Aus der Rubrik “Gesetzesvorhaben”:

Berliner Zeitung am 22.01.2020 – Wohnen in Berlin Klappt der Mietendeckel jetzt?

Das umstrittenes Gesetzesvorhaben der rot-rot-grünen Koalition soll am Mittwoch die vorletzte parlamentarische Hürde nehmen. Eine der zentralen Fragen betrifft die Verlässlichkeit von Politik.

Der Mietendeckel, eines der wichtigsten und umstrittensten Gesetzesvorhaben der rot-rot-grünen Koalition, steht nach fast anderthalb Jahren heftiger Diskussionen und Kontroversen kurz vor dem Abschluss. Gleichzeitig stellt sich die Frage, was die Arbeit der vielen politisch Beteiligten in Berlin eigentlich Wert ist. Am Ende werden wohl Gerichte entscheiden müssen.

Am Mittwoch befasst sich der Ausschuss für Stadtentwicklung mit den Änderungsanträgen der Fraktionen. Am Ende soll eine „Empfehlung zur Beschlussfassung“ stehen. Diese soll bei der nächsten Plenarsitzung des Parlaments am 30. Januar beschlossen und damit Gesetz werden – rückwirkend zum 18. Juni vorigen Jahres, als sich der Senat auf die Eckpunkte einigte.

Wie schwer sich die Koalitionäre bis zum allerletzten Tag mit dem Formulieren von Kompromissen taten, zeigte sich bei der SPD. Bis zum Dienstagabend brüteten die Sozialdemokraten über dem Papier. Zu kompliziert war die Konsensfindung vorigen Herbst, als sich Teile der SPD und der Grünen damit zufrieden geben wollten, die Mieten für Wohnungen, die vor 2014 errichtet wurden, für fünf Jahre einzufrieren. Am Ende setzten sich doch die radikaleren Vorstellungen der Linken und Teile der anderen beiden Koalitionspartner durch, die besonders hohe Mieten sogar reduzieren wollen.

Tatsächlich stehen in der Debatte ganz grundsätzliche Themen auf dem Spiel. Eine der zentralen Fragen betrifft die Verlässlichkeit von Politik. Ist es richtig, dass der Gesetzgeber Regeln beschließt, die Gefahr laufen, von Gerichten zerpflückt zu werden?

Nun gehört es zum Wesen der Demokratie, dass staatliches Handeln vor unabhängigen Gerichten überprüft werden kann. Aber Verfassungsrechtler erkennen einen unguten Trend. Sie kritisieren, dass das Bundesverfassungsgericht zuletzt fast schon zu einer gesetzgebenden Institution geworden ist, einer Art Nebenparlament. Immer wieder gibt es deswegen Appelle an Abgeordnete im Bund und in den Länden sorgfältiger und konsensorientierter zu arbeiten und möglichst rechtssichere Gesetze zu beschließen.

Dabei geht es jedoch nicht immer um Schlampigkeit. Viel öfter mangelt es am Willen zum Kompromiss. Beim Mietendeckel zum Beispiel sieht Rot-Rot-Grün einen Mieten-Notstand. Dieser müsse behoben werden, gegen alle Widerstände.

So könnte auch der Mietendeckel am Ende in Karlsruhe landen – und jeder in der Berliner Politik weiß das. Nicht umsonst wiederholen Vertreter der Koalition immer und überall, dass man „Neuland“ betrete. Soll heißen: Der Deckel wackelt.