Aus der Rubrik “Mieterinformationen”:

Berliner Zeitung am 30.09.2020: Der Ausverkauf von Wohnungen in Berlin geht weiter
Immer mehr Mietwohnungen​ werden in Eigentum umgewandelt. Der Bund wollte das eigentlich ändern, doch jetzt stellen sich CDU und CSU quer.
Die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen gilt in Städten wie Berlin als Motor der Verdrängung. Eigentlich sollte die Umwandlung deswegen stärker eingeschränkt werden. So war es jedenfalls beim Wohngipfel im Kanzleramt vor zwei Jahren verabredet worden. Doch nun will zumindest die Union davon nichts mehr wissen. Im Entwurf für das Baulandmobilisierungsgesetz aus dem Haus von Bauminister Horst Seehofer (CSU), das jetzt zur Ressortabstimmung an die beteiligten Ministerien verschickt wurde, ist ein Umwandlungsverbot ​ jedenfalls nicht mehr enthalten.
Der Berliner CDU-Bundestagsabgeordnete Jan-Marco Luczak verbucht dies als seinen persönlichen Erfolg. „Ich bin froh, dass das Umwandlungsverbot aus dem Gesetzentwurf gestrichen wurde“, erklärt Luczak. „Darum habe ich hart gerungen. Mein Ziel ist, mehr Menschen den Traum von den eigenen vier Wänden zu ermöglichen.“ Das funktioniere aber nicht, wenn die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen faktisch verboten werde. Luczak verweist auf den bestehenden Schutz für Mieter. „Im Mietrecht haben wir starke soziale Leitplanken, auch im Fall der Umwandlung in Eigentumswohnungen“, sagt er. Bis zu zehn Jahre betrage der Kündigungsschutz bereits heute schon.
Die Berliner SPD-Bundestagsabgeordnete Cansel Kiziltepe ist sauer: „Das Problem mit den Umwandlungen ist seit Jahren bekannt und hat sich in den letzten Jahren eher noch verschärft als entspannt“, sagt sie. Auf Drängen der SPD seien auf dem Wohngipfel 2018 schärfere Umwandlungsregeln vereinbart worden. Doch CDU-Mann​ Luczak habe sich mit Händen und Füßen dagegen gewehrt. Jetzt feiere er seinen „Erfolg“ und setze damit seine Politik fort, die er auch als einer der führenden Gegner des Mietendeckels zeige. „Deutlicher kann man einen Stinkefinger gegenüber den Mieterinnen und Mietern, insbesondere denen mit geringen und mittleren Einkommen, nicht zeigen“, so Kiziltepe.

In der SPD formiert sich Widerstand

In der SPD-Bundestagsfraktion​ formiert sich Widerstand. Neben Cansel Kiziltepe aus Friedrichshain-Kreuzberg übt der aus Pankow kommende Abgeordnete Klaus Mindrup Kritik an der Union. „Wir verlieren in unseren Ballungszentren täglich bezahlbaren Wohnraum durch die spekulative Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen“, sagt Mindrup. Allein in Berlin seien zwischen 2012 und 2018 insgesamt 86.964 Mietwohnungen durch Umwandlung verloren gegangen. Die Umwandlung bedeute „in den meisten Fällen Verdrängung aus angestammten Kiezen“, so Mindrup. „Da es hier in der Regel um Spekulation mit Wohnraum geht, kann es auch kein Argument sein, die Umwandlung beizubehalten, um einen Erwerb durch die Mieter zu ermöglichen.“ Die aufgerufenen „spekulativen Mondpreise“ könne kaum ein Mensch finanzieren. Deswegen sei die tatsächliche Zahl der Mieter, die ihre Wohnung kaufen, sehr gering. „Wieder einmal lässt die Union die Mieterinnen und Mieter im Regen stehen und schlägt sich auf die Seite der Spekulanten“, sagt Mindrup.
In einem früheren Entwurf für das Baulandmobilisierungsgesetz war das Umwandlungsverbot noch enthalten. Es sah vor, die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt wie in Berlin unter Genehmigungsvorbehalt der Behörden zu stellen. Umwandlungen wären danach nur noch in bestimmten Ausnahmefällen möglich gewesen. Zum Beispiel, wenn das Grundstück zu einem Nachlass gehört und Eigentum zugunsten der Erben begründet werden soll. Oder wenn die Wohnungen zur eigenen Nutzung an mindestens zwei Drittel der Mieter veräußert werden sollen. Aber das ging der Union zu weit.
Für Mieter ist die Umwandlung ihrer Wohnung in Eigentum vor allem deswegen problematisch, weil Eigentümer beim Verkauf einer Wohnung im unvermieteten Zustand einen höheren Preis erzielen können. Der Anreiz, die angestammten Mieter zum Auszug zu bewegen, ist dadurch groß. Wie groß genau, zeigen die Zahlen aus dem Immobilienmarktbericht 2019/2020 des Gutachterausschusses für Grundstückswerte in Berlin. Ehemalige Mietwohnungen der Baujahrgänge bis 1919, die in Eigentumswohnungen umgewandelt wurden, kosteten danach im vergangenen Jahr im Schnitt 3540 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche, wenn sie im vermieteten Zustand verkauft wurden. Im unvermieteten Zustand brachten die Wohnungen im Schnitt 4668 Euro pro Quadratmeter ein – also pro Quadratmeter 1128 Euro mehr. Bei einer 100 Quadratmeter großen Wohnung macht das einen Unterschied von 112.800 Euro aus.