Aus der Rubrik “Wissenswertes”:

 

Kann die Berliner Betriebskostenübersicht herangezogen werden, um zu beurteilen, ob bei den Hauswartkosten das Wirtschaftlichkeitsgebot des § 556 Abs. 3 Satz 1 BGB eingehalten worden ist?

Die Antwort des Amtsgerichts Mitte (AG Mitte – 18 C 46/17, Urteil vom 09.04.2018) lautet: Ja!

Zur Begründung führt das Amtsgericht Mitte in seiner vorgenannten Entscheidung unter II. wie folgt aus: “1. Gegenüber dem Nachzahlungsbetrag in Höhe von 305,34 Euro steht dem Beklagten gegenüber der Klägerin ein Schadensersatzanspruch gem. § 280 Abs. 1 i.V.m. 241 Abs. 2 BGB, i.V.m. § 556 Abs. 2 BGB in Höhe von 304,72 Euro wegen überhöhter Hauswartkosten zu, welcher auf Freihaltung gerichtet ist.

Insofern hat die Klägerin schuldhaft gegen die Pflicht zur Einhaltung des Gebots der Wirtschaftlichkeit verstoßen.

a) Der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit bezeichnet die vertragliche Nebenpflicht des Vermieters, bei Maßnahmen und Entscheidungen, die Einfluss auf die Höhe der – nach entsprechender Vereinbarung – vom Mieter zu tragenden Betriebskosten haben, auf ein angemessenes Kosten-Nutzen-Verhältnis Rücksicht zu nehmen. Eine Verletzung dieser Pflicht durch den Vermieter kann zu einem Schadensersatzanspruch des Mieters führen, der sich auf dessen Freihaltung von den unnötigen Kosten richtet (vgl. BGH, Urteil vom 06. Juli 2011 – VIII ZR 340/10 -, Rn. 13).

Diese Pflicht besagt, dass nur solche Kosten umgelegt werden dürfen, die bei gewissenhafter Abwägung aller Umstände und bei ordentlicher Geschäftsführung gerechtfertigt sind. Maßgeblich ist dabei der Standpunkt eines vernünftigen Vermieters, der ein vertretbares Kosten-Nutzen-Verhältnis im Auge behält (vgl. BGH, Urteil vom 13. Oktober 2010 – XII ZR 129/09); WuM 2008, 39).

Dabei verkennt das erkennende Gericht nicht, dass der Grundsatz für den Vermieter durchaus einen Ermessensspielraum enthält, den er einzelfallorientiert unter Berücksichtigung eines zumutbaren Zeit- und Organisationsaufwandes ausüben muss (vgl. Milger NZM 2012, 664) Letztendlich beinhaltet der Begriff der Wirtschaftlichkeit das Gebot der Sparsamkeit (Milger a.a.O.)

b) Der Vermieter muss sich bemühen, einen günstigen Vertrag abzuschließen. So muss er sich zunächst einen Marktüberblick verschaffen und Vergleiche anstellen (vgl. KG NZM 2011, 487). Er darf sich bereits im Normalfall nicht auf die Einholung eines einzelnen Angebots beschränken. Dass die Klägerin dies vor Abschluss des Vertrags mit der Firma ### Liegenschaften getan hätte, hat diese nicht vorgetragen.

2. Das erkennende Gericht hat den Einwand des Beklagten hinsichtlich eines Verstoßes gegen das Gebot der Wirtschaftlichkeit im vorliegenden Verfahren auch zu berücksichtigen.

a) Zwar hat im vorliegenden Verfahren lediglich der Mitmieter ### unter dem 02.12.2014 Widerspruch erhoben und der Beklagte erstmals Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid unter dem 13.03.2017 erhoben und sodann mit anwaltlichem Schriftsatz vom 25.10.2017 substantiiert Einwendungen gegen die Betriebskostenabrechnung von 2012 erhoben.

b) Auf diese Einwendungen findet die Ausschlussfrist des § 556 Abs. 3 Satz 5 BGB indes keine Anwendung, denn die Ausschlussfrist des § 556Abs. 3 Satz 5 BGB findet auf Verstöße gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot nach überwiegender Auffassung überhaupt keine Anwendung (vgl. Zehelein in Langenberg/Zehelein Betriebskosten- und Heizkostenrecht, 8. Aufl. 2016, J 75; derselbe NZM 2014, 269; Derckx NZM 2014, 372; a.A. Streyl NZM 2013, 97, 100; Flatow WuM 2012, 235, 237).

c) Bei dem Gebot der Wirtschaftlichkeit handelt es sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs um eine Nebenpflicht, die den Vermieter trifft (vgl. BGH NZM 2011, 705).

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshof (vgl. BGH, Urteil vom 13. 6. 2007 – VIII ZR 78/06 = NZM 2007, 563; BGH, Urteil vom 28. 11. 2007 – VIII ZR 243/06 = NZM 2008, 78) ist der Wirtschaftlichkeitseinwand des Mieters von der Betriebskostenabrechnung selbst abgekoppelt zu begreifen: Er steht in keinem direkten Zusammenhang mit der Abrechnung, insbesondere nicht mit der Frage ihrer Richtigkeit. Die Ausschlussfrist dient allein der Klärung, welche Ansprüche dem Vermieter aus der Abrechnung zustehen, nicht aber dazu, ob er sie auch tatsächlich durchsetzen oder ob der Mieter einer Nachforderung oder Erhöhung der Vorauszahlungen eigene Ansprüche entgegenstellen kann. Zudem greift der Schutzzweck der Ausschlussfrist nicht, weil der Vermieter die Abrechnung nicht korrigieren kann/darf und Fragen der Beweismöglichkeiten sich angesichts der umfassenden Darlegungs- und Beweislast des Mieters nicht stellen. Schließlich ist der Zeitrahmen der Einwendungsfrist nicht auf das betriebskostenrechtliche Wirtschaftlichkeitsgebot zugeschnitten (vgl. NZM, Zehelein, 2014, 369, beck-online).

Der Klägerin ist zuzugeben, dass die Regelung des § 556 Abs. 3 Satz 5, 6 BGB bezweckt, dass in absehbarer Zeit nach einer Betriebskostenabrechnung Klarheit über die wechselseitig geltend gemachten Ansprüche besteht (vgl. BGH, Urteil vom 11. Mai 2016 – VIII ZR 209/15).

Gleichwohl ist es nach Auffassung des Gerichts dogmatisch unzutreffend, in Ansehung der Einordnung des Wirtschaftlichkeitsgebots als vertragliche Nebenpflicht, deren Verletzung einen Schadensersatzanspruch nach § 280Abs. 1 i.V.m. § 241 Abs. 2 BGB auslöst (vgl. BGH, Urteil vom 17. Dezember 2014 – XII ZR 170/13), diesen dem Einwendungsausschluss des § 556 Abs. 3 Satz 5 BGB unterfallen zu lassen. Dies hat der Bundesgerichtshof auch bisher nicht entschieden.

3. Dem Gericht steht ein Schätzungsermessen hinsichtlich der Höhe der Betriebskosten auf der Grundlage des örtlichen Betriebskostenspiegels zu (vgl. AG Naumburg, Urteil vom 25. Januar 2016 – 12 C 270/15).

a) Für die Leistungen des Hauswarts im Haus Emdener Straße 2 wird vorliegend ein Betriebskostenanteil des Beklagten bei einer Fläche von 127,32 qm, bei Annahme von Betriebskosten in Höhe von insgesamt 0,47 Euro pro qm/Monat, mithin insgesamt in Höhe von 718,08 Euro gemäß § 287 ZPO geschätzt.

b) Zwar hat die Klägerin insoweit Hauswartkosten in Höhe von 1022,80 Euro belegt, jedoch verstößt die Klägerin mit der Verursachung dieses Kostenumfangs gegen das unter Ziffer 1. dargestellte Wirtschaftlichkeitsgebot.

c) Der für eine entsprechende Pflichtverletzung darlegungspflichtige Beklagte hat unter Hinweis auf den örtlichen Betriebskostenspiegel von 2015, welcher die Betriebskostenabrechnungen des Jahres 2013 betrifft, dargelegt, das in der Region entsprechende Betriebskosten im Hinblick auf den Hauswart in Höhe von 0,18 Euro, im Hinblick auf die Gebäudereinigung in Höhe von 0,15 Euro, im Hinblick auf Schneebeseitigung in Höhe von 0,09 Euro und im Hinblick auf die Gartenpflege in Höhe von 0,09 Euro üblich sind. Das Gericht weist insoweit darauf hin, dass sich der von der Klägerin mit Schriftsatz vom 29.01.2018 benannte Betriebskostenspiegel von 2013 auf das Abrechnungsjahr 2011 bezog.

Nach der Berliner Betriebskostenübersicht 2015, welche sich auf das Abrechnungsjahr 2013 bezieht (vgl. Anlage B3, Bl. 86 d.A.), berechnen sich die streitigen Positionen, welche von der Firma ### Liegenschaften GmbH als Hauswart-Positionen abgerechnet werden, wie folgt:

Berliner Betriebskostenübersicht 2015 (Grundlage: Betriebskostenabrechnungen 2013)
Abrechnungsjahr 2013 Angaben in Euro/qm; monatlich
Betriebskostenart Unterer Spannenwert Mittelwert Oberer Spannenwert
________(4/5- Spanne) (4/5-Spanne)

Hauswart/Hausmeister _ 0,06 0,18 0,36
Gebäudereinigung und _ 0,06 0,15 0,26
Ungezieferbekämpfung ________ 
Schneebeseitigung __ 0,01 0,05 0,10
Gartenpflege ____ 0,01 0,09 0,19_

Der von der Klägerin berechnete Anteil in Höhe von 0,67 Euro/qm/Monat übersteigt demnach den mittleren Wert.

d) Bei einer entsprechenden Abweichung von einem regionalen Betriebskostenspiegel wie vorliegend dem Betriebskostenspiegel Berlin 2015 ist eine Beweislastumkehr anzunehmen bzw. widerlegbar zu vermuten, dass der Vermieter gegen die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit verstoßen hat (vgl. Blank in Blank/Börstinghaus Mietrecht 4. Auflage BGB § 556 Rz 155 a.E.).

e) Der Berliner Mietkostenspiegel 2015 stellt – auch im vorliegenden Fall – eine taugliche Schätzgrundlage dar.

Gern. § 287 Abs. 2 ZPO gilt § 287 Abs. 1 ZPO entsprechend für die Schätzung der Höhe vermögensrechtlicher Ansprüche, wenn wie vorliegend die vollständige Aufklärung aller hierfür maßgebenden Umstände mit Schwierigkeiten verbunden ist, die zu der Bedeutung des streitigen Teiles der Forderung in keinem Verhältnis stehen.

Demnach soll das Gericht die Höhe der Forderung frei schätzen, wobei in Kauf genommen wird, dass die richterliche Schätzung unter Umständen mit der Wirklichkeit nicht übereinstimmt (vgl. BGH NJW 2013, 525). Die Schätzung darf jedoch nicht völlig abstrakt erfolgen, sondern muss dem jeweiligen Einzelfall Rechnung tragen (vgl. Greger in: Zöller, Zivilprozessordnung, 32. Aufl. 2018, § 287 ZPO, Rn. 4).

Dies ist vorliegend der Fall, da der Betriebskostenspiegel 2015 des Landes Berlins eine repräsentative und taugliche Schätzgrundlage darstellt.

aa) Das Vorbringen der Klägerin, dass der von ihr in Rechnung gestellte Wert in Höhe von 0,67 Euro/qm/Monat zwischen dem mittleren Wert und dem oberen Wert liege, ist nicht entscheidungserheblich, da grundsätzlich von dem arithmetischen Mittel im Rahmen einer gerichtlichen Schätzung gem. § 287 ZPO auszugehen ist.

bb) Der unsubstantiierte Vortrag der Klägerin, dass es sich vorliegend um einem Altbau aus dem Jahre 1918 handele, indem naturgemäß höhere Hauswart- und Reinigungskosten anfielen, ist nicht hinreichend, um die umgelegten Hauswartkosten in Höhe von 0,67 Euro /qm/Monat zu rechtfertigen, bzw. die Verletzung des Wirtschaftlichkeitsgebot zu bestreiten. Ein substantiiertes Bestreiten ergibt sich insbesondere auch nicht aus der E-Mail der Senatsverwaltung vom 12.03.2018, Bl. 131 d.A., welches lediglich eine Datenauswertung der einzelnen Wirtschaftseinheiten darstellt, und keinerlei Aussage im Hinblick auf möglicherweise anfallende höhere Kosten im Hinblick auf kleinere Wirtschaftseinheiten trifft.

cc) Überdies belaufen sich die Hauswartkosten bei einem Gebäude bis 1918 nach der von der Klägerin vorgelegten Betriebskostenübersicht in Anlage K 8, Bl. 130 d.A., auf 0,15 Euro/qm/Monat, was einen Betrag darstellt, der noch unter dem Mittelwert des Betriebskostenspiegels von 2015 liegt.

Welche ihr günstige Schätzungsgrundlage die Klägerin aus dem Verweis auf diese Umfrage geltend machen will, erschließt sich dem Gericht nicht. Soweit auf die höheren Kosten der Altbauten von 1919 bis 19 49 abgestellt wird, kann dies ersichtlich im vorliegenden Fall nicht gelten, da das streitgegenständliche Haus in der Emdener Straße 2 einen Altbau aus dem Jahr 2018 darstellt.

f) Das Gericht schätzt vorliegend den Kostenanteil des Beklagten auf den mittleren Wert des üblichen Betriebskostenanteils in der Region laut des örtlichen Betriebskostenspiegels von 2015. Des Weiteren sind zu der Position der Hauswartkosten, die unstreitig erbrachten zusätzlichen Tätigkeiten in Form von Gebäudereinigung und Ungezieferbekämpfung, Schneebeseitigung und Gartenpflege hinzuzuaddieren.

Demnach ergibt sich ein Betrag in Höhe von insgesamt 0,47 Euro/qm/Monat. Bei einer anteiligen Fläche von 127,32 qm ergibt sich ein Betrag in Höhe von 59,84 Euro pro Monat, mithin 718,08 Euro pro Jahr.

Im Ergebnis sind demnach von dem in der Betriebskostenabrechnung geforderten Nachzahlungsbetrag in Höhe von 305,34 Euro ein wegen eines Verstoßes gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot nicht berechtigter Betriebskostenanteil für Hauswartkosten in Höhe von 304,72 Euro in Abzug zu bringen (Die belegten Hauswartkosten in Höhe von 1022,80 Euro erforderlichen Kosten in Höhe von 718,08 Euro). Abzüglich der geleisteten Vorauszahlungen in Höhe von insgesamt 2040,00 Euro verbleibt ein Nachforderungsbetrag in Höhe von 0,62 Euro. Im Übrigen ist der Nachzahlungsanspruch durch Erfüllung gem. § 362 Abs. 1 BGB erloschen.”