Aus der Rubrik “Wissenswertes”:

 

Ist eine Kündigung gerechtfertigt, wenn  der Mieter eine Einzugsermächtigung erteilt hat und er nicht überprüft, ob die Miete auch tatsächlich rechtzeitig eingezogen wird?

Die Antwort des Landgerichts Berlin (LG Berlin – 65 S 79/18, Beschluss vom 04.10.2018) lautet: Nein!

Zur Begründung führt das Landgericht Berlin in seiner vorgenannten Entscheidung unter I. wie folgt aus: „Das angefochtene Urteil des Amtsgerichts beruht weder auf einer Rechtsverletzung gemäß § 546ZPO, noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung, § 513 ZPO. Frei von Rechtsfehlern hat das Amtsgericht die Klage abgewiesen.

Ein Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten auf Räumung und Herausgabe der von ihm inne gehaltenen Räumlichkeiten aus § 546Abs. 1 BGB besteht nicht, denn das zwischen den Parteien bestehende Mietverhältnis ist durch die von der Klägerin ausgesprochenen Kündigungen (auch) fristgemäß nicht beendet worden.

1. Frei von Rechtsfehlern ist das Amtsgericht von der Unwirksamkeit der fristlos ausgesprochenen Kündigungen infolge der “Schonfristzahlung” des Beklagten nach § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB ausgegangen; die Entscheidung wird von der Klägerin insoweit auch nicht angegriffen.

2. Zu Recht wendet die Klägerin sich (zwar) gegen die Feststellungen des Amtsgerichts zur generellen Wirkungslosigkeit der (daneben) fristgemäß ausgesprochenen Kündigungen. Soweit das Amtsgericht einem Ansatz der Zivilkammer 66 folgt, der in der Rechtsprechung und Literatur nicht aufgegriffen wurde, wird ganz grundlegend (unter anderem) übersehen, dass die Schonfristzahlung bewirkt, dass die Kündigungswirkung ex tunc beseitigt wird, die Kündigung behandelt wird, als wäre sie nie ausgesprochen worden (vgl. BeckOK MietR/Siegmund, 12. Ed. 1.6.2018, BGB § 573 Rn. 21, mwN; Rspr. d. Kammer, vgl. zuletzt: LG Berlin [ZK 65], Urt. v. 27.06.2018 – 65 S 59/18, n. v.). Auf eine Auseinandersetzung mit der gesetzlichen Anordnung und seinen Wirkungen auf das Regelungsgefüge des Allgemeinen Teils des BGB wird von der ZK 66 und vom Amtsgericht verzichtet. Zu Recht hat der BGH den Ansatz daher inzwischen verworfen (vgl. BGH, Urt. v. 19.09.2018 – VIII ZR 231/17), wenngleich der – allerdings nur vom Gesetzgeber auflösbare – Wertungswiderspruch infolge der auf die fristlose Kündigung beschränkten Anordnung in § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB damit bestehen bleibt.

3. Das Amtsgericht hat seine Entscheidung darauf jedoch nicht allein gestützt; seine weiteren Feststellungen und Wertungen sind entgegen der Auffassung der Klägerin nicht zu beanstanden.

a) Die Kündigungen haben das Mietverhältnis nicht fristgemäß gemäß § 573 Abs. 1, 2 Nr. 1 BGB beendet, soweit die Klägerin diese auf den Kündigungsgrund des Zahlungsverzugs gestützt hat.

Nach § 573 Abs. 1, 2 Nr. 1 BGB kann der Vermieter das Mietverhältnis kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat; ein solches liegt insbesondere dann vor, wenn der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat. Eine solche Pflichtverletzung kann darin bestehen, dass der Mieter seiner Hauptleistungspflicht aus § 535 Abs. 2 BGB nicht nachkommt.

Unstreitig hat der Beklagte die Mieten für die Monate Oktober und November 2017 zunächst nicht an die Klägerin gezahlt, sondern ist – zumindest für die Miete Oktober 2017 – davon ausgegangen, dass sie aufgrund der der Vorvermieterin erteilten Einzugsermächtigung eingezogen wurde.

Er hat damit – was die Mietzahlung für den Monat November 2017 betrifft – seine Hauptpflicht aus § 535 Abs. 2 BGB gegenüber der Klägerin verletzt, die mit Eintragung in das Grundbuch am 16. Oktober 2017 gemäß § 566 BGB – nach Fälligkeit der Miete für den Monat Oktober – in das Mietverhältnis eingetreten ist. Die Miete für den Oktober 2017 sollte der Klägerin aufgrund der im Kaufvertrag mit der Vorvermieterin (in diesem Innenverhältnis) getroffenen Abtretungsvereinbarung zustehen, ohne dass sie zu diesem Zeitpunkt bereits Vermieterin war (vgl. zu den Wirkungen im Einzelnen: Streyl in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 13. Auflage 2017, § 566 Rn. 45 f.).

Dahinstehen kann, ob und unter welchen Voraussetzungen die Klägerin auf eine etwaige Vertragsverletzung – hier einen Zahlungsverzug – im Vormietverhältnis mit Erfolg eine Kündigung stützen kann (vgl. dazu: Streyl, aaO, Rn. 117ff.). Sie kann daraus in keinem Fall weitergehende Rechte ableiten als die Vorvermieterin. Dabei ist hier zu berücksichtigen, dass der Beklagte bis zum (unstreitigen) Zugang des Schreibens der Klägerin vom 20. Oktober 2017 davon ausgehen durfte, dass die Miete für den Monat Oktober aufgrund der der Vorvermieterin erteilten Ermächtigung eingezogen wird.

Soweit die Klägerin in der Berufungsbegründung unterstellt, dem Beklagten sei das Schreiben der Vorverwaltung vom 20. September 2017 mit der Mitteilung über den Eigentümerwechsel “unstreitig im September 2017 zugegangen”, entspricht dies weder dem erstinstanzlichen Tatsachenvortrag der Parteien noch den Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil. Den Zugang des Schreibens hat der Beklagte bestritten, die für den Zugang des Schreibens beweisbelastete Klägerin hat einen Beweis nicht angetreten.

Wird in Übereinstimmung mit §§ 529531 ZPO allein der vom Beklagten unbestrittene Zugang des Schreibens der von der Klägerin beauftragten Hausverwaltung vom 20. Oktober 2017 als Tatsache zugrunde gelegt, so beschränkt sich die Pflichtverletzung des Beklagten – wie das Amtsgericht knapp, aber zutreffend feststellt – darauf, dass er den Einzug der Miete durch die Vorvermieterin nicht (aus seiner Sicht anlasslos) überprüft hat. Die sich daraus im Verhältnis zur Vorvermieterin ergebende Pflichtverletzung stellt sich vor dem Hintergrund der Gesamtumstände – insbesondere der zu unterstellenden fehlenden Mitteilung der Vorvermieterin – in diesem, zum maßgeblichen Zeitpunkt noch bestehenden Vertragsverhältnis als nicht erheblich dar.

Dies ist im Rahmen der nach der gefestigten Rechtsprechung des BGH vorzunehmenden Gesamtbetrachtung der Umstände des Einzelfalls der auf § 573 Abs. 1, 2 Nr. 1 BGB gestützten Zahlungsverzugskündigung zu berücksichtigen.

Entgegen der Auffassung der Klägerin entspricht es der Rechtsprechung des BGH, dass das Amtsgericht in die Prüfung der Wirksamkeit der hier ausgesprochenen Kündigungen wegen Zahlungsverzugs eben diese Umstände einbezogen hat. Anders als §543 Abs. 2 Satz 1 BGB rechtfertigt selbst ein Zahlungsverzug in Höhe von mehr als einer Monatsmiete allein nicht die Kündigung des Mietverhältnisses nach § 573 Abs. 1, 2 Nr. 1 BGB (und im Übrigen auch nicht nach § 543 Abs. 1 BGB).

Zu beantworten ist vielmehr weitergehend die Frage, ob es sich um eine schuldhafte, nicht unerhebliche Pflichtverletzung handelt, die ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses zu begründen geeignet ist. Die Beantwortung der Frage ist – so der BGH – Ergebnis einer wertenden Betrachtung, die umfassend die Umstände des Einzelfalls berücksichtigt. Sie entzieht sich einer Verallgemeinerung, denn die Vielgestaltigkeit der Lebenswirklichkeiten und möglichen, im Rahmen der wertenden Betrachtung zu beachtenden Geschehensabläufe und Zustände schließen dies – bei lebensnaher Betrachtung nahe liegender Weise – aus (vgl. dazu BGH, Beschl. v. 20.07.2016 – VIII ZR 238/15, in: WuM 2016, 682; Urt. v. 04.02.2015 – VIII ZR 175/14, in: WuM 2015, 152).

Vor diesem Hintergrund stellt sich auch die Bewertung des Zahlungsrückstands unter weiterer Berücksichtigung der nicht fristgerechten Zahlung der Miete für den Monat November 2017 durch das Amtsgericht als rechtsfehlerfrei dar.

Der Beklagte hat zwar nicht unmittelbar nach Zugang des Schreibens der Klägerin vom 20. Oktober 2017 die Zahlungsumstellung entsprechend den – von denen der Vorvermieterin abweichenden – Vorstellungen der Klägerin veranlasst. Allerdings ist jedem Mieter – wie auch sonst in Vertragsverhältnissen üblich – in Abhängigkeit von den Umständen des Einzelfalls ein Zeitraum zuzubilligen, innerhalb dessen die erforderlichen Handlungen vorgenommen werden können. So wird etwa im Rahmen der Frage, ob die Einzahlung eines vom Gericht angeforderten Gerichtskostenvorschusses noch demnächst im Sinne des § 167 ZPO vorgenommen worden ist und die Wirkungen der Regelung herbeiführt, nach gefestigter Rechtsprechung des BGH ein Zeitraum von 14 Tagen als unschädlich angesehen, erst der weitere Zeitablauf danach kann der Annahme entgegen stehen.

Unter Einbeziehung dieser Wertungen durfte die Klägerin wohl nicht damit rechnen, dass es allen Mietern rechtzeitig zur Fälligkeit der auf den Zugang des Schreibens unmittelbar folgenden Miete für November gelingen wird, die erforderlichen Handlungen so vorzunehmen, dass sie bereits zum 3. Werktag des Monats zu einer Zahlungsumstellung führen. Soweit der Beklagte “erst” nach Zugang der Kündigung vom 15. November 2018 unstreitig überhaupt Veranlassungen getroffen hat, mag das auch im maßgeblichen Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung als pflichtwidrig verzögert anzusehen sein, allerdings stellt sich diese Pflichtverletzung im Verhältnis zur Klägerin schon deshalb als nicht hinreichend gewichtig dar, weil sie selbst den Mietern ein deren Interessen und Belange unzureichend berücksichtigendes äußerst kurzes Zeitfenster gesetzt hat. Eben dies ist ein Gesichtspunkt, der nach der Rechtsprechung des BGH in die Gesamtwürdigung einzubeziehen ist.

Vor diesem Hintergrund bedurfte es aus der Sicht des Amtsgerichts keiner Entscheidung mehr, ob der Klägerin ein Festhalten an der Kündigung nach § 242 BGB verwehrt ist.

Allerdings würde auch dies nach den vom BGH entwickelten Maßstäben dem Erfolg der Räumungsklage der Klägerin entgegenstehen.

Danach bedarf es auch insoweit einer Berücksichtigung der besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalls, wobei auch das Verhalten des Mieters nach Ausspruch der Kündigung Bedeutung gewinnen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 17.02.2015 – VIII ZR 236/14, in: NZM 2015, 487; Besch. v. 06.10.2015 – VIII ZR 321/14, WuM 2016, 225).

Dabei fällt hier zugunsten des Beklagten ins Gewicht, dass er nach Zugang der Kündigung vom 15. November 2017 vor Zugang der Räumungsklage am 1. Dezember 2017 nicht nur den Zahlungsrückstand ausgeglichen, sondern zudem bereits die noch nicht fällige Miete für Dezember 2017 an die Klägerin gezahlt hat. Für die Zeit ab Januar 2018 hat er einen Dauerauftrag eingerichtet. Der Beklagte hat damit zu erkennen gegeben, dass er seine Pflichten aus dem Mietverhältnis ernst nimmt, die Belange und Interessen der Klägerin respektiert. Auch angesichts des Umstandes, dass das Mietverhältnis vor dem Vermieterwechsel über ein Jahrzehnt beanstandungsfrei verlaufen ist, ergibt sich kein Anhaltspunkt, der darauf schließen ließe, dass – nach Einrichtung des Dauerauftrags – erneut Zahlungsrückstände auftreten. Die den Kündigungen zugrunde gelegten Rückstände sind ausschließlich auf die besondere Situation aufgrund des Vermieterwechsels zurückzuführen, der sich außerhalb des Kenntnis- und Einflussbereichs des Beklagten vollzogen hat.

b) Schließlich hat auch die Kündigung vom 5. Januar 2018 wegen – behauptet – vorsätzlich wahrheitswidrigen Vortrags das Mietverhältnis weder fristlos noch fristgemäß nach §§ 543 Abs. 1, 573 Abs. 1, 2 Nr. 1 BGB beendet.

Zuzugeben ist der Klägerin, dass unter Verstoß gegen § 138 Abs. 1 ZPO bewusst wahrheitswidriger Vortrag den gesonderten Ausspruch einer Kündigung rechtfertigen kann (vgl. auch LG Berlin, Urt. v. 09.10.2013 – 65 S 140/13, in: WuM 2014, 93). Maßstab sind allerdings auch insoweit die Voraussetzungen der §§ 543 Abs. 1, 573Abs. 1, 2 Nr. 1 BGB, in deren Prüfung – wie dargestellt und wie auch sonst – die Umstände des Einzelfalls einzubeziehen sind.

Soweit die Klägerin dem Beklagten wahrheitswidrigen Vortrag unterstellt, weil er den Zugang des Schreibens der Vorvermieterin vom 20. September 2017 bestreitet, lässt sie unberücksichtigt, dass die Wahrheitswidrigkeit des Vortrags schon nicht erwiesen ist, denn die beweisbelastete Klägerin hat keinen Beweis für den Zugang des Schreibens angetreten.

Bezüglich der Behauptung des Beklagten, er habe in dem seit 14 Jahren andauernden Mietverhältnis stets pünktlich die Miete gezahlt, die sich als nicht ganz richtig erweist, da die Vorvermieterin von 10 Jahren eine – singulär gebliebene – Kündigung wegen Zahlungsverzugs ausgesprochen hat, lässt sich angesichts des Zeitablaufs schon eine bewusste Wahrheitswidrigkeit des Vortrags nicht unterstellen. Unabhängig davon lässt die Klägerin im Rahmen ihrer Bezugnahme auf die Entscheidung des Landgerichts Berlin vom 15.04.2014 (Beschl., 67 S 81/14) unberücksichtigt, dass dieser ein völlig anderer Sachverhalt zugrunde lag, vor allem aber die – maßgeblichen – Grundsätze, die das Bundesverfassungsgericht insoweit entwickelt hat (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25.09.2006 – 1 BvR 1898/03NJW-RR 2007, 840; Bezugnahme in: LG Berlin, Urt. v. 09.10.2013 – 65 S 140/13, a.a.O.). Danach muss der Rechtsschutzsuchende die Möglichkeit haben, gegenüber den Organen der Rechtspflege, ohne Rechtsnachteile befürchten zu müssen, jene Handlungen vornehmen können, die nach seiner von gutem Glauben bestimmten Sicht geeignet sind, sich im Prozess zu behaupten. Dies trägt dem Grundrecht auf Meinungsfreiheit, effektiven Rechtsschutz und dem Recht auf rechtliches Gehör Rechnung. Die Grenze dessen, was in laufenden Gerichtsverfahren im Rahmen der Rechtsverfolgung und -verteidigung zulässig ist, ist allenfalls unter anderem dann überschritten, wenn es sich um bewusst oder erwiesen unwahre Tatsachenbehauptungen handelt (vgl. auch LG Berlin, Urt. v. 08.06.2017 – 65 S 112/17, WuM 2017, 534). Diese Voraussetzungen liegen hier ersichtlich nicht vor.”