern – unter Beachtung der gesetzlichen Kündigungsfrist – zu deren Ablauf ausgeübt werden kann. Dies entspricht nicht nur dem üblichen und von § 557a Abs. 3 Satz 2 BGB aufgegriffenen Sprachgebrauch, sondern auch dem bei der Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen anzulegenden objektiven Maßstab. Ausgehend von dem objektiven Inhalt und typischen Sinn der in Frage stehenden Klausel ist diese von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Kreise (vgl. zu diesem Maßstab Senatsurteil vom 10. Februar 2016 – VIII ZR 137/15, NJW 2016, 1308 Rn. 14 mwN), dahin auszulegen, dass die Parteien für die Dauer von vier Jahren an den Mietvertrag gebunden sind (Satz 1), jedoch noch vor Verstreichen dieser Zeitspanne eine Kündigung “zum Ablauf dieses Zeitraums” unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist zulässig ist (Satz 2).
15 Der von der Revision bemängelte Widerspruch besteht nicht. Vielmehr stellt das Zusammenwirken der beiden Sätze der Klausel sicher, dass das Mietverhältnis zwar vier Jahre andauert, der Mieter jedoch durch rechtzeitige Ausübung seines Kündigungsrechts “zum Ablauf dieses Zeitraums” erreichen kann, dass diese – nach der Wertung des § 557a Abs. 3 BGB angemessene – Zeitspanne nicht überschritten wird. Jedes andere Verständnis ist angesichts der bei verständiger Würdigung klaren und in sich widerspruchsfreien Regelung ausgeschlossen, so dass die von der Revision bemühte kundenfeindlichste Auslegung nicht zum Tragen kommt. Der Senat hat schon zu § 10 Abs. 2 Satz 6 MHG, der Vorgängerregelung des § 557a Abs. 3 BGB, der wiederum als “Vorbild” für die Kündigungsausschlussklausel diente, entschieden, dass eine fristgerechte Kündigung zum Ablauf des Vierjahreszeitraums möglich ist und der Mieter nicht erst das Ende dieses Zeitraums abwarten muss, um anschließend wirksam kündigen zu können (Senatsurteil vom 29. Juni 2005 – VIII ZR 344/04, WuM 2005, 519 unter II 4 mwN).
16 cc) Aus den oben genannten Gründen ist die Klausel auch nicht wegen Intransparenz nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam.
17 dd) Eine Unwirksamkeit der Formularklausel ergibt sich schließlich auch nicht daraus, dass sie den Beginn des vierjährigen Kündigungsausschlusses nicht auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses legt. Die Klausel selbst enthält keine ausdrücklichen Angaben zum Fristbeginn. Das Amtsgericht hat im Wege der Auslegung hierfür den Zeitpunkt des Mietbeginns (1. April 2012) für maßgebend erachtet, der in dem der Kündigungsausschlussklausel unmittelbar vorangehenden Satz aufgeführt ist. Dem ist das Berufungsgericht gefolgt. Dies lässt Rechtsfehler nicht erkennen und wird auch im Revisionsverfahren nicht angegriffen.
18 Dass der Beginn des Kündigungsausschlusszeitraums – anders als von § 557a Abs. 3 BGB vorausgesetzt (vgl. hierzu auch Senatsurteil vom 8. Dezember 2010 – VIII ZR 86/10, aaO Rn. 13 f. mwN) – im Streitfall nicht ab Vertragsschluss läuft, ist unschädlich, weil der Mietbeginn (1. April 2012) hier vor dem erst am 9. April 2012 erfolgten Vertragsschluss liegt. Die Anknüpfung der vierjährigen Kündigungsausschlussfrist an den Zeitpunkt des Beginns des Mietverhältnisses ist daher für die Beklagten günstiger als ein erst mit dem späteren Vertragsschluss einsetzender Fristlauf. Demzufolge hat die Revision auch nicht geltend gemacht, die Klausel halte wegen einer verspäteten Ingangsetzung der Vierjahresfrist einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht stand.”