Aus der Rubrik “Wissenswertes”:

Ist bei einer Kündigung wegen einer Vermietung an Dritte zur Feriennutzung zuvor eine Abmahnung erforderlich?

Die Antwort des Landgerichts Berlin (LG Berlin – 66 S 243/17, Beschluss vom 23.02.2018) lautet: Ja!

Zur Begründung führt das Landgericht Berlin in seiner vorgenannten Entscheidung wie folgt aus: “Das Amtsgericht hat die entscheidungserheblichen Fragen zum Bestehen eines Kündigungsrechts des Klägers zutreffend gestellt und beantwortet. Die Abweisung der Klage ist auch unter Berücksichtigung der Ausführungen in der Berufungsbegründung nicht zu beanstanden.

a) Die Berufungsbegründung betont vorrangig die Auffassung, dass im Falle der (hier ausschließlich erklärten) ordentlichen Kündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB zuvor keine Abmahnung wegen der Pflichtverletzung ausgesprochen werden muss. Dieser Hinweis verhilft der Kündigung, auf die der Kläger seine Klage stützt, aber nicht zum Erfolg.

b) Nach Auffassung der Kammer trifft die Ansicht des Klägers in rein formaler Hinsicht insoweit zu, als dem Vorliegen einer Abmahnung nicht generell die Wirkung einer allgemeinen Voraussetzung für die Kündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB zukommt. Damit allein sind die rechtserheblichen Aspekte aber nicht hinreichend beschrieben; insbesondere kann nicht im Umkehrschluss gefolgert werden, dass generell für eine Kündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB keine vorherige Abmahnung erforderlich ist.

Die Kammer schließt sich stattdessen der auch vom Amtsgericht bereits zitierten Auffassung der 67. Zivilkammer des Landgerichts Berlin (in der Entscheidung vom 27.07.2016 zum Aktenzeichen 67 S 154/16) an, wo es überzeugend heißt: “…Zwar ist die vorherige Abmahnung keine Formalvoraussetzung für die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung (…), der Abmahnung kann jedoch für die Kündigung ausnahmsweise insofern Bedeutung zukommen, als erst ihre Missachtung durch den Mieter dessen Vertragsverletzung das für die Kündigung erforderliche Gewicht verleiht (…). Denn die vollständige oder teilweise Überlassung gemieteten Wohnraums an Touristen ohne Erlaubnis des Vermieters stellt zwar eine – vornehmlich in Metropolen – nicht seltene Erscheinung dar; ihre Vertragswidrigkeit und grundsätzliche Steuerpflichtigkeit ist den Mietern – bereits ausweislich der Häufigkeit und des Umfangs der erfolgenden Gebrauchsüberlassungen – aber häufig nicht hinreichend bewusst (…)”.

In einem Dauerschuldverhältnis ist es besonders naheliegend, dass früher oder später unterschiedliche Auffassungen über die genauen Inhalte und Grenzen der vertraglichen Befugnisse entstehen. Für die schärfste Konsequenz aus solchen Differenzen, nämlich die Kündigung des betroffenen Dauerschuldverhältnisses, geht das Gesetz generell davon aus, dass die Parteien sich zunächst konkret erläutern, wie der eigene Standpunkt genau lautet, und welche rechtlichen Folgen daraus abgeleitet werden sollen. Dies ist der Inhalt des Verfahrens einer Abmahnung, das der Gesetzgeber nicht nur für einzelne Vertragstypen (etwa im Mietverhältnis gemäß § 543 Abs. 3 Satz 1 BGB) als Regelfall vorgesehen hat, sondern das ausweislich des § 314 BGB als allgemeiner schuldrechtlicher Grundsatz für alle Vertragstypen einer rechtlichen Dauerverbindung Beachtung fordert. Die Kündigung aus dem Anlass unterschiedlicher Auffassungen zu wechselseitigen Befugnissen im laufenden Vertrag soll als ultima ratio fungieren, wenn entweder ausnahmsweise jede vorherige (im Rahmen einer Abmahnung betriebene) Verbalisierung unzumutbar oder offensichtlich sinnlos erscheint, oder wenn eben diese Verbalisierung zunächst zwischen den Vertragspartnern stattgefunden hat. Bevor eine Kündigung ausgesprochen wird, muss grundsätzlich klar erläutert worden sein, dass und worin eine entsprechend gewichtige Pflichtverletzung erblickt wird, und dass es nach der Vorstellung des Abmahnenden bei Fortdauer des beanstandeten zur ultima ratio der Kündigung kommen soll und wird.

c) Jedenfalls im Wohnraummietrecht spielt es für diesen rechtlichen Zusammenhang keine entscheidende Rolle, dass die Vorschriften der §§ 314543 Abs. 3 BGB sich allein auf die Beendigung “ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist” beziehen. Wenn die Kündigung nach § 573 Abs. 2 BGB nach dieser Formulierung vom Regelungsbereich der genannten Vorschriften nicht umfasst ist, folgt daraus nur, dass es ein formales Erfordernis für eine (ausdrücklich auch so zu bezeichnende) Abmahnung in diesem Bereich nicht gibt.

Gleichwohl ist die Anforderung an die Parteien eines Wohnraummietvertrages, sich im Normalfall unterschiedliche Vorstellungen von den beiderseitigen Rechten und Pflichten zunächst zu verdeutlichen, und erst danach abhängig von der Reaktion der anderen Vertragspartei zum Mittel einer Kündigung zu greifen, inhaltlich über die Erfordernisse einer “schuldhaften” Pflichtverletzung, die sich als “nicht unerheblich” darstellen muss, auch in die Vorschrift des § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB eingeflossen. Auch die Prüfung einer auf diese Vorschrift gestützten Kündigung wird also regelmäßig die Frage zu beantworten haben, ob eine sofortige Beendigung des Dauerschuldverhältnisses ohne jede Vorwarnung gerechtfertigt ist.

Stehen keine gänzlich außergewöhnlichen Vorkommnisse, sondern eher alltägliche Fragen zwischen den Mietvertragsparteien im Streit, so wird dies regelmäßig nicht der Fall sein. Insbesondere im Kernbereich eines Wohnraummietverhältnisses, also betreffend die Fragen des unmittelbaren Gebrauchs der Mietsache nach Art, Maß und konkreter Ausformung, wird eine verschuldete und erhebliche Verletzung nicht “ohne weiteres” anzunehmen sein. Ein Verhalten (mag es auch im Ergebnis beanstandenswert erscheinen), das in einem auf Dauer angelegten Vertragsverhältnis nicht völlig aus dem Rahmen des Erwartbaren fällt, erhält das für eine Kündigung erforderliche Gewicht erst dadurch, dass der (später) kündigende Vertragspartner seinen Standpunkt und seine Absichten (erfolglos) verdeutlicht hat. Wer stattdessen sogleich zum Mittel der Kündigung greift, und es damit trotz des Fehlens außergewöhnlicher Umstände der anderen Vertragspartei verwehrt, nach entsprechender Rüge Einsicht zu zeigen und von einem beanstandeten Verhalten wieder abzurücken, zeigt damit kein berechtigtes Interesse an der Vertragsbeendigung, sondern eine vorschnelle Verfolgung zuvor nicht einmal ausformulierter eigener Standpunkte.

d) Nach diesen Maßstäben kann sich der Kläger nicht darauf berufen, der Beklagte habe im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB schuldhaft in nicht unerheblicher Weise seine Pflichten verletzt. Der Kläger hat in der (sofort) erklärten Kündigung zunächst seine Annahme dargestellt, der Beklagte habe ” zwischenzeitlich seinen Wohnsitz (nicht nur sporadisch sondern (…) gänzlich (…) verlegt”. Sodann hat der Kläger den Vorwurf formuliert, nach “mindestens 20 bis 30 Einzelfällen” liege nun eine “dauerhafte Feriennutzung durch Dritte vor”, namentlich durch “Berlintouristen”. Als Quelle dieser Einschätzungen ist in der Kündigung das Ergebnis der “Recherchen” des Klägers angeführt, der sich später für die Richtigkeit der erhobenen Vorwürfe auf die Angaben zu unterschiedlichsten Beobachtungen von Informanten aus dem Kreis der Mitmieter in dem Haus berufen hat.

Das Amtsgericht hat die Richtigkeit der (bestrittenen) Behauptungen mit Recht dahinstehen lassen und in dieser Konstellation eine vorherige Abmahnung als unverzichtbar angesehen. Dem schließt die Kammer sich an.

Gerade für den Bereich der zeitweiligen Nutzung einer Wohnung durch Dritte werden die Grenzen zwischen verschiedenen rechtlichen Konstellationen häufig unscharf sein. So werden mehrere Auffassungen vertretbar sein, wenn es darum geht, eine Änderung in den eigenen Wohnsitzverhältnissen von der Aufgabe eines Wohnsitzes abzugrenzen, eine Wohngemeinschaft von der Aufnahme eines Lebensgefährten oder von einer Untervermietung zu trennen, eine Untervermietung von einer besuchsweise erfolgenden Beherbergung oder einer kurzfristigen Hilfeleistung zu unterscheiden, oder auch eine Untermieteinnahme von einer Kostenbeteiligung oder der Erstattung eigenen finanziellen Aufwandes abzugrenzen.

Das eigene Verhalten in solchem Kontext als unbefugt zu erkennen, und sich gleichwohl in nicht unerheblicher Weise gegen die berechtigten Erwartungen des anderen Vertragspartners zu stellen, setzt voraus, dass dieser seine Einschätzung, seine Erwartungen und die von ihm für einen konkreten Fall als angemessen eingestufte Reaktion zu erkennen gibt. Dies gilt auch dann noch, wenn im Ergebnis gerichtlicher Überprüfung die Unrechtmäßigkeit des gerügten Verhaltens nicht zweifelhaft erscheinen würde, sondern nach allen vertretenen Auffassungen zu bejahen wäre. Die Zivilkammer 67 weist in der bereits zitierten Entscheidung nämlich mit Recht darauf hin, dass in der Bevölkerung die Kenntnis von den Grenzen der Rechtmäßigkeit weniger weit verbreitet ist, als die objektive Überschreitung derselben. Eine “nicht unerhebliche” und “schuldhafte” Auflehnung gegen vertragliche Pflichten setzt aber das Wissen voraus, wo die konkret betroffene andere Vertragspartei die Grenze ziehen, und welche Konsequenzen sie ggf. aus einer Überschreitung ableiten will.

e) Die in der Berufungsbegründung angeführte Rechtsprechung rechtfertigt keine anderen Bewertungen. Insbesondere die dort angeführte Entscheidung des Landgerichts Berlin vom 18.11.2014 (67 S 360/14) stellt gerade keinen “gewöhnlichen” Fall aus dem Alltag eines Wohnraummietverhältnisses dar. Dort ging es stattdessen darum, dass der Mieter eine unstreitige Gebrauchsüberlassung an Touristen gerade zu einer Zeit vornahm, zu der er nach vorheriger Kündigung wegen früherer Vorfälle bereits in einem anhängigen Gerichtsverfahren auf Räumung und Herausgabe in Anspruch genommen wurde. Wenn die Kammer unter solchen Umständen “besondere Gründe” erkennt und eine Abmahnung für die neuerliche fristlose Kündigung (nach Maßgabe des § 543 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BGB) für entbehrlich hält, besagt das für die hier zu beurteilende Konstellation nichts.