Aus der Rubrik “Wissenswertes”:

 

Bleibt die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung wirksam, wenn der ausstehende Betrag vollständig in der Schonfrist beglichen wurde und die Wirkung der fristlosen Kündigung damit rückwirkend entfällt?

Die Antwort des Landgerichts Berlin (LG Berlin – 65 S 27/19, Urteil vom 12.04.2019) lautet: Ja!

Zur Begründung führt das Landgericht Berlin in seiner vorgenannten Entscheidung unter II. wie folgt aus: „Die Klägerin hat Anspruch auf Rückgabe der Mietsache gemäß § 546 Abs. 1 BGB.

Gemäß § 546 Abs. 1 BGB ist der Mieter nach Beendigung des Mietverhältnisses zur Rückgabe der Mietsache verpflichtet. Diese Voraussetzungen liegen hier vor, weil die mit Schreiben der Klägerin vom 20.04.2018 erklärte fristlose Kündigung das Mietverhältnis der Parteien beendet hat.

Gemäß § 543 Abs. 1 S. 1 BGB kann jede Vertragspartei das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn der Mieter für zwei aufeinander folgende Termine mit der Entrichtung der Miete oder eines nicht unerheblichen Teils der Miete in Verzug ist, § 543 Abs. 2 Nr. 3a BGB. So liegt es hier.

Der Beklagte hat unstreitig im Zeitraum von Januar bis März 2018 die geschuldete Gesamtmiete in Höhe von 509,94 Euro nicht entrichtet, sondern lediglich Teilzahlungen geleistet (am 09.01.2018: 60,- Euro; am 22.02.2018: 280,- Euro und am 26.03.2018: 100,- Euro). Damit war von dem für diesen Zeitraum geschuldeten Mietbetrag in Höhe von 1.529,82 Euro lediglich ein Teilbetrag von 440,- Euro entrichtet worden, so dass ein offener Restbetrag in Höhe von 1089,82 Euro verblieb. Damit ist zugleich ein nicht unerheblicher Teil der Miete im Sinne von § 543 Abs. 3a BGB rückständig, weil der Rückstand die Miete für einen Monat übersteigt, § 569 Abs. 3 Nr. 1 BGB.

Die Abweisung der Klage durch das Amtsgericht widerspricht der höchstrichterlichen Rechtsprechung.

Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 19.09.2018 (zu der vom Beklagten in 3 der Berufungserwiderung zitierten Entscheidung der Zivilkammer 66 vom 16.10.2017 – 66 S 90/17– ) entschieden (BGH, Urteil vom 19. September 2018 – VIII ZR 231/17):

“…Ein Vermieter, der von der Kündigungsmöglichkeit des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB Gebrauch macht und diese mit einer hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündigung nach § 573 Abs. 1, 2 Nr. 1 BGB verbindet, macht damit nicht nur deutlich, dass die fristlose Kündigung Vorrang haben soll (so aber das Berufungsgericht), sondern erklärt zugleich, dass die ordentliche Kündigung in allen Fällen Wirkung entfalten soll, in denen die zunächst angestrebte sofortige Beendigung des Mietverhältnisses aufgrund einer – entweder bei Zugang des Kündigungsschreibens schon gegebenen oder einer nachträglich gemäß § 543 Abs. 2 Satz 3 BGB (unverzügliche Aufrechnung durch Mieter) oder § 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 BGB (Schonfristzahlung oder behördliche Verpflichtungserklärung) rückwirkend eingetretenen – Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung fehlgeschlagen ist. Dies ergibt sich aus einer sachgerechten Auslegung (§§ 133157 BGB) der Kündigungserklärung….”

Dabei ist nach der Rechtsprechung des BGH die Erklärung des Vermieters so auszulegen, dass dieser – falls die vorrangig gewollte sofortige Beendigung des Mietverhältnisses nicht eintritt – das Mietverhältnis jedenfalls mit Ablauf der gesetzlichen Kündigungsfrist sein Ende finden soll.

Aufgrund verschiedener rechtlicher Möglichkeiten, aufgrund derer eine wirksame fristlose Kündigung nachträglich unwirksam wird (Tilgung der Rückstände durch unverzügliche Auf-rechnung, Schonfristzahlung oder Verpflichtung einer öffentlichen Stelle zur Befriedigung des Vermieters) kann es dazu kommen, dass trotz der wirksamen fristlosen Kündigung das Mietverhältnis rückwirkend betrachtet als ununterbrochen fortgeführt gilt (BGH, aaO; dort Rn19).

Maßgeblich hat der Bundesgerichtshof insbesondere darauf abgestellt, dass es dem Gesetzgeber im Rahmen seines Gestaltungsspielraumes unbenommen bleibe, diese Gestaltungswirkung, welche die Kündigung mit ihrem Zugang erfährt, rückwirkend entfallen zu lassen. Der Gesetzgeber hat von diesem Gestaltungsrecht bei der Schaffung der Regelung des § 569Abs. 3 Nr. 2 BGB Gebrauch gemacht, in dem er durch eine gesetzliche Fiktion die durch die Kündigung ausgelöste Rechtswirkung der Beendigung des Mietverhältnisses rückwirkend als nicht eingetreten behandelt (BGH aaO; dort Rn. 23 und Rn. 24 mwN).

Wenn sich diese gesetzliche Fiktion einer rückwirkenden Unwirksamkeit nicht unmittelbar aus dem Wortlaut der Norm des §569 Abs. 3 BGB ergibt, folgt dies nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung aus dem Regelungszweck und der Entstehungsgeschichte dieser Regelung und hat schließlich im systematischen Zusammenhang mit § 543 Abs. 2, S. 3 BGB seine Stütze (BGH, aaO; dort Rn.26).

Der Bundesgerichtshof weist in der zitierten Entscheidung zudem darauf hin, dass die Schonfristzahlung nur dann gemäß § 569 Abs.3 Nr. 2, S. 2 BGB nicht zur nachträglichen Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung führt, wenn dieser Kündigung bereits vor nicht länger als zwei Jahren eine nach Satz 1 unwirksam gewordene Kündigung vorausgegangen ist.

So liegt es hier.

Nachdem vorliegend seitens des Jobcenters Berlin die Rückstände des Beklagten im Mai 2018 ausgeglichen wurden, hat die Klägerin darauf hingewiesen, dass gegenüber dem Beklagten bereits unter dem 22.2.2017 eine fristlose Kündigung wegen Verzuges mit den Mietzahlungen für die Monate Januar und Februar 2017 ausgesprochen worden war, was unstreitig ist.”