AMV im Lichte der Presse:

Berliner Zeitung am 24.11.2020 – Mieterverein schlägt Alarm: Schattenmieten werden zum Problem
Immer mehr Vermieter bieten Wohnungen zu zwei verschiedenen Preisen an. Sie wollen gewappnet sein, falls der Mietendeckel vor Gericht gekippt wird.
Die Deutsche Wohnen ist einer der Vermieter, die Schattenmieten vereinbaren. Laut einem Mietvertrag, der der Berliner Zeitung vorliegt, weist das Unternehmen für eine rund 41 Quadratmeter große Zweizimmerwohnung in Spandau eine Kaltmiete von rund 389 Euro aus. Zahlen muss der Mieter aber lediglich eine Kaltmiete von rund 259 Euro. Falls der Mietendeckel gekippt werde, soll die höhere Miete „rückwirkend ab Vertragsbeginn“ gelten. Die Nachzahlung sei „dann in einem Betrag fällig“ und müsse geleistet werden, „wenn die Vermieterin den Mieter dazu auffordert“.
Der Alternative Mieter- und Verbraucherschutzbund (AMV), der den Mieter vertritt, ist entsetzt. „Die Deutsche Wohnen nutzt mit ihrer Mietenvereinbarung die Wohnungsnot am Berliner Markt schamlos aus“, sagt AMV-Chef Marcel Eupen. „Wäre ein ausreichendes Angebot vorhanden, würden Mieterinnen und Mieter solche Verträge nicht unterschreiben.“ Die Vertragsklausel, dass Mieter den sich ergebenden Nachzahlungsbetrag in einem Betrag begleichen müssen, sei „an Kaltschnäuzigkeit nicht zu übertreffen“, so Eupen.
Die Deutsche Wohnen verteidigt ihr Vorgehen. Das Unternehmen halte sich an „jegliche gesetzliche Vorgabe“ und „selbstverständlich auch den Mietendeckel“, erklärt ein Sprecher. Bis zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über den Mietendeckel gelte es für alle Seiten, mit der „anhaltenden Unsicherheit verantwortungsvoll umzugehen“. Hierzu gehöre auch, „Regelungen für den Fall zu finden, dass sich der Mietendeckel als nicht verfassungskonform herausstellen sollte.“
Das Bundesverfassungsgericht habe in seiner Begründung zur Ablehnung einer einstweiligen Anordnung gegen den Mietendeckel ausgeführt, dass Vermieter nicht daran gehindert seien, sich für den Fall der Verfassungswidrigkeit des Gesetzes bei Neuvermietungen eine höhere Miete als die Mietendeckelmiete zusichern zu lassen, argumentiert die Deutsche Wohnen. „Damit schaffen wir Transparenz für Mietinteressenten und verhindern, dass sich Mieter finanziell übernehmen“. Ähnlich äußert sich die Vonovia, das größte börsennotierte Wohnungsunternehmen in Deutschland.
Der Berliner Mieterverein sieht es anders. „Jegliche Vereinbarung zur Miethöhe bei Wiedervermietung, die dem Mietendeckel widerspricht, dürfte generell unwirksam sein – und zwar nicht nur während der Geltungsdauer des Mietendeckels, sondern auch darüber hinaus“, sagt Vereinsgeschäftsführer Reiner Wild. „Demnach darf kein Vermieter während der Geltungsdauer des Mietendeckels beim Abschluss eines neuen Vertrages eine höhere Miete praktisch auf Vorrat vereinbaren.“
Wild zweifelt zudem die Stichhaltigkeit der Argumentation der Vermieter an, die sich auf die Begründung des Bundesverfassungsgerichts in einem Eilverfahren stützen. In dem Verfahren sei es „ausschließlich um die Bußgeldbestimmungen“ des Mietendeckels gegangen. „Ob und wie weit eine verbotswidrige Vereinbarung wirksam ist, muss durch die Fachgerichte entschieden werden“, sagt Wild. „Es darf vermutet werden, dass das Bundesverfassungsgericht nicht in einem Eilverfahren zu einem anderen Verfahrensgegenstand einer fachgerichtlichen Prüfung vorgreifen wollte.“
Für Mieter hat Wild einen Rat: „Wir empfehlen allen, die Verträge mit einer Schattenmiete unterzeichnen, dies nur dann zu tun, wenn sie im Zweifel auch die höhere Miete bezahlen können.“
https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/schattenmieten-entwickeln-sich-zu-wachsendem-problem-li.121258