Aus der Rubrik “Wissenswertes”:

 

 
Ist ein Mieter verpflichtet, die Wohnung zu nutzen, d.h. besteht eine Gebrauchspflicht?

 
Die Antwort des Amtsgerichts Schöneberg (AG Schöneberg – 107 C 224/19, Urteil vom 05.12.2019) lautet: Nein!
 

Zur Begründung führt das Amtsgericht Schöneberg in seiner vorgenannten Entscheidung wie folgt aus: „Der Klägerin steht aus § 546 Abs. 1 BGB gegenüber der Beklagten kein Anspruch auf Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung zu. Unstreitig verbindet die Parteien der unter dem 30. November 1993 geschlossene Mietvertrag.

Das Mietverhältnis ist nicht beendet. Denn nach § 573 Abs. 1 BGB darf ein Vermieter von Wohnraum nur kündigen, wenn er hieran ein berechtigtes Interesse hat. Bei den gemieteten Räumlichkeiten handelt es sich um eine Wohnung. Die Vorschrift des § 573 BGB ist anwendbar, denn die Anwendbarkeit ist nicht durch § 549 Abs. 2 Nr. 1 BGB ausgeschlossen. Dies wäre der Fall, wenn der Wohnraum nur zum vorübergehenden Gebrauch vermietet worden ist. Dies ergibt sich indes aus dem Mietvertrag nicht, denn nach dessen Inhalt wurden die Räume als Wohnung und auf unbestimmte Zeit vermietet. Zudem belegt auch das Schreiben vom 28. November 2010 BI. 42 f d.A., dass die Parteien von einem Wohnmietverhältnis ausgegangen sind, denn die Klägerin verlangte hiermit die Zustimmung zu einer Mieterhöhung nach § 558 BGB und richtete dies an eine H. Anschrift. Es kann dahin stehen, ob die Beklagte noch oder jemals in der Wohnung wohnt oder nicht. Denn einseitiges Handeln ändert nichts an dem beiderseits vereinbarten Mietvertrag. Auf die klägerseits in der Verhandlung vom 21. November 2019 zitierten Ansichten (Aufsatz von Bernd-Gunnar Haake und Urteil des Amtsgericht Viechtach vom 28.10.1986) kommt es nicht an. Der Klägerin war hierzu auch nicht der beantragte Schriftsatznachlass nach § 139 ZPO zu gewähren, denn diese Rechtsfrage war nicht überraschend, zumal die Klägerin diese auch bereits erkannt hat, wie sich aus dem Umstand ergibt, dass sie hierzu Zitate mitteilte.

Kündigungsgründe liegen nicht vor. Nach § 573 Abs. 3 BGB sind die Kündigungsgründe anzugeben und andere Gründe nur zu berücksichtigen, soweit sie nachträglich entstanden sind. Gründe, die nach dem 26. Juli 2018 entstanden sind, liegen nicht vor. Soweit die Klägerin den Vortrag der Gegenseite als widerliche Polemik bewertet, finden sich in den eingereichten Schriftsätzen der Beklagten-keine Beleidigungen. Das Bestreiten der vorgetragenen Absicht der Klägerin, die Wohnung wieder dem Wohnungsmarkt zuführen zu wollen, stellt keine Beleidigung dar, sondern ist prozessual nach § 138 ZPO erlaubt, denn die Beklagte kann nicht wissen, ob die angegebenen Intentionen der Klägerin zutreffen oder nicht. Es sind mithin nur die im Schreiben vom 26. Juli 2018 angegebenen Gründe zu berücksichtigen.

Die unter 1) bis 3) dieses Schreibens angegebenen Gründe berechtigen die Klägerin nicht zur Vertragsbeendigung. Denn die Beklagte ist nach dem Inhalt des Mietvertrags berechtigt, indes nicht gegenüber der Klägerin verpflichtet, die Wohnung zu nutzen. Eine Gebrauchspflicht besteht nicht (vgl. Schmidt-Futterer, Mietrecht, 13. Auflage, § 535 Rz. 253). Hinzu kommt, dass der Klägerin die Nichtnutzung der Wohnung offenbar bereits seit Jahren bekannt war.”