Aus der Rubrik “Wissenswertes”:

Ist eine Formularmietvertragsklausel, die den Beginn der Verjährungsfrist einheitlich auf den Zeitpunkt der Beendigung des Mietverhältnisses festlegt, wirksam?

Die Antwort des Landgerichts Berlin (LG Berlin – 65 S 305/16, Urteil vom 26.10.2016) lautet: Nein!

Zur Begründung führt das Landgericht Berlin in seiner vorgenannten Entscheidung unter II. 1. wie folgt aus: “Frei von Rechtsfehlern hat das Amtsgericht die auf Schadensersatz nach §§ 280, 281 BGB gerichtete Klage abgewiesen. Dem Anspruch steht dauerhaft ein Leistungsverweigerungsrecht der Beklagten entgegen, § 214 Abs. 1 BGB. Der Anspruch der Klägerin war im Zeitpunkt der Klageerhebung gemäß § 548 Abs. 1 BGB verjährt.

Nach § 548 Abs. 1 BGB verjähren Ansprüche des Vermieters wegen Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache in sechs Monaten; die Verjährung beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Vermieter die Mietsache zurückerhält. Unstreitig hat die Klägerin die Mietsache am 29. Dezember 2014 zurückerhalten. Die Frist endete gemäß §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2, 193 BGB demnach am 30. Juni 2015.

a) Eine Hemmung der Verjährung durch Klageerhebung, §§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB, § 253 Abs. Abs. 1 ZPO, hat die Klägerin nicht rechtzeitig herbeigeführt. Die Klageschrift ist am 25. Juni 2015 beim Amtsgericht eingegangen, aber erst am 1. Oktober 2015 zugestellt worden. Die (Rück-)Wirkung des § 167 ZPO ist nicht eingetreten, wie das Amtsgericht (ebenfalls) zutreffend festgestellt hat. Die Zustellung der Klageschrift ist nicht “demnächst” im Sinne der Regelung erfolgt, denn der Gerichtskostenvorschuss ist auf die Anforderung mit Schreiben vom 6. Juli 2015 erst am 21. September 2015 eingezahlt worden (vgl. insoweit BGH, Urt. v. 30.03.2012 – V ZR 148/11, Grundeigentum 2012, 767, m. w. N.).

b) Frei von Rechtsfehlern hat das Amtsgericht (auch) die Verlängerung der Verjährungsfrist nach § 24 des Mietvertrages vom 15. Mai 2003 verneint. Die Klausel ist gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.

aa) Zutreffend – von der Klägerin unbeanstandet – ist das Amtsgericht davon ausgegangen, dass es sich bei der Regelung in § 24 des Mietvertrages um eine Allgemeine Geschäftsbedingung handelt, das heißt eine für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte, von der Klägerin gestellte Vertragsbedingung im Sinne des § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB; etwaige Ausnahmen nach § 310 Abs. 3 BGB greifen nicht.

bb) Ob die in § 548 BGB vorgesehene kurze Verjährung einer Verlängerung über Allgemeine Geschäftsbedingungen überhaupt zugänglich ist, ist in Rechtsprechung und Schrifttum umstritten. Zum Teil wird die formularvertragliche Verlängerung der Frist – anders als eine in den Grenzen des § 202 Abs. 2 BGB mögliche individualvertragliche Verlängerung – unter Hinweis auf den Leit-bildcharakter des § 548 BGB generell verneint (vgl. AG Detmold, Urt. v. 31.10.2008 – 6 C 241/08, beck-online; a. A. aber nachfolgend: LG Detmold, Urt. v. 01.06.2011 – 10 S 14/09, beck-online, Emmerich in: Staudinger, BGB, 14. Aufl., § 548 Rn 46; Blank in: Blank/Börstinghaus, Miete, 4. Aufl., § 548 Rn 86; Gruber, WuM 2002, 252). Überwiegend wird eine “moderate” Fristverlängerung für zulässig gehalten (vgl. Kandelhard, NZM 2002, 929, beck-online), dies jedenfalls dann, wenn sie für Vermieter und Mieter gleichermaßen gilt und die berechtigten Interessen des Mieters ausreichend berücksichtigt werden (vgl. Bieber in: Münchner Kommentar zum BGB, 6. Aufl., § 548 Rn 26; Streyl in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 12. Aufl., § 548 Rn 62; Hau, NZM 2006, 561, beck-online; LG Frankfurt, Beschl. v. 24.2.2011 – 2/11 S 309/10, NZM 2011, 546, beck-online; LG Det-mold, Urt. v. 01.06.2011 – 10 S 14/09, beck-online).

Ob die vom Gesetzgeber im Rahmen der Reform des Verjährungsrechts in § 202 Abs. 2 BGB n. F. bewusst vorgesehene Verlängerung der Verjährungsfrist (vgl. Gesetzentwurf zur Modernisierung des Schuldrechts, BT-Drs. 14/6040, S. 110) auch im Anwendungsbereich des § 548 BGB und/oder der §§ 305ff. BGB möglich ist und welchen Grenzen eine solche Regelung gegebenen-falls unterliegt, kann hier dahin stehen (offen gelassen: BGH, Urt. v. 15.03.2006 – VIII ZR 153/05, WuM 2006, 319, beck-online; vgl. auch BGH, Urt. vom 21.4.2015 – XI ZR 200/14, NJW 2015, 257.; BGH, Urt. v. 15. 3. 2006, VIII ZR 123/05, NJW 2006, 1588, beck-online).

Denn § 24 des Mietvertrages ist gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB jedenfalls deshalb unwirksam, weil die Klausel den Beginn des Laufes der Verjährungsfrist für Ansprüche des Mieters und des Vermieters einheitlich auf den Zeitpunkt der Beendigung des Mietverhältnisses festlegt. Für Ansprüche des Mieters entspricht dies zwar der in § 548 Abs. 2 BGB getroffenen Regelung, weicht für Ansprüche des Vermieters jedoch von § 548 Abs. 1 S. 2 BGB ab.

Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist. Sie ist nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB anzunehmen, wenn der Verwender Allgemeiner Geschäfts-bedingungen durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hin-reichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zu gewähren. Die Unangemessenheit ist zu verneinen, wenn die Benachteiligung des Vertragspartners durch zumindest gleichwertige Interessen des Verwenders gerechtfertigt ist (st. Rspr. BGH, Urt. v. 18.03.2015 – VIII ZR 242/13, WuM 2015, 343, Rn. 29; Urt. v. 23.09.2010 – III ZR 21/10, NJW 2010, 3568, Rn. 12, jew. m. w. N.).

Es kann dahinstehen, ob die Klausel in § 24 des Mietvertrages ausreichend transparent im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB ausgestaltet ist. Ein Verstoß gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB kann (auch) darin liegen, dass die Rechtslage verschleiert wird (vgl. Wurmnest in: MünchKommBGB, 7. Aufl., 2016, § 307 Rn. 61, beck-online). Dafür könnte hier sprechen, dass die Regelung in § 24 des Mietvertrages den Eindruck vermittelt, einheitlich geregelte Rechte einheitlich abzuändern. Verschleiert wird, dass der Beginn der Verjährung nach der Rechtslage für Ansprüche des Vermieters und des Mieters unterschiedlich geregelt ist, aber nur für Ansprüche des Vermieters davon abgewichen wird. Ob die Klausel schon deshalb unwirksam ist, bedarf keiner Entscheidung, weil die Klausel jedenfalls einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht standhält.

Der (einseitig) modifizierte Verjährungsbeginn benachteiligt den Mieter unangemessen, denn er kann den Zeitpunkt des Eintritts der Verjährung für Ansprüche des Vermieters (zusätzlich) erheblich hinausschieben.

Die als lex specialis zu § 198 a. F. (§ 195 BGB n. F) konzipierte Verjährungsregelung in § 548 BGB differenziert bewusst zwischen Ansprüchen des Vermieters und des Mieters; sie wurde deshalb aus Gründen der Übersichtlichkeit in Abweichung zu § 558 BGB a. F. in zwei Absätze gegliedert. Die Anknüpfung des Beginns der Verjährung für Ansprüche des Vermieters an die Rückgabe der Mietsache soll nach den Gesetzesmaterialien eine zeitnahe Klärung bestehender Ansprüche im Zusammenhang mit dem Zustand der Mietsache sicherstellen (vgl. BT-Drs. 14/4553, S. 45).

Die vom Gesetzgeber gewählte Differenzierung berücksichtigt, dass der Vermieter seine Ansprüche wegen Verschlechterungen oder Veränderungen mit Bezug zur Mietsache mit ihrem Rücker-halt tatsächlich überprüfen kann und erlegt ihm – mit der kurzen Verjährung – die zeitnahe Aus-führung der Überprüfung auch als Pflicht auf. Der Beendigung des Mietverhältnisses kommt dem-gegenüber für den Beginn der Verjährung der Ansprüche des Vermieters nach dem Gesetz keine Bedeutung zu.

Das Motiv des Gesetzgebers dafür, die Ansprüche des Vermieters an die Rückgabe der Mietsache, nicht jedoch die Beendigung des Mietverhältnisses anzuknüpfen, greift Interessen beider Pateien auf. Für beide Seiten ergeben sich Schwierigkeiten, den Zustand der Mietsache festzustellen, wenn diese nach Beendigung des Mietverhältnisses neu vermietet worden ist. An einer schnellen Neuvermietung nach Feststellung des Zustandes haben nicht nur beide Parteien ein Interesse – der Mieter mit Blick auf § 546a BGB, der Vermieter aus nahe liegenden wirtschaftlichen Interessen – sondern bei Wohnraum auch die Allgemeinheit in Anbetracht des – hier für Berlin betroffenen – angespannten Wohnungsmarktes. Die Rückgabe vor Vertragsende erleichtert dem Vermieter die Neuvermietung zudem, denn er kann sie von Interessenten besichtigen lassen, ohne mit dem Mieter Termine vereinbaren zu müssen.

Die Regelung unterstützt damit den Idealfall einer rücksichtsvollen Abwicklung des vor seiner Beendigung stehenden Mietvertragsverhältnisses.

Die Regelung in § 548 Abs. 1 BGB schützt aber auch den Mieter, der die Mietsache so früh- bzw. rechtzeitig zurückgibt, dass der Vermieter etwaige Ansprüche an ihn herantragen und er entscheiden kann, ob und gegebenenfalls wie er darauf – vor bzw. zeitnah zur Beendigung des Vertrags-verhältnisses – reagieren will. Zwar hat der Bundesgerichtshof bisher, soweit ersichtlich, offen gelassen, ob der Vermieter überhaupt gehalten ist, die Wohnung vor Vertragsende zurückzunehmen (vgl. BGH, Urt. v. 15.03.2006 – VIII ZR 123/06, in WuM 2006, 319), er hat schutzwürdige Interessen des Vermieters durch eine vorzeitige, vor Vertragsende liegende Rück-gabe jedoch auch nicht als verletzt angesehen (BGH, Urt. v. 15.03.2006, a.a.O., Rn. 11); sie ist auch üblich.

Aber selbst wenn unterstellt würde, dass der Vermieter zu einer Rücknahme der Mietsache vor Vertragsende nicht verpflichtet ist, so stünde das einer – der oben dargestellten Interessenlage entsprechenden – einvernehmlich vereinbarten vorzeitigen Übergabe nicht entgegen. Es läge in der Befugnis des Vermieters zu entscheiden, ob Zeitpunkt der Rückgabe und Beendigung des Vertragsverhältnisses auseinander- oder zusammenfallen.

Hier – wie auch in dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall – hat die Klägerin, vertreten durch die von ihr beauftragte Hausverwaltung die Mietsache vor Vertragsende (freiwillig) zurück-genommen.

Die Beklagte hat das Mietverhältnis zum 28. Februar 2015 gekündigt; sie hat die Mietsache am 29. Dezember 2014 zurückgegeben, die Klägerin sie zurückgenommen. Die Hausverwaltung der Klägerin konnte bei der Übergabe an sie direkt den Zustand der Mietsache feststellen. Sie hat Ansprüche bereits vor Vertragsende mit Schreiben vom 12. Januar 2015 gegenüber der Beklagten geltend gemacht, weitere Feststellungen, insbesondere eine Schadenschätzung durch einen Sachverständigen bereits am 6. Februar 2015 vornehmen lassen.

Die Meinungsverschiedenheiten der Parteien über die geltend gemachten Ansprüche führen dabei zu keiner anderen rechtlichen Bewertung. Da die Klägerin die Mietsache zurückgenommen hat, greift die Intention des Gesetzgebers, dass nunmehr die Ansprüche zeitnah zu klären, das heißt gegebenenfalls auch gerichtlich geltend zu machen sind, um eine Hemmung der Verjährung zu erreichen. Das war der Klägerin auch grundsätzlich möglich; insbesondere ist kein Verhalten der Beklagten ersichtlich oder vorgetragen, das die Klägerin daran hinderte. Würde der Lauf der Verjährungsfrist entsprechend der Klausel im Mietvertrag an die Beendigung des Mietverhältnisses angeknüpft, wäre der Anspruch der Klägerin nicht verjährt.

Hat der Vermieter – wie hier – die Mietsache freiwillig vor Beendigung des Vertragsverhältnisses zurückgenommen, so zeigt dies, dass es den Mieter unangemessen benachteiligt, wenn er ungeachtet dessen, dennoch erst beginnend ab Beendigung des Vertrages für die Dauer von 6 (bzw. nach § 24 des Mietvertrages 12) Monaten mit der Geltendmachung von Ersatzansprüchen des Vermieters rechnen muss. Es werden damit einseitig Belange des Vermieters berücksichtigt: entscheidet er sich für die vorzeitige Rücknahme, so eröffnet dies die Möglichkeit einer zeitnahen

Neuvermietung, ohne dass er sich – nach der Vertragsklausel – dem Risiko aussetzt, dass die Verjährung früher beginnt.

Mit der für den Mieter nachteiligen Verlagerung des Beginns der Verjährung der Ansprüche des Vermieters gegen ihn auf den Zeitpunkt der Beendigung des Mietverhältnisses auch bei vorzeitiger Rückgabe bzw. Rücknahme der Mietsache gewinnt der Vermieter demnach einen (zusätzlichen) Vorteil; er wird nicht durch einen Vorteil des Mieters kompensiert.

Die Verlängerung der Verjährungsfrist auf ein Jahr kann im Zusammenhang mit der einheitlichen Anknüpfung des Beginns der Verjährung an den Zeitpunkt der Beendigung des Mietverhältnisses zugunsten des Vermieters als dem Verwender der Klausel nicht als Kompensation angesehen werden. Dem Vorteil des Mieters steht ein identischer Vorteil des Vermieters gegenüber, ohne dass dem einen oder dem anderen zugunsten oder zu Lasten einer Partei ein zusätzliches Gewicht oder eine weiterreichende Wirkung zukommen würde.

Interessen des Vermieters, die den Nachteil des Mieters in einem Fall wie dem hier gegebenen rechtfertigen, sind nicht gegeben. Wie oben festgestellt, entspricht die Rückgabe vor Vertragsende Interessen beider Parteien; findet sie einvernehmlich statt, so entspricht es dem Interesse des Mieters, dass auch der Lauf der Verjährung für Ansprüche des Vermieters beginnt. Geschieht das nicht, so hat der Vermieter den Vorteil, dass er vorzeitig den Besitz der Mietsache erlangt, ohne dass er darauf einen Anspruch hätte, § 546 Abs. 1 BGB. Schutzwürdige Belange des Vermieters, die dies rechtfertigen, sind nicht ersichtlich.

Die Kammer übersieht dabei nicht, dass die Klausel für den Mieter von Vorteil sein kann, der die Mietsache auch nach Beendigung des Mietverhältnisses entgegen seiner Verpflichtung aus § 546 Abs. 1 BGB nicht zurückgibt. Der Vermieter ist insoweit jedoch nach §§ 546a, 571 BGB geschützt.

Offen bleiben kann nach alledem, ob die Klausel auch mit wesentlichen Grundgedanken des § 548 Abs. 1 BGB nicht vereinbar und daher unwirksam ist, § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB.

An die Stelle der unwirksamen Klauseln tritt gemäß § 306 Abs. 2 BGB die gesetzliche Regelung des § 548 Abs. 1 Satz 2 BGB mit der Folge, dass die Ansprüche der Klägerin verjährt sind.”