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Aus der Rubrik “Wohnungspolitik”:

Berliner Zeitung am 29.07.2020: „Verzögerungstaktik“ – SPD gerät in Enteignungsdebatte unter Druck

Grüne und Linke teilen Vorbehalte gegen das Berliner Volksbegehren zur Vergesellschaftung von Wohnungen nicht.

Der Streit um das Volksbegehren „Deutsche Wohnen und Co enteignen“ belastet die rot-rot-grüne Koalition. Grund: Die SPD-geführte Senatsinnenverwaltung hat es am Freitag in einem Gespräch mit der Enteignungsinitiative als nicht statthaft bezeichnet, den Senat per Volksbegehren aufzufordern, ein Gesetz zur Vergesellschaftung von Wohnungen zu erarbeiten. Damit sei das Gesetzesinitiativrecht des Senats beeinträchtigt. Die Koalitionspartner sind jedoch anderer Ansicht.

„Wir sehen die Statthaftigkeit als gegeben an, denn es gab zum Vergleich auch schon Anträge des Abgeordnetenhauses, in denen der Senat aufgefordert wurde, ein Landesgesetz zu erarbeiten“, sagt die Grünen-Abgeordnete Katrin Schmidberger. Auch hier seien nur Eckpunkte vom Abgeordnetenhaus vorgegeben worden. In diesen Fällen habe sich der Senat in der Vergangenheit nicht beschwert, dass der Antrag unstatthaft sei, weil damit gegen sein Initiativrecht verstoßen würde. Genauso verhalte es sich beim Bundesrat, der den Bundestag regelmäßig auffordere, Gesetze zu erlassen. Linken-Fraktionschefin Anne Helm äußert sich ähnlich. „Wir halten die Position der Innenbehörde zur Statthaftigkeit des Volksbegehrens auch nicht für überzeugend“, sagt Helm. „Sie juristisch klären zu lassen, wäre allerdings mit weiteren Verzögerungen verbunden.“ Deshalb habe die Linke für einen Kompromiss zwischen Initiative und Innenverwaltung geworben. „Aus unserer Sicht aber ist das Volksbegehren weder materiell noch formal zu beanstanden“, stellt Helm klar.

Einigung schien in Sicht

Mitte Mai dieses Jahres hat die Initiative Klage gegen den Innensenator eingereicht, weil dieser noch nicht über die Zulässigkeit des Volksbegehrens entschieden hat. Nach einem Gespräch mit Vertretern der Koalition schien eine Einigung greifbar. Ein Sprecher der Initiative sagt, es sei in Aussicht gestellt worden, die Prüfung  bis Juli abzuschließen. Statt grünem Licht aus der Innenverwaltung kommen nun jedoch Bedenken am Beschlusstext des Volksbegehrens. Die Innenverwaltung habe am Freitag verschiedene Varianten mit kleinen Textänderungen vorgeschlagen, um die behauptete rechtliche Problematik zu lösen, teilt die Initiative mit. Sie wolle nun gemeinsam mit ihren Aktiven beraten, wie sie mit den Vorschlägen umgehen werde.

Unterstützung erhält die Initiative vom Berliner Mieterverein (BMV). „Ich halte den Rechtsstandpunkt der Innenverwaltung für ausgesprochen problematisch und gehe davon aus, dass er sich nicht halten lässt“, sagt BMV-Geschäftsführer Reiner Wild. „Dass der Innensenator nach anderthalb Jahren feststellt, der Senat könne durch das Volksbegehren gar nicht dazu aufgefordert werden, ein Gesetz zur Vergesellschaftung zu erarbeiten, wirkt so, als würde er von hinten aus der Westentasche noch ein letztes Argument dagegen vorbringen.“ Klar sei, dass der Senat eine politische Antwort auf die Initiative Deutsche Wohnen und Co enteignen finden müsse. „Dazu müssen sich SPD, Linke und Grüne auf einen Kompromiss verständigen“, fordert Wild.

Die SPD müsse „jetzt endlich ihre Blockade aufgeben und sich dem Volksbegehren inhaltlich stellen“, sagt die Grünen-Abgeordnete Schmidberger. Die Verzögerungstaktik schade der Glaubwürdigkeit der ganzen Koalition, die es sich auf die Fahne geschrieben habe, direkte Demokratie und eine laute Zivilgesellschaft zu stärken. Schmidberger: „Der Senat sollte jetzt anfangen, ein Gesetz zu erarbeiten, denn es sind noch viele inhaltliche Fragen zu klären.“

https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/verzoegerungstaktik-spd-geraet-in-enteignungsdebatte-unter-druck-li.90399

Aus der Rubrik “Wissenswertes”:

 

Ist eine ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB grundsätzlich gerechtfertigt, wenn der Mieter die Durchführung von Modernisierungsmaßnahmen verweigert, obwohl er rechtskräftig zu deren Duldung verpflichtet ist?

Die Antwort des Landgerichts Berlin (LG Berlin – 67 S 21/20, Urteil vom 28.05.2020) lautet: Ja!

Zur Begründung führt das Landgericht Berlin in seiner vorgenannten Entscheidung unter II. wie folgt aus: „Der Beklagte ist dem Kläger gemäß §§ 985, 546 Abs. 1, 566 Abs. 1 zur Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung verpflichtet. Das Mietverhältnis ist durch die Kündigung vom 25. Juni 2018 wirksam beendet worden. Die Kündigung ist jedenfalls als ordentliche Kündigung gemäß § 573 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB wirksam. Danach liegt ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses vor, wenn der Mieter seine Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt. Diese Voraussetzungen sind erfüllt.

Dem Beklagten fällt eine Pflichtverletzung zur Last, da er die mit Schreiben vom 7. März 2016 angekündigten Modernisierungsmaßnahmen im Umfang der rechtskräftigen Verurteilung durch die Kammer vom 1. August 2017 nicht geduldet hat.

Dass er seinen Mitwirkungspflichten nicht gerecht geworden ist, steht zur zweifelsfreien Überzeugung der Kammer als Ergebnis der im zweiten Rechtszug durchgeführten Beweiserhebung fest. Der Beklagte hat jedenfalls am 5. Juni 2018 dem vom Kläger beauftragten Zeugen Y trotz unmissverständlicher Abmahnung vom 28. Mai 2018 keinen Zutritt zu seiner Wohnung zur Durchführung der im Schreiben vom 28. Mai 2018 angekündigten Maßnahmen gewährt. Das ergibt sich zur Überzeugung der Kammer aus den Bekundungen des Zeugen Y, der bekundet hat, ihm sei am besagten Tage trotz mehrfach deutlich vernehmbaren Klopfens an die Wohnungstür des Beklagten nicht geöffnet worden. Die Aussage des Zeugen war glaubhaft, da er den von ihm bekundeten Geschehensverlauf unter Heranziehung seiner Unterlagen ruhig, bestimmt, widerspruchsfrei und hinreichend detailliert geschildert hat. Der Zeuge war auch glaubwürdig, da er unbeschadet seiner bisherigen Geschäftsbeziehungen zum Kläger kein unmittelbares oder mittelbares Eigeninteresse am Ausgang des Verfahrens hatte und auch keine weiteren Anhaltspunkte bestehen, die der Kammer hätten Anlass geben müssen, an der Glaubwürdigkeit des Zeugen zu zweifeln.

Ein dem Beklagten günstigeres Beweisergebnis ist nicht aufgrund seiner eigenen Einvernahme als Partei gerechtfertigt, die die Kammer zur Beseitigung seiner nicht anderweitig zu behebenden Beweisnot angeordnet hat (st. Rspr. der Kammer, vgl. nur Urt. v. 25. September 2014 – 67 S 198/14, NJW 2014, 3585). Zwar hat der Beklagte bekundet, am 5. Juni 2018 sei niemand bei ihm erschienen, doch mangelte es seinen Äußerungen bereits an den für eine glaubhafte Bekundung sprechenden realitätstypischen Details. Weder wußte der Beklagte zu bekunden, wie lange er sich am besagten Tage in seiner Wohnung aufgehalten, noch wann er sie zu welchem Zweck verlassen hat. Er wusste ebenfalls nicht zu bekunden, wo genau er sich in der Wohnung zum Zeitpunkt des vom Zeugen Y behaupteten Eintreffens befunden hat. Dasselbe gilt für seine angeblichen Kalendernotizen für den 5. Juni 2018, an deren tatsächlichen Hintergrund er sich – nach eigenem Bekunden – nur hinsichtlich des vom Klägers behaupteten Geschehensablaufs hinreichend sicher erinnern konnte, nicht aber hinsichtlich des übrigen Tagesverlaufs. Auch dieses nur auf das unmittelbare Beweisthema beschränkte Erinnerungsvermögen spricht nicht für, sondern gegen die Glaubhaftigkeit seiner Bekundungen. Es kommt hinzu, dass der von dem Beklagten geschilderte Geschehensverlauf in hohem Maße unwahrscheinlich ist. Denn es fehlte jeglicher plausible Grund für den Kläger, die von ihm auch nach Erwirkung des Duldungsurteils mit Schreiben vom 17. Oktober 2017, 7. Dezember 2017, 8. Dezember 2017, 25. Januar 2018, 11. Mai 2018 und 18. Mai 2018 immer wieder mit der dringlichen Bitte um Mitwirkung des Beklagten thematisierten Vorbereitungs- und Modernisierungsmaßnahmen mit weiterem Scheiben vom 28. Mai 2018 für den 5. Juni 2018 anzukündigen, um diese sodann trotz der mittlerweile mehr als zweijährigen Modernisierungsaufschubs nicht durchzuführen. Dass der Kläger den Termin nur zum Schein angekündigt hätte, um in der Folge eine verhaltensbedingte Kündigung gegen den Beklagten wegen einer – tatsächlich nicht erfolgten – Vereitelung der Modernisierungsmaßnahmen aussprechen zu können, erachtet die Kammer für ausgeschlossen. Dagegen spricht bereits das Prozessverhalten des Klägers, der sich selbst im zweiten Rechtszug noch bereit erklärt hat, das Mietverhältnis mit dem Beklagten zu dem für diesen annehmbaren Bedingungen im Vergleichswege fortzusetzen.

Der Beklagte hat auch schuldhaft gehandelt. Der Beklagte hat am 5. Juni 2018 vorsätzlich keinen Zutritt zur Wohnung gewährt. Es steht aus obigen Erwägungen zur zweifelsfreien Überzeugung der Kammer fest, dass der Beklagte zum Zeitpunkt des Eintreffens des vom Kläger beauftragten Zeugen entweder die Wohnung zuvor willentlich und wissentlich verlassen oder dem Zeugen trotz seiner Anwesenheit in der Wohnung ebenso willentlich und wissentlich keinen Zutritt gewährt hat. Dass er das Klopfen des Zeugen überhört hat, ist ebenso zweifelsfrei auszuschließen, da dieser nach seinen glaubhaften Bekundungen laut und vernehmlich geklopft hat und der Beklagte eingeräumt hat, dass ein solches Klopfen von ihm nicht zu überhören gewesen wäre.

Die dem Beklagten zur Last zu legende Pflichtverletzung war auch hinreichend erheblich. Für die Beurteilung der Erheblichkeit der Pflichtverletzung ist die Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls erforderlich. Dazu zählen die beanstandungsfreie Dauer des bisherigen Vertragsverhältnisses, das Gewicht und die nachteiligen Auswirkungen der Vertragspflichtverletzung, eine mögliche Wiederholungsgefahr und der dem Mieter zur Last zu legende Grad des Verschuldens. Daneben können besondere persönlichen Umstände des Mieters oder ein pflichtwidriges (Vor-)Verhalten des Vermieters zusätzliche Berücksichtigung finden (st. Rspr. der Kammer, vgl. nur Urt. v. 22. August 2019 – 67 S 109/19, ZMR 2019, 944, beckonline Tz. 4 m.w.N.).

Gemessen daran hat der Beklagte die Erheblichkeitsschwelle des § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB mit seinem Verhalten weit überschritten.

Die Pflichtverletzung des Beklagten wiegt bereits für sich genommen schwer, da Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen für die Erhaltung des Mietobjekts und seines wirtschaftlichen Werts von wesentlicher Bedeutung sein können, so dass der Vermieter an deren alsbaldiger Durchführung in der Regel ein erhebliches wirtschaftliches Interesse hat (vgl. BGH, Urt. v. 15. April 2015 – VIII ZR 281/13, NJW 2015, 2417, beckonline Tz. 22). Diesem – auch hier gegeben – Interesse hat der Beklagte beharrlich zuwidergehandelt, indem er die Durchführung der Maßnahmen über mehr als zwei Jahre vereitelt hat. Es kommt erschwerend hinzu, dass der Beklagte jedenfalls am 5. Juni 2018 nicht lediglich fahrlässig, sondern mit Vorsatz gehandelt hat (vgl. LG Berlin, Urt. v. 3. Juli 2018 – 67 S 20/18, WuM 2018, 562, beckonline Tz. 17). Denn spätestens seit Eintritt der Rechtskraft des am 1. August 2017 verkündeten Duldungsurteils wusste er, dass er zur Duldung der tenorierten Maßnahmen verpflichtet war. Gleichwohl hat er dem Duldungsanspruch des Klägers auch weiterhin nicht genügt, sondern diesen stattdessen noch mit Schreiben vom 23. Mai 2018 darüber belehrt, Maßnahmen allenfalls dann dulden zu müssen, wenn der Kläger diese “längerfristig und planbar” und nicht lediglich “mit einem Vorlauf von einer Woche ankündige”, er die “auszuführenden Arbeiten” aufzähle und beschreibe und “ein Zeitfenster für die Ausführung” vorgebe. Ausweislich des zu diesem Zeit bereits seit geraumer Zeit rechtskräftigen Duldungsurteil indes war die Duldungspflicht des Beklagten nicht von seinen nunmehr gemachten Vorgaben, sondern lediglich von einer “vorherigen Ankündigung” abhängig. Eine solche ist ihm mit Schreiben vom 28. Mai 2018 zugegangen. Dass er dem vom Kläger beauftragten Zeugen gleichwohl keinen Zutritt gewährt, sondern den Fortgang der Maßnahmen weiter vereitelt hat, begründet in der gebotenen Gesamtschau eine für den Ausspruch einer ordentlichen Kündigung hinreichende Erheblichkeit der Pflichtverletzung, selbst wenn das Mietverhältnis zuvor über einen langen Zeitraum unbeanstandet gewährt haben sollte. Denn eine ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses ist gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB grundsätzlich gerechtfertigt, wenn der Mieter die Durchführung von Modernisierungsmaßnahmen vereitelt, obwohl er rechtskräftig zu deren Duldung verpflichtet ist. Diese Wertung gilt hier ebenfalls. Es tritt hinzu, dass der Beklagte durch die Verweigerung des Zutritts auch der unmittelbar zuvor ausgesprochenen Abmahnung des Klägers zuwider gehandelt hat. Deren bewusste Missachtung hat seiner Pflichtverletzung ein zusätzliches Gewicht verliehen (vgl. BGH, Urt. v. 28. November 2007 – VIII ZR 145/07, NJW 2008, 508, beckonline Tz. 28). Darauf kam es wegen der übrigen zu seinen Lasten sprechenden Umstände des Einzelfalls im Ergebnis allerdings nicht mehr wesentlich an.”

Aus der Rubrik “Gesundheitspolitik”:

Berliner Zeitung am 25.06.2020: Bis zu 500.000 Asbestwohnungen in Berlin

Der Grünen-Abgeordnete Andreas Otto schätzt die Zahl der Unterkünfte, in denen der krebserregende Stoff verbaut wurde, höher ein als bisher gedacht.

In Berlin gibt es möglicherweise deutlich mehr asbestbelastete Wohnungen als gedacht. Während Schätzungen bisher von rund 100.000 Wohnungen ausgingen, in denen asbesthaltige Teile verbaut sind, könnten es nach Ansicht des Grünen-Abgeordneten Andreas Otto tatsächlich bis zu 500.000 Wohnungen sein. Otto sagte der Berliner Zeitung, die bisherigen Schätzungen müssten korrigiert werden, weil sich bei den Ankäufen von Wohnungen durch die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften in den vergangenen Jahren gezeigt habe, dass die Wohnungen „in großem Umfang asbestbelastet“ seien.

Bei seiner Berechnung beruft sich Otto auf die statistischen Jahrbücher. Aus ihnen ergebe sich, dass im Westteil Berlins in den Jahren 1952 bis 1993 rund 601.000 Wohnungen neu gebaut, wieder aufgebaut oder umgebaut wurden. „Bekannt als asbestsaniert sind lediglich circa 40.000 Wohnungen der landeseigenen Gesellschaften“, sagt der Grünen-Politiker. „Wenn man annimmt, dass die private Wohnungswirtschaft in ähnlicher Größenordnung wie die landeseigenen Gesellschaften saniert hat, können circa 500.000 Wohnungen als unter Asbestverdacht angenommen werden.“

Das Problem: Zahlen zur Asbestbelastung aller Wohnungen gibt es in Berlin nicht. Aussagen sind nach Angaben der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung nur zu den Wohnungen der landeseigenen Unternehmen möglich, die rund 325.000 Wohnungen besitzen. Etwas mehr als 40.000 Wohnungen standen bei diesen zum 31. Dezember 2019 entweder unter Asbestverdacht oder galten als asbestbelastet. In Kreisen der Wohnungswirtschaft heißt es zu Ottos Schätzung von bis zu 500.000 asbestbelasteten Wohnungen, er liege damit wohl nicht sehr verkehrt.

In Deutschland gilt zwar seit Oktober 1993 ein generelles Herstellungs- und Verwendungsverbot für Asbest. Der krebserregende Stoff findet sich jedoch noch immer an vielen Stellen: in Wohnungen zum Beispiel in Fußbodenbelägen, aber auch in Rohren, Balkonbrüstungen und Blumenkästen. Solange die asbesthaltigen Bauteile nicht beschädigt werden, geht keine unmittelbare Gefahr von ihnen aus. Gehen sie jedoch kaputt, können gefährliche Fasern freigesetzt werden.

Die rot-rot-grüne Koalition hat sich im Koalitionsvertrag von 2016 das Ziel „asbestfreie Hauptstadt 2030“ gesteckt. Doch hat sich laut Otto bisher wenig getan. „Nach knapp vier Jahren ist Berlin“ dem Ziel der asbestfreien Hauptstadt 2030 „kaum näher gekommen“, stellt der Grünen-Abgeordnete fest. Der Senat werde nächstes Jahr, also zu den Wahlen, „begründen müssen, wieso er quasi untätig geblieben“ sei. Mit der privaten Wohnungswirtschaft habe die Verwaltung nicht einmal Gespräche zum Asbestproblem geführt. Umso dringlicher sei es, dass der Senat endlich die Asbestberatungsstelle sowie das Förderprogramm zur Asbestsanierung von Wohnraum auf den Weg bringe. Beides sei vom Abgeordnetenhaus mit dem Doppelhaushalt 2020/2021 beschlossen worden. Nötig sei außerdem eine Bestandsaufnahme zur Zahl der asbestbelasteten Wohnungen und ein Sanierungsfahrplan.

Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung weist die Vorwürfe zurück. Es sei nicht zutreffend, dass der Senat untätig geblieben sei, sagt die Sprecherin der Stadtentwicklungsbehörde Petra Rohland. Für ein öffentlich einsehbares Asbestregister fehlten derzeit wesentliche gesetzliche Grundlagen. Es werde geprüft, welche Rechtsgrundlagen nötig seien. Die sechs landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften hätten sich zudem in der Kooperationsvereinbarung mit dem Senat verpflichtet, Wohnungen mit Asbestbelastungen schrittweise zu sanieren. Dazu stelle jedes landeseigene Wohnungsunternehmen einen langfristigen Sanierungsplan auf. Im Rahmen dieser Sanierungspläne seien im Jahr 2018 insgesamt 2815 Wohnungen saniert worden.

Der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) erklärte, realistisch wäre aus seiner Sicht bei der Asbestsanierung „ein praktikables Minimierungsziel auf Basis einer objektiven Gefährdungsbeurteilung“. Darüber hinaus wäre eine staatliche Förderung der Sanierung sinnvoll – insbesondere auch mit Blick auf private Kleineigentümer. 10.000 Euro pro Wohnung wären „ein guter Ansatzpunkt“.

https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/berlin-wohnen-bis-zu-500000-asbestwohnungen-li.89524

Aus der Rubrik “Wissenswertes”:

 

Löst eine berechtigte Eigenbedarfskündigung die Nebenpflicht aus, dem Mieter unter bestimmten Umständen zur Abmilderung der hierdurch eintretenden Auswirkungen eine verfügbare Alternativwohnung anzubieten?

Die Antwort des Landgerichts Berlin (LG Berlin – 64 S 197/18, Urteil vom 11.03.2020) lautet: Ja!

Zur Begründung führt das Landgericht Berlin in seiner vorgenannten Entscheidung unter II. 2. a) bis c) wie folgt aus: „Die Klägerin war verpflichtet, der Beklagten die zur Verfügung stehende 2-Zimmer-Wohnung anzubieten, obwohl diese mit 44 qm nur etwa halb so groß war wie die streitgegenständliche Wohnung mit 87,58 qm (nach Aufmaß, Bi. 88, Bd. I d.A.) bzw. 88,67 qm (nach Betriebskostenabrechnung) bzw. ca. 95qm (nach Mietvertrag, Anlage K 1, BI. 7 I d.A.). Die 2-Zimmer-Wohnung ist unstreitig während der Kündigungsfrist frei geworden.

Das Bundesverfassungsgericht hat die eigenverantwortliche Entscheidung des Mieters hervorgehoben, wie er sein Leben gestalten will und dabei darauf abgestellt, dass es zum Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit gehöre, “seinen Wohnbedarf nach seinen eigenen Vorstellungen zu bestimmen, also auch einzuschränken” (BVerfG, Beschluss vom 28.01.1992 –1 BvR 1054/91, NJW 1992, 1220 f.).

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs löst eine berechtigte Eigenbedarfskündigung die Nebenpflicht aus, dem Mieter unter bestimmten Umständen zur Abmilderung der hierdurch eintretenden Auswirkungen eine verfügbare Alternativwohnung anzubieten (vgl. BGH, Urteil vom 14.12.2016 – VIII ZR 232/15, NJW 2017, 547, 555). Diese Nebenpflicht im Sinne von § 241 Abs. 2 BGB entspringt einer gesteigerten Pflicht zur Rücksichtnahme für den Vermieter, die Folgen einer auf Eigenbedarf gestützten Kündigung für den Mieter so gering wie möglich zu halten. Danach ist der Vermieter nach Auffassung der Kammer verpflichtet, dem Mieter zur Vermietung frei stehende oder im Kündigungszeitraum frei werdende Wohnungen im selben Haus oder in derselben Wohnanlage grundsätzlich anzubieten. Eine Entscheidung darüber, was für den Mieter angemessen oder interessengerecht ist, hat der Vermieter dabei nicht zu treffen. Denn sonst hätte er es auch allein in der Hand, über den Umfang der vertraglichen Nebenpflicht gemäß § 241 Abs. 2 BGB zu entscheiden.

Überdies sind dem Vermieter regelmäßig die Interessen des Mieters weder im Einzelnen noch in ihren möglichen Wandlungen bekannt, so dass es sachgerecht erscheint, ihm die Pflicht aufzuerlegen, dem Mieter der Wohnung, auf die sich die Eigenbedarfskündigung bezieht, die ihm zur Verfügung stehenden Wohnungen anzubieten. Die Berücksichtigung allein der durch die Anmietung konkretisierten und erkennbar gewordenen individuellen Bedürfnissen des Mieters versetzt den Vermieter gerade bei jahrzehntelangen Mietverhältnissen nicht in die Lage, sich ein Bild der aktuellen Interessen und Bedürfnissen des Mieters zu machen. So ist – wie hier auch vorgetragen – durchaus denkbar, dass Kinder ausziehen und damit eine geringere Wohnfläche benötigt wird.

Der Bundesgerichtshof verweist zwar auf die frühere Rechtsprechung des Senats, in der bei der Anbietpflicht unter anderem auf eine vergleichbare Wohnung abgestellt wurde; gleichzeitig lässt er in seinem Urteil vom 14.12.2016 ausdrücklich offen, ob eine deutliche Größenabweichung (166 qm versus 76 qm) eine ansonsten bestehende Anbietpflicht entfallen lässt (vgl. BGH, Urteil vom 14.12.2016 – VIII ZR 232/15, NJW 2017, 547, 555 und 556). Insofern stehen obige Ausführungen auch nicht im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs.

Soweit die Kammer in dem zitierten Landgerichtsverfahren 18 S 159/16 (vgl. Anlage K 6, Bl. 64ff., Bd. I d.A.) noch eine abweichende Auffassung vertreten hat, hält sie daran nicht mehr fest. Die Beendung eines langjährigen Mietverhältnisses bedeutet für den Mieter eine Zäsur, die eine erhebliche Veränderung der Lebens- und Wohnverhältnisse mit sich bringen kann. So wird einem Mieter gerade in Zeiten beengter Mietmärkte, die steigende Mieten und ein geringes Angebot freier Wohnungen mit sich bringen, angesonnen, bei der Suche nach Ersatzwohnraum seine Wohnbedürfnisse einzuschränken und auch kleinere, teurere und in weniger nachgefragten Stadtbezirken gelegene Wohnungen in den Blick zu nehmen (vgl. Beck-Online Großkommentar, BGB, Stand: 01.07.2019, § 574, Rn. 24ff. mit weiteren Nach-weisen). Der Vermieter darf daher nicht voraussetzen, dass sich das Interesse des zur Räumung einer Wohnung verpflichteten Mieters von vornhinein auf Ersatzwohnungen beschränken wird, die nach Zimmerzahl, Wohnfläche und Ausstattung der bisherigen Wohnung entsprechen.

b) Die unter anderem mit Schriftsatz vom 02.10.2019 vorgetragenen Gründe der Klägerin, die 44 qm-Wohnung nicht anzubieten, vermögen die Anbietpflicht nicht zu Fall zu bringen. Insbesondere sind im Zeitpunkt, zu dem die Anbietpflicht bestand, keine Gründe gegeben, die die Klägerin im vorliegenden Fall von der Anbietpflicht befreien würden. Im Einzelnen:

Soweit die Klägerin vorträgt, dass sie nicht erkennen konnte, dass die kleinere Wohnung als Alternativwohnung überhaupt in Betracht kam, ist dem entgegenzuhalten, dass eine Anbietpflicht gerade deshalb angenommen wird, weil die Vermieterseite regelmäßig nicht wissen kann, was den mieterseitigen Interessen oder Plänen entspricht. Folglich durfte die Klägerin auch nicht einfach davon ausgehen, dass die Beklagte eine Wohnung für sich und ihren Sohn benötigen würde.

Der Einwand, dass die Wohnung im 3. OG keine Alternative gewesen wäre, da das Instrument der Beklagten nach Auffassung der Klägerseite wegen des Grundrisses der Wohnung und der Lage im Hinterhaus nicht in die Wohnung hätte verbracht werden können, greift nicht. Im Rahmen der Anbietpflicht konnte die Klägerin am 15.04.2015 aber nicht davon ausgehen, dass das Instrument der Beklagten in keinem Fall (auch nicht durch die Fenster) in die Wohnung verbracht werden könnte und die Beklagte deshalb unter keinen Umständen in die Wohnung ziehen würde. Die Klägerin hatte solche Überlegungen nicht für die Beklagte anzustellen und ihr die Wohnung dennoch anzubieten.

Dass das Klavierspielen im Hinterhaus eine viel größere Lärmbelästigung für die Nachbarn dargestellt hätte als im Vorderhaus, vermag die Anbietpflicht ebenso wenig zu Fall zu bringen, zumal die Beklagte darauf hinweist, dass die Zimmer der Wohnung nicht an eine andere Wohnung des Hauses angrenzen. Sind also primär die darunter und darüber liegende Wohnung betroffen, ergibt sich grundsätzlich keine stärkere Beeinträchtigung als im Vorderhaus. Der Hinweis darauf, dass im Vorderhaus Gewerbe überwiegen, deutet für sich genommen weder auf eine geringere noch eine erhöhte Beeinträchtigung einzelner Nachbarn bzw. ihrer Kunden durch das Klavierspiel.

Soweit die Klägerin einwendet, dass die Beklagte im August 2015 einer Mitarbeiterin der Hausverwaltung mitgeteilt habe, dass sie wegen einer Erkrankung eine Wohnung mit Badewanne benötige, und die Alternativwohnung nur über eine Dusche verfüge, ist auch hier auf den Stand zum Zeitpunkt der Neuvermietung der Alternativwohnung abzustellen (15.04.2015), so dass die Alternativwohnung auch in Ermangelung einer Badewanne hätte angeboten werden müssen.

c) Diese Anbietpflicht hat die Klägerin verletzt, indem sie ihr der Beklagten die im Kündigungszeitraum frei gewordene Hinterhaus-Wohnung nicht angeboten hat. Mit den drei nach Ablauf der Kündigungsfrist angebotenen Wohnungen hat die Klägerin ihre Anbietpflicht nicht erfüllt. Sie hätte der Beklagten die 44 qm-Wohnung anbieten müssen (siehe oben).

Die Anbietpflicht beinhaltet dabei nicht, dass eine Alternativwohnung zu denselben Konditionen wie die bisherige Wohnung angeboten wird. Insofern hätte die Klägerin der Anbietpflicht Genüge getan, wenn sie die Hinterhauswohnung angeboten hätte, ohne der Beklagten die Möglichkeit einer teilgewerblichen Nutzung einzuräumen. Die Klägerin hat nachvollziehbar vorgetragen, dass sie keine Erlaubnis für eine teilgewerbliche Nutzung erteilt hätte. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Klägerin anderen Mietern eine solche Erlaubnis erteilt hätte, eine Pflicht der Vermieterin der Beklagten eine solche Nutzung zu ermöglichen, bestand nicht.”

AMV im Lichte der Presse:

 

staaken.info am 23.06.2020 – Für ADO-Abrechnungen 2018 bei “GSW-Altmietern”: Gewobag schreibt Betriebskosten gut!

Es lohnt sich immer, die alljährliche Abrechnung der Betriebskosten kritisch zu betrachten und dann auch mal einen Blick in den Mietvertrag zu werfen. Das gilt zur Zeit ganz besonders für die „neuen“ Gewobag-Mieter aus den „alten ADO-Beständen“ im Stadtteil, die ihren Mietvertrag noch mit der GSW abgeschlossen haben. Denn, wie der Alternative Mieter- und Verbraucherschutzbund AMV mitteilt, wurden – nach Widerspruch – schon ganz nette Sümmchen gutgeschrieben, für diverse Kostenpositionen in den Abrechnungen des Jahres 2018.

Dabei handelt es sich um Kostenanteile für Objektsicherheit und verschiedene Wartungskosten, die allesamt im Mietvertrag nicht aufgeführt sind, wie die Wartung von Brandschutz- und Sprinkleranlagen, von Entlüftung, Rauch- und Wärmeanlagen, von Netzersatzanlagen, Automatiktüren und Türanlagen.

Die Nebenkostenabrechnungen für das Jahr 2018 wurden i.d.R. im Oktober 2019 noch von der ADO erstellt. Da die Gewobag jedoch die Eigentümergesellschaften Ofek 1-11 übernommen hat (siehe Alle drin! Beim ADO-Gewobag-Deal v. 11.11.2019) ist auch die Gewobag Adressat für eventuelle Einwände und Erstattungsansprüche.

Noch ist Zeit genug, sich mit der Betriebskostenabrechnung 2018 und dem Mietvertrag unter dem Arm auf den Weg zu machen, zum Beispiel zur:

Mieterberatung des AMV
im Auftrag des Bezirksamts Spandau
montags von 16 bis 19 Uhr
Stadtteilzentrum Obstallee 22E.

Kontakt AMV

Alternativer Mieter- und Verbraucherschutzbund e.V.
Tel.: 030-68 83 74 92 | 0170-237 17 90
Email: information.amv@gmail.com
Web: mieter-verbraucherschutz.berlin

https://www.staaken.info/2020/06/gewobag-schreibt-betriebskosten-gut/

AMV im Lichte der Presse:

 

Spandauer Volksblatt am 21.06.2020: BVV setzt Milieuschutzgebiete für Altstadt und Wilhelmstadt fest

Luxussanierungen verhindern

Jetzt ist es offiziell. Spandau bekommt mit der Altstadt und Teilen der Wilhelmstadt seine ersten Milieuschutzgebiete. Die BVV hat den Entwürfen aus dem Bezirksamt für die Milieuschutzverordnungen zugestimmt.

Fast drei Jahre hat es gedauert. Es wurde beantragt, diskutiert, geprüft, analysiert, im Bezirksamt beschlossen und wieder diskutiert. Nun ist es soweit. Die Altstadt/Neustadt und große Teile der Wilhelmstadt werden als Milieuschutzgebiete festgeschrieben. Das haben die Bezirksverordneten entschieden. Ihr finales Votum war nötig, denn will ein Bezirk ein Gebiet unter Schutz stellen, muss die BVV eine Milieuschutzverordnung erlassen.

44.000 Mieter profitieren

Im konkreten Fall also gleich zwei. Damit stehen insgesamt 44.000 Mieter in der Altstadt und in Wilhelmstadt unter besonderem Schutz. Das Bezirksamt kann aufwendige Modernisierungen und Umwandlungen von Miet- in Eigentumswohnungen untersagen, Luxussanierungen verhindern und hat das Vorkaufsrecht bei Wohnungen oder Grundstücken. Ziel solcher sozialen Erhaltungssatzungen ist es, preiswerte Wohnungen für wirtschaftlich schwächer gestellte Haushalte zu sichern und so die soziale Durchmischung von Wohnquartieren zu erhalten. Ausdrücklich begrüßt wird die Entscheidung von der Linksfraktion. Die hatte 2017 ein Grobscreening beantragt. „Damals ging es zunächst darum festzustellen, wo überall im Bezirk Milieuschutz von Nöten ist“, sagt Linken-Chef Lars Leschewitz. Bei aller Freude über den Erfolg wolle es seine Fraktion dabei aber nicht bewenden lassen. „Wir werden auch weitere Gebiete im Blick behalten.“ Die Siemensstadt beispielsweise.

Alle Mittel gegen Verdrängung nutzen

„Milieuschutz ist zwar kein Instrument, um Mieterhöhungen zu verhindern, schützt Mieter aber vor Verdrängung“, sagt Marcel Eupen. Der 1. Vorsitzende des Alternativen Mieter- und Verbraucherschutzbundes (AMV) hatte den parteiübergreifenden Runden Tisch „Milieuschutzgebiete in Spandau“ seit März 2018 geleitet. Die Spandauer Mieter müssten „mit allen zur Verfügung stehenden städtebaulichen Instrumenten geschützt werden“, so Eupen. Und zwar jetzt, da der Flughafen Tegel in Kürze schließe und neue Gebiete für Investoren interessant werden könnten.

https://www.berliner-woche.de/spandau/c-politik/luxussanierungen-verhindern_a277555

AMV im Lichte der Presse:

 

Berliner Abendblatt am 18.06.2020: Berlin-Spandau – Milieuschutz für Neustadt und Wilhelmstadt

Die Gefahr, dass Mieter durch teure Sanierungen aus ihren Wohnungen verdrängt werden, besteht nicht nur in der City. Nun sollen auch Haushalte in zwei Spandauer Kiezen besser geschützt werden.

Die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Spandau hat jetzt die ersten beiden Milieuschutzgebiete für den westlichsten Berliner Bezirk beschlossen – unter maßgeblicher Mitwirkung eines Stadtrats der CDU. Dabei steht die Partei Regulierungen auf dem Immobilienmarkt sonst eher kritisch gegenüber.

„Die Ausweisung der beiden Milieuschutzgebiete ist notwendig geworden, um städtebaulich unverträgliche Aufwertungsmaßnahmen zu vermeiden und die Mieter vor Verdrängung zu schützen“, sagt Baustadtrat Frank Bewig (CDU). Die rechtlichen Voraussetzungen dafür lägen vor. Das habe eine Untersuchung ergeben, die das Bezirksamt in Auftrag gegeben hat. „Danach unterliegt mittlerweile auch Spandau aufgrund der steigenden Nachfrage nach gut ausgestatteten Miet- und Eigentumswohnungen einem wachsenden Aufwertungsdruck – vor allem in den Altbaugebieten“, sagt Bewig.

Haushalte in Neustadt von Armut bedroht

Für zwei Altbaugebiete des Bezirks, die Wilhelmstadt sowie die Spandauer Neustadt, wurde jetzt der Milieuschutz beschlossen. Das Milieuschutzgebiet der Spandauer Neustadt erstreckt sich nördlich vom Falkenseer Platz rund um die Schönwalder Straße bis zum Askanierring. Dort leben etwa 18.800 Menschen in zirka 9.800 Wohnungen. Etwa 89 Prozent der Wohnungen sind einfach, aber zeitgemäß ausgestattet. Die Miete beläuft sich im Mittel auf 6,80 Euro je Quadratmeter (kalt). 17 Prozent der Haushalte haben ein Einkommen unter der Armutsgefährdungsgrenze.

Zum Milieuschutzgebiet der Wilhelmstadt gehören die Wohnquartiere rund um Pichelsdorfer Straße und Klosterstraße – von der Heerstraße im Süden bis zum Brunsbütteler Damm im Norden. Hier leben rund 23.000 Menschen in rund 14.500 Wohnungen. Rund 84 Prozent der Wohnungen sind einfach, aber zeitgemäß ausgestattet. Die mittlere Miete beläuft sich auf 7,17 Euro je Quadratmeter (kalt). Hier haben sogar 23 Prozent der Haushalte ein Einkommen unter der Armutsgefährdungsgrenze.

Viele Menschen leben teilweise schon 30 Jahre lang in ihrer Wohnung. Mit der Ausweisung der beiden Milieuschutzgebiete sind Umwandlungen von Miet- in Eigentumswohnungen in den Quartieren künftig genehmigungspflichtig. Erteilt werden Genehmigungen nur in bestimmten Fällen. Bauliche Veränderungen bedürfen ebenfalls einer Zustimmung. „Wir wollen erreichen, dass die städtebaulichen Strukturen erhalten bleiben und die Bewohner ihr Wohnquartier nicht verlassen müssen, nur weil sie sich die Miete nicht mehr leisten können“, sagt Bewig.

Stadtrat: Modernisierungen trotz Milieuschutz

„Ich habe immer gesagt, ich verschließe mich dem Instrument des Milieuschutzes nicht“, so Bewig. „Aber es muss auch gerichtsfest sein.“ Das sei nun tatsächlich gelungen. „Klar ist aber auch: Der Milieuschutz ist kein Allheilmittel“, sagt Bewig. Der Neubau preiswerter Wohnungen sei genauso nötig, um für eine Entspannung auf dem Wohnungsmarkt zu sorgen.

„Gleichzeitig wollen wir durch den Milieuschutz sinnvolle Modernisierungen nicht grundsätzlich verhindern“, so der Stadtrat. „Ich will schließlich keine Käseglocke über die Quartiere stülpen.“ Welche Umbauten in den Milieuschutzgebieten künftig noch möglich sind und welche untersagt bleiben, werde in einem Kriterienkatalog festgelegt.

Mietervertreter loben den besseren Schutz der Mieter. „Die Auswirkungen der wachsenden Stadt Berlin sind bereits seit Längerem in Spandau deutlich spürbar“, sagt Marcel Eupen, Chef des Alternativen Mieter- und Verbraucherschutzbundes (AMV). „Von daher begrüßen wir es sehr, dass Spandau nun seine ersten beiden Milieuschutzgebiete bekommt.“

Aufwertung durch TXL-Schließung

Zufrieden zeigt sich auch die Linke, die bereits im März 2017 für Milieuschutzgebiete in der Havel-Stadt geworben hatte. „Endlich kommt der Milieuschutz auch nach Spandau und genau dorthin, wo er benötigt wird“, sagt die Bundestagsabgeordnete Helin Evrim Sommer. Die Neustadt sei durch die bevorstehende Schließung des Flughafens Tegel besonders davon bedroht, dass Wohnungen baulich aufgewertet und in Eigentum umgewandelt werden. Das könnte genau wie in der Wilhelmstadt zur Verdrängung der dortigen Bevölkerung führen.

https://abendblatt-berlin.de/2020/06/21/berlin-spandau-milieuschutz-fuer-neustadt-und-wilhelmstadt/

Aus der Rubrik “Veranstaltungen”:

 

staaken.info am 18.06.2020 – Staakener Inforunde am 25. Juni: Mietendeckel vs Mietenwahnsinn

Nach gut einem Vierteljahr mit dem alles überdeckenden Thema Corona-Pandemie kommen nun, mit jeder Lockerung bei gleichniedrigen Werten der Neuinfektionen, wieder peut à peut die Probleme nach oben, die uns im Alltag belasten und oft nicht minder existenzielle Sorgen bereiten. So zum Beispiel die anhaltende Tendenz der im Schnitt enorm steigenden Wohnungsmieten und die Frage nach der Wirksamkeit von Gegenmaßnahmen, wie dem Berliner Mietendeckel. Sachkundige Infos und Antworten auf ihre Fragen gibt es kommende Woche Do 25. Juni 18 Uhr im Stadtteilzentrum Obstallee! Aber nur nach vorheriger Anmeldung, mit Maske und Abstand.

Zu der Veranstaltung laden ein, die zwei Spandauer Parlametarierinnen der Linksfraktionen, aus dem Abgeordnetenhaus Franziska Leschewitz und aus dem Bundestag, Helin Evrim Sommer, die sich gerade in den zurückliegenden Auseinandersetzungen um die Miethöhe im Zusammenhang des ADO-Gewobag-Deals besonders für die Mieter in unserer Großwohnsiedlung engagiert hat.

Als Spezialisten mit dabei der Referent für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen, der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, Dr. Guido Brendgens, wie auch der bei uns in der Großwohnsiedlung von den montäglichen Mieterberatungssprechstunden und von vielen Treffen, Aktionen und Veranstaltungen der Mieterinitiativen und -gruppen wohlbekannt Marcel Eupen vom Alternativen Mieter- und Verbraucherschutzbund AMV.

Eine perfekte Gelegenheit – nach vorheriger Anmeldung und mit Registrierung – das Thema der Wirksamkeit des Mietendeckels sowohl grundsätzlich und als sozialpolitisches Thema zu betrachten wie auch die Mängel, Hürden und Lücken zu hinterfragen.

Mietendeckel vs Mietenwahnsinn
Information & Diskussion
Donnerstag 25. Juni 18 Uhr
nur mit Anmeldung |Registrierung |Mund-Nasen-Schutz
Stadtteilzentrum Obstallee 22E

Kontakt für Anmeldung:
Bürgerbüro Helin Evrim Sommer
Reisstr. 21 | 13629 Berlin
Tel.: 030-23 56 41 77
Email: helin-evrim.sommer.ma05@bundestag.de

https://www.staaken.info/2020/06/mietendeckel-vs-mietenwahnsinn/#more-515275

Aus der Rubrik “Mietenpolitik”:

rbb24.de am 18.06.2020: Neuvermietungen in Berlin – Wenn die Schattenmiete 100 Prozent über dem Mietendeckel liegt Vor einem Jahr hat Rot-Rot-Grün in Berlin den Mietendeckel beschlossen. Nun treibt er Blüten. Neuverträge werden meist mit zwei Mietpreisen ausgegeben: einem gedeckelten und einem marktüblichen. Die Unterschiede können gewaltig sein.

Die Wohnung wäre wie gemacht für Charlotte Christ und ihre kleine Familie. Vier Zimmer bedeuten, dass sie und ihr Lebensgefährte nicht länger in einer Nische schlafen müssen und der zweijährige Sohn trotzdem ein eigenes Kinderzimmer hat. Der Umzug ginge schnell und die Adresse würde sich nicht ändern; die Wohnung ist im selben Haus. “Die Wohnung soll 996 Euro warm kosten. Das wäre für uns okay”, sagt sie. “Aber ohne Deckelung liegt die Miete bei 1.460 Euro warm. Das wäre zu viel für uns.”

Die niedrigere Miete hat Bestand unter dem Mietendeckel, der vor einem Jahr vom Senat beschlossen wurde, um den heißgelaufenen Berliner Wohnungsmarkt abzukühlen. Die höhere Miete steht in dem Vertrag, da noch gar nicht sicher ist, ob diese Maßnahme mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Dies wird das Bundesverfassungsgericht entscheiden. Fällt der Mietendeckel, wäre der Umzug für Christ und ihren Partner ein teurer Fehler. Denn dieser Preis liegt außerhalb ihres Budgets. Zudem soll dann laut Vertrag die höhere Miete rückwirkend gelten. “Das ist wie Poker spielen. Mit einem Kleinkind würde ich dieses Risiko nicht eingehen.”

Wer jedoch auf der Suche nach einer neuen Mietwohnung ist, hat in den vergangenen Monaten keine Entspannung erlebt. Sondern das Gegenteil. Derzeit sind fast nur Wohnungsangebote zu finden, in denen zwei Mietpreise ausgewiesen sind. Der derzeit höchstmögliche sowie ein zweiter, der den potenziellen Marktwert darstellt. Mietervereine sprechen von einer sogenannten Schattenmiete. Je beliebter die Lage, desto verzerrter das Bild, das vom Berliner Wohnungsmarkt entsteht. “Diese Klausel ist eigentlich immer drin”, sagt Christ über Wohnungsbesichtigungen in den vergangenen Wochen. “Ich kann da auch die Vermieter verstehen. Aber da steht ja immer ‘rückwirkend’. Deswegen muss ich immer mit dem höheren Betrag rechnen.”

Wann das Bundesverfassungsgericht über den Mietendeckel entscheiden wird, ist unklar. Ein Urteil liegt noch Monate in der Zukunft, sehr wahrscheinlich sogar Jahre. In der Zwischenzeit führen Neumieter wie Vermieter gedanklich doppelt Buch. Dabei laufen Summen an, die für beide Seiten gravierende Unterschiede darstellen. Auf beiden Seiten beschäftigen existenzielle Fragen die Gedankenwelt. Übernehme ich mich mit dieser Wohnung? Funktioniert mein Geschäftsmodell noch?

Einen Tipp abzugeben, wie das Bundesverfassungsgericht entscheiden wird, ist derzeit wie ein Blick in die Glaskugel. Doch Anfang März zuckte darin ein scheuer Blitz auf. Seitdem ist zumindest der Blick auf die Schattenmieten etwas erhellt. Berliner Vermieter wollten damals per Eilantrag gegen bestimmte Bußgelder vorgehen, die nach dem Mietendeckelgesetz gegen sie verhängt werden dürfen. Sie scheiterten. Sie müssen sich an den Strafkatalog halten, zumindest so lange, bis endgültig über den Mietendeckel entschieden ist. Das Urteil enthielt aber auch folgenden Hinweis.

Entgegen dem Vorbringen der Antragstellenden ist auch nicht erkennbar, dass Vermieterinnen und Vermieter […] daran gehindert wären, sich für den Fall der Verfassungswidrigkeit des Gesetzes oder Teilen desselben bei Neuvermietungen eine höhere Mieten versprechen zu lassen […]“

Mit anderen Worten: Dass zwei Mietpreise in neuen Verträgen stehen, halten die Karlsruher Richter erst einmal für mit dem Mietendeckel vereinbar. Aber auch wieder nur so lange, bis endgültig über die Verfassungsmäßigkeit des Berliner Gesetzes entschieden ist. Ob diese Schattenmiete aber auch rückwirkend verlangt werden darf, wird durch den Blick in diese Glaskugel nicht deutlich.
Die Linke hält Schattenmieten für illegal

Gaby Gottwald, wohnungspolitische Sprecherin der Linken im Abgeordnetenhaus, ist eine glühende Verfechterin des Mietendeckels. Scheitert er, stände ihre Partei vor einem Scherbenhaufen. Dass in neuen Mietverträgen zwei Preise zu finden sind, bezeichnet sie als “recht geballten Versuch, den Mietendeckel zu umgehen”. Schließlich hätten die Immobilienverbände ihren Mitgliedern einheitliche Formulierungen zur Verfügung gestellt. Die Schattenmieten bezögen sich allerdings auf Miethöhen, die nach dem neuen Berliner Gesetz nicht zulässig seien, sagt Gottwald. “Das hat man sich schön ausgedacht. Wir halten das für verboten.”

Dass es keine Rechtssicherheit gibt, gelte im Übrigen auch für Mieten, die rückwirkend höher sein sollen, sagt die Politikerin. Es gebe aber eine Menge von Urteilen zu anderen Fragen, die man analog zu Hilfe nehmen könnte. Gottwald verweist etwa auf eine Entscheidung zum Mindestlohn, der seit 2014 gilt. Wäre dieser in Karlsruhe gescheitert, hätten anschließend Arbeitnehmer trotzdem nicht die Differenz zwischen dem Mindestlohn und dem bis dahin gezahlten niedrigeren Salär zurückzahlen müssen, so die Logik. Auch wenn der Arbeitgeber zwei Löhne in die Verträge geschrieben hätte. “Es gibt mehr Anhaltspunkte dafür, dass es keine Rückwirkung gibt, als dafür, dass das stimmt, was die Immobilien-Lobby sagt.”

Für strauchelnde Vermieter halte das Gesetz eine Härtefallregelung bereit, sagt Gottwald. “Diesen Fall haben wir im Gesetz verankert. Von daher kann ich das natürlich nachvollziehen”, sagt sie. “Nicht nachvollziehen kann ich, dass jeder Vermieter meint, der Mieter müsste seine Immobilie finanzieren, auch was die Kreditfrage angeht.” Die Linken-Politikerin ist der Meinung, dass es darauf kein Anrecht gebe. “Wenn Sie Eigentum bilden, warum soll das jemand anderes finanzieren?” Auch wegen solcher Ansichten schäumt die Opposition im Abgeordnetenhaus bei dem Thema. Die Fraktionen von CDU und FDP haben beim Berliner Verfassungsgericht Klage gegen den Mietendeckel eingereicht.

https://www.rbb24.de/politik/beitrag/2020/06/schattenmieten-mietendeckel-berlin-mietvertraege.html

Aus der Rubrik “Mietenpolitik”:

 

rbb24.de am 18.06.2020: Mieterverein hält Schattenmieten für unzulässig
 
Schattenmieten, Nutzungs- statt Mietverträge – und Zusatzgebühren: Der Berliner Mietendeckel treibt derzeit wilde Blüten. Was tun als Wohnungssuchender? In vielen Fällen müssen am Ende die Gerichte entscheiden, sagt Reiner Wild vom Mieterverein.
 
Bei Neuverträgen gibt es ein neues Phänomen: Die sogenannte Schattenmiete. Das heißt, in der Wohnungsanzeige und im Mietvertag stehen zwei Mieten: Die laut Mietendeckel zulässige und eine Miete, die der Vermieter für den Fall verlangt, dass der Mietendeckel verfassungswidrig ist oder ausläuft. Dazu kommt der Hinweis, dass in diesem Fall außerdem die Differenz nachgezahlt werden müsse. Dürfen Vermieter das?

Da stellt sich tatsächlich die Frage: Ist das zulässig, dass man praktisch zwei Mieten verlangt, eine aktuell zu zahlende und eine, die möglicherweise gezahlt werden muss. Darüber wird gestritten. Wir als Mieterverein vertreten die Auffassung, dass das nicht geht. Das widerspricht auch Sinn und Zweck der Regelung des Mietendeckels. Vor allen Dingen ist es aus unserer Sicht nicht zulässsig nach dem AGB-Recht, also dem Recht über die allgemeinen Geschäftsbedingungen von Verträgen. Weil der Mieter eigentlich keine hinreichende Klarheit hat, welche Miete denn nun wirklich zu leisten ist und warum eine zweite Miete dahinter steht. Aber bislang haben wir keine Rechtsprechung dazu und wissen noch nicht, was die Gerichte zu dieser Frage sagen. Die Vermieterseite vertritt die Auffassung: Das ist zulässig. Aber klar ist, dass die meisten Verträge, die jetzt abgeschlossen werden, tatsächlich diese Schattenmiete haben.

Gibt es noch andere Versuche, den Mietendeckel zu umgehen?

Da gab es zahlreiche Versuche: Statt Mietverträgen werden Nutzungsverträge angeboten mit dem Hinweis, da würde der Mietendeckel gar nicht gelten. Oder ein Objekt wird als Teilgewerbe angeboten, obwohl gar kein Teilgewerbe beabsichtigt ist. Auch Möblierungszuschläge in sehr großer Höhe werden verlangt, obwohl da der Mietendeckel Rechtsklarheit hat: Sie unterliegen auch dem Mietendeckel. Allerdings muss man sagen, dass viele von diesen Strategien letztendlich wenig erfolgsversprechend sind, wenn der Rechtsweg gegangen wird und es zu gerichtlichen Auseinandersetzungen kommt.

https://www.rbb24.de/wirtschaft/beitrag/2020/06/schattenmiete-mietendeckel-mieterverein-wild-berlin.html