Aus der Rubrik “Ziviler Ungehorsam”:

DER TAGESSPIEGEL am 21.05.2018: Besetzung in Neukölln – Nicht der Leerstand ist das Problem in Berlin

Die kuriosen Besetzungen am Pfingstwochenende sind vor allem ein Indikator für den Grad der Verzweiflung über die Berliner Wohnungssituation.

Berlin hat schon viele Hausbesetzungen erlebt, aber selten eine so kuriose wie am Pfingstwochenende in Neukölln: Aus zwei von drei Koalitionsfraktionen, denen der Grünen und der Linken, gab es nicht nur klammheimliche Freude, sondern offene Unterstützung; und auch eine politische Ebene darunter, in den Bezirken, wurde Zustimmung signalisiert. So erklärte Grünen-Baustadtrat Florian Schmidt aus Friedrichshain-Kreuzberg, es sei „gut, dass nun Zeichen gesetzt werden“, und die Landesvorsitzende der Linken, Katina Schubert, forderte: „Verhandlungen müssen ernsthaft geführt werden.“

Nicht der spekulative Leerstand ist das größte Problem der Berliner Stadtentwicklungspolitik, sondern die Stadtentwicklungspolitik selbst ist das Problem. Durch Besetzungen können Einzelinteressen befriedigt werden, mehr aber nicht, denn den behaupteten massenhaften Leerstand gibt es nicht. Zwar hat der Senat keinen sicheren Überblick mehr über die Zahl ungenutzter Wohnungen, seit die Energieversorger keine Verbrauchsdaten mehr übermitteln (was früher ein sicherer Indikator war). Aber die meisten der den Bezirken oder in Internetforen wie dem „Leerstandsmelder“ angezeigten Räume oder Gebäude sind entweder nur kurzzeitig ungenutzt, oder es sind unbrauchbare Schrottimmobilien wie alte Gewerberäume – und es sind insgesamt viel zu wenige, um den Wohnungsmarkt spürbar entlasten zu können.

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