Aus der Rubrik “Wissenswertes”: 

 

Begründet allein die Existenz von Schimmel einen Mangel i.S.d. § 536 Abs. 1 BGB?

Die Antwort des Landgerichts Lübeck (LG Lübeck – 14 S 17/18, Beschluss vom 20.06.2019) lautet: Nein!

Zur Begründung führt das Landgericht Lübeck in seiner vorgenannten Entscheidung unter I. wie folgt aus: „Die Kammer weist zunächst darauf hin, dass sich die Frage nach dem Bestehen der streitgegenständlichen Ansprüche letztlich unverändert aus §536 Abs. 1 BGB heraus und dem dort verankerten gesetzlichen Mangelbegriff, sowie aus den damit korrespondieren Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast beantwortet. Ein Mangel im Sinne des § 536 Abs. 1 BGB definiert sich dabei grundsätzlich als eine nachteilige Abweichung des tatsächlichen Zustandes der Mietsache von dem vereinbarten Zustand (vgl. hierzu sogleich 1.), der die Tauglichkeit für den vertraglich vorausgesetzten Gebrauch herabsetzt (vgl. hierzu sogleich 2.) (vgl. MüKo/Häublein, BGB, 7. Aufl., 2016, § 536 Rn. 3), Bezogen auf die vorliegend streitentscheidende Schimmelproblematik dürfte hierzu folgendes gelten:

1. Die danach im ersten Schritt erforderliche Abweichung des tatsächlichen Zustandes der Mietsache von dem vereinbarten Zustand bezieht sich dabei nach vorläufiger Einschätzung der Kammer strikt auf den baulich-technischen Zustand des Mietobjekts. Erforderlich ist mithin ein Baufehler. Die Existenz von Schimmel allein (“für sich betrachtet”) dürfte hingegen keinen Mangel i.S.d. § 536 Abs. 1 BGB begründen (zu den Auswirkungen auf Anforderungen an den Vortrag vgl. allerdings sogleich, Nr. 3). Dies dürfte jedenfalls aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 5. Dezember 2018 zum Az. VIII ZR 67/18 folgen: “[…] Sie [Die Frage] würde sich hier nur stellen, wenn ein Sachmangel der Wohnung einen Schimmelpilzbefall verursacht hätte. […]”. Die Kammer weist darauf hin, dass sie sich vorbehält, insoweit erneut die Revision zuzulassen.

Im Hinblick auf den für die Festlegung einer negativen Beschaffenheitsabweichung relevanten Zeitpunkt folgt die Kammer sodann der vorgenannten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes und legt damit grundsätzlich zugrunde, dass – vorbehaltlich des Bestehens konkreter vertraglicher Abreden – der Vermieter einen Zustand der Mietsache schuldet, der dem technischen Standard bei Errichtung des Gebäudes entspricht (BGH, Urteil vom 5. Dezember 2018, Az. VIII ZR 271/17). Etwas anderes dürfte zur vorläufigen Überzeugung der Kammer allerdings gelten, wenn das Haus vor oder während der Anmietung grundlegend saniert oder Bestandteile erneuert wurden, die maßgeblichen Einfluss auf das Raumklima und die Feuchtigkeit in den angemieteten Räumlichkeiten haben (z.B. neu eingebaute Fenster mit Dreifachverglasung). In diesem Fall dürfte es auch bezüglich ggf. nicht mitsanierter Bauteile (z.B. einer von Schimmel betroffenen Fensterlaibung) auf den technischen Stand zum Sanierungszeitpunkt ankommen, weil nach der Verkehrsanschauung erwartet werden darf, dass das Gesamtgefüge (etwa Fensterlaibung mit “alter” Dämmung und “neuen” Fenstern) funktionsfähig bleibt (vgl. dazu “Trittschallentscheidung” des BGH, Urteil vom 6. Oktober 2004, Az.VIII ZR 355/03 ). Die Kammer sieht sich insoweit auch nicht im Widerspruch zur vorgenannten Rechtsprechung des BGH vom 5. Dezember 2018, da diese Konstellation dort nicht behandelt wurde. Auch insoweit dürfte es jedoch naheliegen, erneut die Revision zuzulassen, da auch diese Frage ungeklärt erscheint.

2. Liegt nach allem ein Sachmangel im obigen Sinne vor, dürfte im zweiten Schritt nach den obigen Grundsätzen erforderlich sein, dass die negative Beschaffenheitsabweichung zu einer konkreten Herabsetzung der Gebrauchstauglichkeit führt. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn in einer Wohnung tatsächlich Schimmel vorhanden ist (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 3. November 2019, Az. VIII ZR 330/09). Ist hingegen Schimmel tatsächlich nicht vorhanden, dürfte allenfalls im Ausnahmefall dennoch von einem Mangel ausgegangen werden können. In diesen Fällen bedarf es konkreten Vortrags, inwieweit die tatsächliche Gebrauchstauglichkeit durch die etwaigen Baumängel nicht nur unwesentlich herabgesetzt ist. Jedenfalls nicht gänzlich ausgeschlossen erscheint dies bei vorläufiger Einschätzung etwa in Konstellationen, in denen z.B. wegen ganz konkreter Schimmelgefahr bestimmte Möbelstücke tatsächlich vor bestimmten Wänden nicht aufgestellt werden können, obwohl hierfür nachvollziehbarer Bedarf besteht. Eine lediglich abstrakt benannte aber tatsächlich folgenlose “Gefahr von Schimmel” ist in Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung der Kammer für sich betrachtet nicht ausreichend.

3. Zu den unter 1. und 2. dargestellten Voraussetzungen muss grundsätzlich der Mieter – nach den allgemeinen Regeln – vortragen. In entsprechender Anwendung der “Symptomrechtsprechung” des Bundesgerichtshofs, genügt es nach vorläufiger Auffassung der Kammer aber, wenn der Mieter eine Mangelerscheinung vorträgt, z.B. Schimmelbefall oder Feuchtigkeit (vgl. BGH, Urteil vom 6. Dezember 2001, Az. VII ZR 241/00NJW-RR 2002, 661 [663 f.]; ebenso wohl auch BGH, Beschluss vom 10. April 2018, Az. VIII ZR 223/17NJW-RR 2018, 647 [649]). In jenen Konstellationen, in denen eine Mangelerscheinung fehlt, ist jedoch stets vereinzelter vorzutragen, mithin konkret eine negative bauliche Beschaffenheit (z.B. eine Wärmebrücke) zu benennen und eine hieraus resultierende, konkrete Herabsetzung der Gebrauchstauglichkeit.

Trägt der Mieter entsprechend vor, hat sodann der Vermieter substantiiert und vereinzelt, unter Nennung der zur Zeit der Errichtung des Gebäudes geltenden Bauvorschriften und technischen Normen, darzulegen, dass kein Baumangel vorliegt. Wurde das Gebäude zwischenzeitlich entsprechend der obigen Ausführungen saniert, hat die Vermieterseite hierzu im Einzelnen vorzutragen und die Einhaltung der zum Sanierungszeitpunkt geltenden Bauvorschriften und technischen Normen darzulegen.

Liegt auch insoweit entsprechender Vortrag vor, obliegt sodann dem Mieter nach den allgemeinen Regeln die Beweislast für den behaupteten (Bau-)Mangel und die damit einhergehende Gebrauchsbeeinträchtigung. Dies ist nicht unbillig, da der Mieter aufgrund der substantiierten Darlegungslast des Vermieters zu den technischen Standards des Miethauses, sämtliche Informationen erhält, die es ihm ermöglichen, seinen Vortrag hinreichend konkret unter Beweis zu stellen.

4. Sofern es dem Mieter nach dem Vorgenannten gelingen sollte, einen Mangel zu beweisen, kann sich der Vermieter sodann in der letzten Stufe ggf. mit dem Argument, der Mieter hätte die Schimmelbildung durch zumutbares Verhalten verhindern können, auf einen Ausschluss der Minderung nach § 242 BGB berufen. Im Rahmen dieser Prüfung hat der Vermieter – erneut nach allgemeinen Regeln – darzulegen und zu beweisen, dass (und wie) Schimmelbildung durch ein bestimmtes Wohn- und Lüftungsverhalten vermieden werden kann; der Mieter kann ggf. darlegen, dass ihm (im konkreten Einzelfall) ein solches Verhalten unzumutbar ist. Zu betonen ist dabei, dass es dem Vermieter obliegt, vereinzelt darzulegen, welches konkrete, an den individuellen Verhältnissen der Mieterseite ausgerichtete Wohnverhalten die Mieterseite an den Tag hätte legen müssen, um die Schimmelbildung zu vermeiden.