Aus der Rubrik “Wissenswertes”:

Kann ein Vermieter aus einer 16 Monate vor Beginn der am Mietobjekt beabsichtigten Maßnahmen ausgesprochenen Modernisierungsankündigung Duldungsansprüche gegenüber dem Mieter herleiten?
Die Antwort des Landgerichts Berlin (LG Berlin – 67 S 108/20, Beschluss vom 01.09.2020) lautet: Nein!
Zur Begründung führt das Landgericht Berlin in seiner vorgenannten Entscheidung wie folgt aus: „Die Berufung war gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen, da sie aus den Gründen des Hinweisbeschlusses der Kammer offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat und auch die sonstigen Voraussetzungen für eine Beschlusszurückweisung erfüllt sind. Die Stellungnahme der Klägerin vom 6. August 2020 rechtfertigt keine ihr günstigere Beurteilung. Sie kann aus der streitgegenständlichen Modernisierungsankündigung keine Duldungsansprüche herleiten:

Insoweit bedarf es keiner abschließenden Entscheidung der Kammer, ob der Zeitraum zwischen dem Zugang der Modernisierungsankündigung und dem beabsichtigten Beginn der angekündigten Modernisierungsmaßnahmen eine – gesetzlich allerdings nicht geregelte – Höchstfrist nicht überschreiten darf, ohne dass der Vermieter seine Ansprüche aus der Modernisierungsankündigung verliert (vgl. dazu OLG München, Urt. v. 15. Oktober 2019 – MK 1/19, ZMR 2020, 30, beckonline Tz. 52 ff.; Eisenschmid, in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 14. Aufl. 2019, § 555c Rz. 37). Denn jedenfalls ein auf eine weit vor dem beabsichtigten Beginn der Modernisierungsmaßnahmen ausgesprochene Modernisierungsankündigung gestützter Duldungsanspruch ist wegen Verstoßes gegen die Grundsätze von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB nicht durchsetzbar.

Es entspricht der – von der Kammer insoweit geteilten – ständigen Rechtsprechung des BGH, dass eine Rechtsausübung missbräuchlich ist, wenn ihr kein schutzwürdiges Interesse zukommt, sondern sie erfolgt, um sich unter Ausnutzung lediglich formal bestehender Rechte eine Position zu verschaffen, an der kein schutzwürdiges Eigeninteresse besteht (vgl. Sutschet, in: BeckOK BGB, 55. Ed., Stand: 1. August 2020, § 242 Rz. 83 ff. m.w.N). So liegt der Fall hier:

Die Klägerin begehrt mit ihrer Modernisierungsankündigung vom 25. September 2018 die Duldung von Maßnahmen, die erst ab dem Februar 2020 in dem von dem Beklagten bewohnten Gebäude durchgeführt werden sollten. Damit hat sie die von ihr beabsichtigte Modernisierung weit über ein Jahr vor deren beabsichtigtem Beginn angekündigt. Durch eine weit verfrühte Ankündigung untergräbt der Vermieter jedoch nicht nur das an den Zugang der Duldungsankündigung geknüpfte und zeitlich befristete Sonderkündigungsrecht des Mieters aus § 555e Abs. 1 BGB, sondern beschränkt gleichzeitig zu dessen Nachteil die Möglichkeiten zur erfolgreichen Geltendmachung von Härtegründen nach § 555d Abs. 2 BGB. Anders als bei einer in einem hinreichend engen zeitlichen Zusammenhang mit dem Beginn der Maßnahmen stehenden Modernisierungsankündigung, bei der die vom Mieter geltend zu machenden Härtegründe regelmäßig bereits zum Zeitpunkt des Zugangs der Ankündigung bestehen oder jedenfalls bis zum Ablauf der Monatsfrist des § 555d Abs. 3 Satz 1 BGB auftreten werden, steigt bei einer weit verfrühten Ankündigung die Wahrscheinlichkeit des erstmaligen Auftritts oder Hinzutritts eines Härtegrundes erst nach Ablauf der Monatsfrist mit zunehmender Dauer des zwischen dem Zugang der Ankündigung und dem Beginn der Modernisierung liegenden Zeitraums. Damit geht eine auf dem gesteigerten Präklusionsrisiko des Mieters beruhende Verschlechterung seiner Rechtsposition einher. Denn einen erstmals nach Ablauf der Einwendungsfrist des § 555d Abs. 3 Satz 1 BGB auftretenden Härtegrund muss der Mieter zur Meidung eines Rechtsverlustes nicht ebenfalls innerhalb eines Monats, sondern gemäß § 555d Abs. 4 Satz 1 BGB “unverzüglich” geltend machen. Zur ihm nachteiligen Verkürzung der Einwendungsfrist tritt eine Verschlechterung seiner Beweislage, da der Mieter neben dem Vorliegen des Härtegrundes auch darzutun und im Bestreitensfalle zu beweisen hat, dass der Härtegrund erstmals nach Ablauf der Einwendungsfrist des § 555dAbs. 3 Satz 1 BGB entstanden ist und nicht bereits zuvor bestand (vgl. OLG München, a.a.O., juris Tz. 84).

Eine weit verfrühte Ankündigung läuft auch dem Gesetzeszweck des § 555c Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 BGB zuwider, dem Mieter durch die Angabe des voraussichtlichen Beginns und der Dauer der Maßnahmen (§ 555c Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB) sowie der zu erwartenden Mieterhöhung (§ 555c Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 BGB) eine hinreichend verlässliche Planungs- und Entscheidungsgrundlage für den weiteren Verlauf des Mietverhältnisses zu verschaffen. Es liegt auf der Hand, dass eine weit vor Durchführung der Modernisierungsmaßnahmen ausgesprochene Ankündigung diesem Gesetzeszweck nicht zur Geltung verhelfen kann, da die tatsächliche Umsetzung des angekündigten Vorhabens und die Einhaltung des mitgeteilten Kostenrahmens wegen des langen zeitlichen Vorlaufes nicht hinreichend gewiss sind.

Schutzwürdige Eigeninteressen des Vermieters, die geeignet wären, die mit einer weit verfrühten Modernisierungsankündigung verbundenen erheblichen Rechtsnachteile des Mieters zu rechtfertigen, sind weder im Allgemeinen noch hier gegeben:

Der Vermieter erlangt mit dem Ausspruch einer weit verfrühten Modernisierungsankündigung keine schutzwürdigen Rechtsvorteile. Diese würden nur begründet, wenn er im Falle einer weit verfrühten Ankündigung bereits mit oder jedenfalls zeitnah nach Ablauf der Ankündigungsfrist des § 555c Abs. 1 Satz 1 BGB im Klagewege die Duldung der Maßnahmen vom Mieter beanspruchen könnte. Eine entsprechende Klage wäre aber als derzeit unbegründet abzuweisen, da die Duldungspflicht des Mieters nur die passive Hinnahme der erst in ferner Zukunft durchzuführenden Arbeiten und nicht – wie etwa bei der Vergleichsmietenerhöhung gemäß §§ 558 ff. BGB – die Abgabe einer auf die Zustimmung zur Durchführung der Maßnahmen gerichteten Willenserklärung umfasst (vgl. KG, Beschluss vom 1. September 1988 – 8 RE-Miet 4048/88NJW-RR 1988, 1420, juris Tz. 44; Schlosser, in: BeckOK BGB, 55. Ed., Stand: 1. August 2020, § 555d Rz. 8). Eine erfolgreiche Inanspruchnahme des Mieters weit vor dem angekündigten Beginn der Maßnahmen wäre allenfalls dann möglich, wenn er durch Geltendmachung von Härtegründen oder anderer Einwendungen die Besorgnis der nicht rechtzeitigen Leistung begründen würde und deshalb gemäß § 259 ZPO seine Verurteilung zur zukünftigen Duldung gerechtfertigt wäre. Die mit einer weit verfrühten Modernisierungsankündigung verbundene Hoffnung des Vermieters auf ein die Anwendung des § 259 ZPO rechtfertigendes Verhalten des Mieters ist jedoch nicht schutzwürdig, da sie von der ebenfalls rechtsmissbräuchlichen Absicht getragen wäre, sich eine zu erheblichen Rechtsnachteilen des Vertragspartners führende Rechtsposition zu verschaffen, die nicht in den Schutzbereich des ausgeübten Rechts fiele (vgl. BGH, Urt. v. 22. Mai 1989 – II ZR 206/88NJW 1989, 2689, beckonline Tz. 30; Sutschet, a.a.O., Rz. 85 m.w.N.). Denn die in § 555 c Abs. 1 BGB statuierten Ankündigungs- und Informationspflichten dienen vornehmlich dem Mieterschutz (vgl. Emmerich, in: Staudinger, BGB, Stand: 18. Dezember 2018, § 555c Rz. 1 m.w.N.), nicht hingegen dem Interesse des Vermieters an der Titulierung seines Duldungsanspruchs weit vor beabsichtigter Durchführung der angekündigten Modernisierungsmaßnahmen.

Bereits deshalb kann sich die Klägerin nicht mit Erfolg darauf berufen, nur eine zeitlich weit vorgelagerte Ankündigung der beabsichtigten Maßnahmen gewährleiste bei einem Großvorhaben wie dem streitgegenständlichen einen sozialverträglichen Ablauf der Modernisierung mit hinreichender Planungssicherheit für den Vermieter und umfassender Information und Beratung für den Mieter. Ihr Einwand geht aber auch in der Sache grundsätzlich fehl, erst recht angesichts ihres eigenen vorgerichtlichen Verhaltens. Denn sie hat die Mieter der “gesamten Siedlung” bereits nach Abschluss der Vereinbarung zum sozialverträglichen Ablauf der Modernisierung und Sanierung mit dem Bezirksamt Pankow vom 7. August 2017 umgehend über das Vorhaben informiert, eine Mieterversammlung abgehalten, Mietersprechstunden durchgeführt und im Dezember 2017 über die Regelungen zur “finanziellen Härte” aufgeklärt. Vor dem Hintergrund dieser – teilweise über zweieinhalb Jahre vor dem beabsichtigten Baubeginn in dem vom Beklagten innegehalten Gebäude erteilten – Informationen gab es für die Klägerin keinen sachlich gerechtfertigten Grund, dem Beklagten die in seiner Wohnung und dem Mietshaus beabsichtigten Maßnahmen nicht zeitnah, sondern erneut mit einem erheblichen zeitlichen Vorlauf – von nahe eineinhalb Jahren – anzukündigen. Das fehlende Eigeninteresse der Klägerin an einer weit verfrühten Ankündigung wird auch durch ihr späteres Prozessverhalten belegt. Sie hat die von ihr behaupteten Duldungsansprüche nicht zeitnah nach Ablauf der Ankündigungsfrist geltend gemacht, sondern nach Ankündigung der Maßnahmen nahezu ein Jahr zugewartet, bevor sie die streitgegenständlichen Ansprüche erstmals am 14. August 2019 auf dem Zivilrechtsweg anhängig gemacht hat.

Eine der Klägerin günstigere Beurteilung wäre allenfalls dann gerechtfertigt, wenn die weit verfrüht angekündigten Maßnahmen mit zeitlich vorgelagerten Maßnahmen im Zusammenhang gestanden hätten, die ebenfalls zu einer unmittelbaren Beeinträchtigung der Mietsache geführt hätten oder bei denen eine Beeinträchtigung zumindest in Betracht zu ziehen gewesen wäre. Das ist auch unter Berücksichtigung der Stellungnahme der Klägerin vom 6. August 2020 nicht der Fall:

An dem streitgegenständlichen Grundstück …-Straße sollten Baumaßnahmen ausweislich des der Modernisierungsankündigung beigefügten Übersichtsplans erstmals im zweiten Bauabschnitt ab Februar 2020 erfolgen. Soweit die Klägerin geltend macht, die “Baustelleneinrichtung” habe auch dort in Einklang mit den Angaben im Übersichtsplan bereits im Januar 2019 begonnen, vermag sie damit nicht durchzudringen, da sie Art und das Ausmaß der “Baustelleneinrichtung” in der Modernisierungsankündigung nicht den Anforderungen des § 555c Abs. 1 Satz 2 BGB entsprechend angekündigt hat. Auch die Ankündigung ihrer voraussichtlichen Dauer, die sie ausweislich des Übersichtsplans mit nahezu zweieinhalb Jahren (“2.1.2019-15.5.2021”) und zudem ohne den erforderlichen Grundstücksbezug angegeben hat, wird den Anforderungen des § 555c Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB nicht gerecht. Die Ankündigung ist insoweit offensichtlich unrichtig, da “die Baustelle” weder am streitgegenständlichen Grundstück noch anderswo während der annähernd dreijährigen Gesamtdauer des die gesamte Siedlung betreffenden Modernisierungsvorhabens “eingerichtet” werden sollte. Mit den das streitgegenständliche Grundstück betreffende Modernisierungsmaßnahmen in Zusammenhang stehende Maßnahmen vermögen eine weit verfrühte Ankündigung der grundstücksbezogenen Maßnahmen indes allenfalls dann zu rechtfertigen, wenn sie ihrerseits den Anforderungen des § 555c Abs. 1 Satz 2 BGB entsprechend angekündigt worden sind. Daran fehlt es.

Ebenfalls ohne Erfolg beruft sich die Klägerin darauf, bei dem streitgegenständlichen Vorhaben handele es sich um ein Großprojekt, das zwingend einheitlich und vor dem Beginn des ersten Bauabschnitts für “die gesamte Siedlung” anzukündigen gewesen sei. Für die Ankündigungspflicht des Vermieters sind auch bei einem – hier 253 Wohnungen und unterschiedliche Straßenzüge betreffenden – Großvorhaben nicht die andere Grundstücke betreffende Maßnahmen und “Bauabschnitte” maßgeblich, sondern allein die unmittelbare Einwirkung auf die Mietsache selbst durch das Ergreifen konkreter objektbezogener Maßnahmen, die sich auf die Wohnung, das Haus oder das Hausgrundstück beziehen (vgl. Eisenschmid, a.a.O., § 555c Rz. 17-19; Weidenkaff, in: Palandt, BGB, 79. Aufl. 2020, § 555c Rz. 4). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem von der Klägerin in Bezug genommenen Urteil der Kammer vom 6. August 2020 (67 S 46/20, n.v.), in dem ebenfalls für die Bestimmung des maßgeblichen Zeitpunkts des Beginns der Bauarbeiten auf die Einwirkung auf die Mietsache oder das Gebäude selbst abgestellt wurde.

Gemessen an diesen Grundsätzen verfängt der Verweis der Klägerin nicht, bereits im ersten Bauabschnitt würden auch für den – das streitgegenständliche Grundstück betreffenden – zweiten Bauabschnitt grundlegende Maßnahmen durchgeführt. Zwar kommen einige dieser hauptsächlich die Energieversorgung betreffenden Maßnahmen später auch dem Hausgrundstück des Beklagten zu Gute, insbesondere die der Versorgung separater Unterstationen in den einzelnen Wohnhäusern dienende Hauptheizzentrale für das Fernwärmenetz. Eine für die aus § 555c Abs. 1 BGB erwachsenden Ankündigungspflichten des Vermieters allein maßgebliche unmittelbare Beeinträchtigung der vom Beklagten innegehaltenen Mietsache ist damit jedoch nicht verbunden; sie erfolgt erstmals durch die für die Zeit ab dem 17. Februar 2020 angekündigten Maßnahmen in dem vom Beklagten bewohnten Haus selbst. Nichts anderes gilt im Ergebnis für die bereits für 2019 angekündigten Maßnahmen “Neubau Lückenschluss” und “Neubau Brandwand”. Auch dabei handelt sich um Maßnahmen des ersten Bauabschnitts, die nicht unmittelbar das Grundstück …-Straße betreffen, sondern sich nach dem Vorbringen der Klägerin lediglich durch die “räumliche Nähe auf die gesamte Siedlung” auswirken.

Davon ausgehend kann die Klägerin ohne den Ausspruch einer neuerlichen Ankündigung die Duldung keiner der streitgegenständlichen Maßnahmen verlangen. Das gilt nicht nur für die streitgegenständlichen Modernisierungs-, sondern auch für die flankierenden Instandsetzungsmaßnahmen. Letztere sind Bestandteil eines mit der Durchführung der Modernisierungsmaßnahmen untrennbar verbundenen Gesamtpakets, für das weder dargetan noch ersichtlich ist, dass die Klägerin insoweit eine von der Durchführung der Modernisierung unabhängige Duldung beansprucht (vgl. BGH, Beschluss vom 21. November 2018 – VIII ZR 28/17NJW 2018, 1008, beckonline Tz. 12, 18).

Der Kammer war es den Ausführungen der Klägerin zuwider nicht verwehrt, im Beschlusswege zu verfahren. Ein Beschlusshindernis gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO ist nicht gegeben, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat. Die Kammer hat in dem von ihr zu beurteilenden Einzelfall Rechtswirkungen der Modernisierungsankündigung der Klägerin zu Lasten des Beklagten wegen Verstoßes gegen die allgemeinen Grundsätze von Treu und Glauben verneint. Die abstrakten Voraussetzungen von Treu und Glauben indes sind höchstrichterlich hinlänglich geklärt und kein hinreichender Grund für die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (st. Rspr., vgl. nur BGH, Beschluss vom 23. Januar 2018 – I… ZR 298/17, ZIP 2018, 621, beckonline Tz. 8 ff.). Veranlassung, wegen divergierender Rechtsprechung gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO vom Beschlussverfahren abzusehen und die Revision zuzulassen, bestand ebenfalls nicht. Die Kammer hat keinen abstrakten Rechtssatz aufgestellt, der von einschlägigen Entscheidungen eines höherrangigen oder gleichrangigen anderen Gerichts oder eines anderen Spruchkörpers desselben Gerichts abweicht. Das wäre aber Voraussetzung für eine Divergenzzulassung (st. Rspr., vgl. Ball, in: Musielak, ZPO, 17. Aufl. 2020, § 543 Rz. 8 m.w.N.).”