Archiv für den Monat: Juni 2018

Aus der Rubrik “Wohnungsbau”:

Berliner Morgenpost am 12.06.2018 – Wohnbauprojekt in Spandau: Drei Zimmer, Balkon, 750 Euro

In den Pepitahöfen in Hakenfelde rollen die ersten Umzugswagen. Es ist eines der größten kommunalen Wohnungsbauprojekte Berlins.

Block eins, sieben und acht sehen schon so aus, als könne man drin wohnen, auch wenn der Baustellencharakter längst nicht verflogen ist. An den anderen fünf Gebäudekomplexen, die zusammen die Pepitahöfe bilden, wird heftig gebaut, teils fehlen noch die Fenster. Doch bis Ende September, spätestens zum Jahreswechsel, soll eines der größten kommunalen Wohnungsbauprojekte Berlins mit 1024 Wohnungen fertig sein: die Pepitahöfe im Spandauer Ortsteil Hakenfelde. In diesen Tagen ziehen die ersten Mieter in den ersten fertigen Bauabschnitt mit 420 Wohnungen ein.

https://www.morgenpost.de/bezirke/spandau/article214551303/Wohnbauprojekt-in-Spandau-Drei-Zimmer-Balkon-750-Euro.html

Aus der Rubrik “Wissenswertes”:

Stellen Bohrungen in die Glasleisten der Fenster eine Substanzverletzung dar und sind nicht mehr dem vertragsgemäßen Gebrauch zuzurechnen?

Die Antwort des Amtsgerichts Witten (AG Witten – 2 C 684/17, Urteil vom 12.04.2018) lautet: Ja!

Zur Begründung führt das Amtsgericht Witten in seiner vorgenannten Entscheidung unter I. 1. wie folgt aus: “Der Beklagte hat gegen den Kläger zu 2) einen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 383,90 EUR gemäß §§ 535280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB wegen der beschädigten Glasleisten der Fenster.

Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Mietverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstandenen Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

a) Der Kläger zu 2) hat seine Nebenpflichten nach § 241 Abs. 2 BGB verletzt. Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten. Dem Mietverhältnis immanent ist die Pflicht des Mieters die Mitsache pfleglich zu behandeln. Dieser Pflicht ist der Kläger zu 2) nicht in ausreichendem Maße nachgekommen. Die Bohrungen in die Glasleisten der Fenster stellen eine Substanzverletzung dar (AG Spandau, Urteil vom 26.10.2007 – Az. 3b C 715/06).

b) Der Kläger zu 2) hat die Pflichtverletzung auf Grund fahrlässigen Verhaltens zu vertreten. Der Schuldner hat gemäß § 276 Abs. 1 Alt. 2 BGB Fahrlässigkeit zu vertreten, wenn eine strengere oder mildere Haftung weder bestimmt noch aus dem sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses, insbesondere aus der Übernahme einer Garantie oder eines Beschaffungsrisikos, zu entnehmen ist. Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt, § 276 Abs. 2 BGB. Auch für den Laien ist erkennbar, dass die Substanz der Fenster durch das Anbohren an sensiblen Stellen beschädigt wird und die Bohrlöcher nicht ohne Weiteres wieder verschlossen werden können (AG Spandau, Urteil vom 26.10.2007 – Az. 3b C 715/06). Das Anbohren von vier Fenstern an jeweils vier Stellen fällt auch nicht mehr unter den vertragsgemäßen Gebrauch gemäß § 538 BGB. Danach hat der Mieter Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache, die durch den vertragsgemäßen Gebrauch herbeigeführt werden, nicht zu vertreten. Bohrlöcher an Gegenständen sind anders als gewöhnliche Dübellöcher in vertretbarer Anzahl nicht mehr dem vertragsgemäßen Gebrauch zuzurechnen (Schmidt-Futterer/Langrenberg, 13. Aufl. 2017, § 538 BGB Rn. 49 f.).

c) Die Pflichtverletzung ist rechtswidrig. Insbesondere hat der Beklagte nicht seine Einwilligung in das Anbohren der Fenster erklärt. Die Einwilligung ist die vorherige Zustimmung (§ 183 S. 1 BGB) zu der vorzunehmenden Handlung, welche im Fall des Schadensersatzes die Rechtswidrigkeit entfallen lässt. Der für das Vorliegen einer Einwilligung des Beklagten darlegungs- und beweisbelastete Kläger zu 2) konnte den entsprechenden Nachweis nicht führen. Dies steht zur Überzeugung des Gerichts fest auf Grund des Ergebnisses der uneidlichen Zeugenvernehmungen. Nach dem in § 286 Abs. 1 S. 1 ZPO normierten Grundsatz der freien Beweiswürdigung ist ein Beweis erbracht, wenn das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Ergebnisses der Beweisaufnahme und der sonstigen Wahrnehmungen in der mündlichen Verhandlung von der Richtigkeit einer Tatsachenbehauptung überzeugt ist. Die danach erforderliche Überzeugung des Richters gebietet keine absolute oder unumstößliche Gewissheit und auch keine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit, es reicht vielmehr ein für das praktische Leben brauchbarer Grad an Gewissheit aus, der vernünftigen Zweifeln Schweigen gebietet (BGH, Urteil 17.02.1970 – Az. III ZR 139/67; Urteil vom 28.01.2003 – Az. VI ZR 139/02 ). Dies ist vorliegend nicht der Fall.

Der Zeuge Jörn K3 hat bekundet, er könne sich nicht genau an die Person erinnern, welche bei der Montage der Plissees in der Wohnung gewesen sei. Insbesondere konnte er nicht mehr genau sagen, ob die Person der Beklagte gewesen sei.

Das Gericht hat keine Bedenken an der glaubhaften Aussage des glaubwürdigen Zeugen. Der Zeuge, der sich an viele Details der Montage und Demontage der Plissees noch erinnern konnte, gab gleichzeitig Erinnerungslücken zu.

d) Es ist ein Schaden in Höhe von 383,90 EUR entstanden.

Ist unter den Parteien streitig, ob ein Schaden entstanden ist und wie hoch sich der Schaden oder ein zu ersetzendes Interesse belaufe, so entscheidet hierüber das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung, § 287 Abs. 1 S. 1 ZPO.

Die Vorschrift verzichtet für bestimmte Anspruchsvoraussetzungen, die nicht den Grund, sondern den Umfang der Haftung betreffen, auf das Erfordernis des Wahrheitsbeweises nach § 286 ZPO. Der Richter darf Wahrscheinlichkeitsbetrachtungen anstellen und zu Schätzungen greifen. Ob und wie er Beweis erhebt, steht in seinem Ermessen. Das Gericht soll die Schadenshöhe frei schätzen, wobei in Kauf genommen wird, dass die richterliche Schätzung mit der Wirklichkeit nicht übereinstimmt. Die Schätzung ist jedoch dann unzulässig, wenn sie mangels greifbarer, vom Kläger vorzutragender Anhaltspunkte “völlig in der Luft hängen” würde (Zöller/Greger, 32. Aufl. 2018, § 287 ZPO Rn. 1 f., 4).

Die Schätzung orientiert sich an den vorgelegten Rechnungen der M. H. und L. H. GbR sowie der Firma P.”

Aus der Rubrik “Mietenpoltik”:

Berliner Zeitung am 10.06.2018: Reaktionen zu Mieten in Zossener Straße – “Wir werden das nicht auf sich beruhen lassen”

Der Bericht der Berliner Zeitung über hohe Mietforderungen der Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM) in der Zossener Straße 18 in Kreuzberg hat Folgen. Abgeordnete von Linken und Grünen fordern Konsequenzen. „Die Mieterhöhungen müssen zurück genommen werden“, sagt die Linken-Abgeordnete Gaby Gottwald. „Wir werden das nicht auf sich beruhen lassen.“ Und die Grünen-Abgeordnete Katrin Schmidberger fordert auf dem Nachrichtenkanal Twitter, die Mieten müssten „sozial gestaltet werden.”

https://www.berliner-zeitung.de/berlin/reaktionen-zu-mieten-in-zossener-strasse–wir-werden-das-nicht-auf-sich-beruhen-lassen–30596946

Aus der Rubrik “Mietenpoltik”:

Berliner Zeitung am 08.06.2018: Kommentar zu Mieterhöhungen – Das merkwürdige Geschäftsgebahren der WBM

Es ist schon merkwürdig: Die landeseigenen Wohnungsunternehmen mit ihren rund 300.000 Wohnungen sind das wichtigste Instrument der rot-rot-grünen Landesregierung, um eine soziale Mietenpolitik in Berlin durchzusetzen. Doch immer wieder sind sie für eine unliebsame Überraschung gut. Diesmal ist es die Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM), die Mieter eines per Vorkaufsrecht erworbenen Hauses in der Zossener Straße in Kreuzberg schlechter behandelt als die übrigen Mieter.

https://www.berliner-zeitung.de/politik/meinung/kommentar-zu-mieterhoehungen-das-merkwuerdige-geschaeftsgebaren-der-wbm-30583846

Aus der Rubrik “Wissenswertes”:

Kann der Berliner Mietspiegel 2017 zur Ermittlung der Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete herangezogen werden?

Die Antwort des Amtsgerichts Spandau (AG Spandau – 10 C 507/17, Urteil vom 31.05.2018) lautet: Ja!

Zur Begründung führt das Amtsgericht Spandau in seiner vorgenannten Entscheidung wie folgt aus: „Entgegen der Auffassung der Klägerin ist der Berliner Mietspiegel anwendbar. Das Gericht hält auch in Kenntnis der hierzu kontrovers geäußerten Rechtsauffassungen den Mietspiegel für die Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete für anwendbar. Die von der Klägerin angeführten Argumente vermögen nicht zu überzeugen. Zumindest wäre der Mietspiegel als Schätzgrundlage gem. § 278 ZPO anzuwenden.”

Aus der Rubrik “Wohnungspolitik”:

Berliner Morgenpost am 07.06.2018 – Siedlung Westend: Mieter vertrauen Deutscher Wohnen nicht

Es ist beschlossene Sache: Die Deutsche Wohnen will die Häuser, die in den Fünfzigerjahren an Dickens-, Scott- und Swiftweg für britische Soldaten gebaut wurden, spätestens ab 2020 abreißen. Erste Arbeiten haben bereits begonnen. 212 Wohnungen sollen verschwinden, 580 neue dafür gebaut werden – ein Viertel davon Sozialwohnungen mit Mietpreisbindung auf 30 Jahre. Die ersten sollen 2022 fertig sein. Allerdings verlieren dadurch 186 Mieter in Westend ihr Zuhause. Ihnen wurden gleichwertige Wohnungen in den Neubauten versprochen. Dem wollte am 07.06.2018 keiner der rund 100 Anwesenden der Einwohnerversammlung so recht glauben.

Im März unterzeichneten Charlottenburg-Wilmersdorfs Baustadtrat Oliver Schruoffeneger (Grüne) und die Deutsche Wohnen einen städtebaulichen Vertrag. Darin ist geregelt, dass die Bestandsmieter in den Neubauten nach Einzug nicht mehr als neun Euro (kalt) pro Quadratmeter zahlen. Außerdem soll eine Härtefallklausel greifen: die Bruttowarmmiete soll höchstens 30 Prozent des Haushaltsnettoeinkommens betragen.

Es gab weitere Verhandlungen im Nachgang der Einwohnerversammlung. Denn dort zeigte sich kaum einer der Anwesenden zufrieden.

Es habe zwischen der Deutschen Wohnen und dem Bezirk weitere Gespräche gegeben. Das sagte Charlottenburg-Wilmersdorfs Baustadtrat Oliver Schruoffeneger (Grüne) am 06.06.2018 auf der jüngsten Sitzung des Stadtentwicklungsausschusses der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) knapp eine Woche nach der Einwohnerversammlung. “Die Vereinbarung könnte jetzt heißen, dass die neun Euro für fünf Jahre nicht erhöht werden”, so Baustadtrat Oliver Schruoffeneger (Grüne). Das würde Schutz bis ins Jahr 2027 oder 2028 bedeuten.

https://www.morgenpost.de/bezirke/im-westen-berlins/article214507429/Siedlung-Westend-Mieter-vertrauen-Deutscher-Wohnen-nicht.html

Aus der Rubrik “Mietenpolitik”:

Berliner Zeitung am 08.06.2018: Vorkaufsrecht – Mieter in Kreuzberg müssen Rettung vor privatem Investor mitbezahlen

Die sonst übliche Kosten-Deckelung bei landeseigenen Unternehmen gilt hier nicht.

Die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften haben sich gegenüber dem Senat verpflichtet, die Mieten um nicht mehr als zwei Prozent jährlich anzuheben. Damit sollen sie preisdämpfend auf den Immobilienmarkt wirken. Doch die Zusage gilt nicht für alle Mieter, wie sich jetzt herausstellt.

Die Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM) verlangt jedenfalls in der Zossener Straße 18 in Kreuzberg bis zu 15 Prozent mehr Miete. Der Gründerzeitbau liegt in einem Milieuschutzgebiet.

https://www.berliner-zeitung.de/berlin/vorkaufsrecht-mieter-in-kreuzberg-muessen-rettung-vor-privatem-investor-mitbezahlen-30583602

Aus der Rubrik “Mietenpolitik”:

Berliner Abendschau am 07.06.2018: Mietpreisbremse – Die Linke scheitert im Bundestag

Die Linke hat am 07.06.2018 einen Gesetzentwurf im Bundestag eingebracht, mit dem die Mietpreisbremse verschärft werden soll. Demnach hätten die Vermieter bei Neuvermietung informieren müssen, wie sich die Mietehöhe zusammensetzt. In einem weiteren Antrag forderte Die Linke per Gesetz müssten Vermieter gezwungen werden, die Vormiete bei Neuvermietung zu nennen.

Den eigenen Gesetzentwurf der Linken dazu lehnte der Bundestag mit großer Mehrheit ab.

https://www.rbb-online.de/abendschau/archiv/20180607_1930/kampf-um-echte-mietpreisbremse.html

Aus der Rubrik “Wissenswertes”:

Ist die “Mietpreisbremsenvorschrift” des § 556d BGB verfassungswidrig?

Die Antwort des Landgerichts Berlin (LG Berlin – 67 S 328/17, Beschluss vom 12.04.2018) lautet: Ja!

Zur Begründung führt das Landgericht Berlin in seiner vorgenannten Entscheidung unter II. wie folgt aus: “Die Kammer ist davon überzeugt, dass § 556d BGB verfassungswidrig ist.

Sie lässt dabei weiter dahinstehen, ob die Vorschrift mit den Art. 2 Abs. 1 und Art. 14 GG unvereinbar und bereits deshalb verfassungswidrig ist (so Blankenagel/Schröder/Spoerr, NZM 2015, 1, 12, 25; Hamer/Schuldt, NZM 2018, 124; Schuldt, Mietpreisbremse. Eine juristische und ökonomische Untersuchung der Preisregulierung für preisfreien Wohnraum, Diss. Potsdam, 2017, 193 ff.).

§ 556d BGB verstößt zur Überzeugung der Kammer gegen Art. 80 Abs. 1 Satz 2 und Art.3 Abs. 1 GG. Sie nimmt insoweit Bezug auf ihren Vorlagebeschluss vom 7. Dezember 2017 (67 S 218/17, WuM 2018, 74) und macht dessen Begründung auch zum Gegenstand der hiesigen Vorlage, ohne dass dadurch die Zulässigkeit der Vorlage gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG berührt würde (vgl. BVerfG, Beschluss vom 9. März 1994 – 2 BvL 43/92BVerfGE 90, 145, Rz. 108). An ihrer Überzeugung hält die Kammer auch angesichts der im angefochtenen Urteil des Amtsgerichts und vereinzelt in der Literatur geäußerten Kritik einschränkungslos fest.

Bei § 556d BGB handelt es sich um eine mit Art. 80 Abs. 1 Satz 2 und 3 Abs. 1 GG unvereinbare Inkraftsetzungsermächtigung, die den Landesregierungen als Verordnungsadressaten auch bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des §556d Abs. 2 Satz 1 BGB vollständige politische Entscheidungsfreiheit zum Verordnungserlass einräumt. Eine derart weit gefasste Delegation des Bundesgesetzgebers ist aber nach der von der Kammer geteilten Rechtsprechung des BVerfG unzulässig und damit verfassungswidrig (vgl. Kammer, a.a.O., m.w.N.).

Einer verfassungskonformen Auslegung ist § 556d BGB insoweit aufgrund seines unmissverständlichen Wortlauts und der ebenso eindeutigen Gesetzesbegründung nicht zugänglich (vgl. Kammer, a.a.O.). Es handelt sich bei den §§ 556d ff. BGB auch um keine “Akut-Maßnahme”, die eine verfassungskonforme Auslegung im Sinne einer vom Gesetzgeber getroffenen “Programmentscheidung” gegen den ausdrücklichen Wortlaut der Norm und den in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck gebrachten Willen des Gesetzgebers rechtfertigen würde (a.A. Hamer/Schuldt, a.a.O.). Denn der Gesetzgeber hat den Landesregierungen in Kenntnis regional zum Teil bereits entgleister Wohnungsmärkte für einen – in ihr politisches Belieben – gestellten Verordnungserlass gemäß § 556d Abs. 2 Satz 4 BGB ab Inkraftreten des Gesetzes am 1. Juni 2015 einen Zeitraum von über fünfeinhalb Jahren bis zum 31. Dezember 2020 zugebilligt. Ein derartig weit gefasster Umsetzungszeitraum, nach dessen fruchtlosem Ablauf der Erlass einer Verordnung den Landesregierungen sogar untersagt ist (vgl. BT-Drucks 18/3121, S. 29), stellt das Gegenteil einer auf sofortige Umsetzung durch den Verordnungsgeber gerichteten und diesen verpflichtenden “Akut-Maßnahme” dar. Das entspricht dem zutreffenden Gesetzesverständnis mehrerer Bundesländer, deren Landesregierungen trotz zumindest nicht auszuschließender Anspannung einzelner kommunaler Wohnungsmärkte weiterhin davon absehen, die bundesgesetzliche Ermächtigung in §556d Abs. 2 Satz 1 BGB im Verordnungswege umzusetzen oder sich sogar dazu entschlossen haben, bereits erlassene Verordnungen aus politischen Gründen wieder aufzuheben (vgl. Kammer, a.a.O.,).

§ 556d BGB verstößt daneben zur Überzeugung der Kammer gegen Art. 3 Abs. 1 GG, indem er ohne hinreichende sachliche Rechtfertigung für die Bemessung der zulässigen Neu- und Wiedervermietungsmiete als Bezugsgröße auf die jeweilige – erheblichen regionalen und kommunalen Unterschieden unterworfene – ortsübliche Vergleichsmiete abstellt (vgl. Kammer, a.a.O.).

Die dagegen auch vom Amtsgericht vorgebrachte Kritik, aufgrund der Heterogenität der lokalen Wohnungsmärkte fehle es bereits an einem vergleichbaren Sachverhalt (vgl. ähnlich Fleindl, in: beckonline-Großkommentar, Stand: 1. April 2018, § 556d Rz. 20; Hamer/Schuldt, a.a.O.), geht fehl. Schon die Feststellung, ob sich eine Ungleichbehandlung auf gleiche oder ungleiche Gegenstände bezieht, ist bei absoluter Betrachtung nicht möglich, da zwei Gegenstände niemals in jeder Hinsicht gleich, also identisch sein können; dann läge lediglich ein einziger Gegenstand vor (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. November 1989 – 1 BvR 1402/87NJW 1990, 2053, 2054; Kirchhoff, in: Maunz/Dürig, GG, 81. EL 2017, Art. 3 Rz. 73). Da der Vergleich zweier Gegenstände stets nur der Vergleich ihrer Eigenschaften ist, kommt es für die verfassungsrechtliche Rechtfertigungsprüfung nur auf die Sammlung derjenigen Eigenschaften an, in denen sich die betrachteten Gegenstände unterscheiden und nicht unterscheiden (vgl. Kischel, in: BeckOK GG, 36. Edition: Stand: 15. Februar 2018, Art. 3 Rz. 15 m.w.N.).

Gemessen daran knüpft der Gesetzgeber gleichheitswidrige Rechtsfolgen an einen i.S.v. Art. 3 Abs. 1 GG gleichen Regelungsgegenstand (vgl. Kammer, a.a.O.). Zu vergleichen sind nämlich Vermieter von Wohnraum in der vom Verordnungsgeber ausgewiesenen Gebietskulisse des § 556d BGB, denen am preisfreien Wohnungsmarkt die Erzielung der identischen Marktmiete möglich ist. Während Vermietern, die in einer Gemeinde mit einer vergleichsweise hohen Vergleichsmiete tätig sind, die Vereinbarung der Marktmiete gemäß § 556d Abs. 1 BGB gestattet ist, weil sie die dortige Vergleichsmiete nicht um 10% übersteigt, sind Vermieter in einer Gemeinde mit einer vergleichsweise niedrigen Vergleichsmiete trotz gleicher Marktchancen an einer entsprechenden Vereinbarung gehindert, wenn die identische Marktmiete die ortsübliche Vergleichsmiete um mehr als 10% übersteigt. Diese Ungleichbehandlung wird nicht dadurch beseitigt, dass der Gesetzgeber durch eine besonders weite Fassung des typisierten Sachverhalts äußerlich eine ungleiche Behandlung vermieden hat. Denn die gleichheitswidrige Belastungswirkung tritt unabhängig davon ein, ob der Gesetzgeber die preisrechtliche zulässige Miethöhe wie geschehen durch eine relative Anknüpfung an eine abstrakte Bezugsgröße – die jeweilige ortsübliche Vergleichsmiete – festlegt oder die Grenzen durch einen konkret ausgewiesenen, anders als etwa bei § 1 Abs. 2 MiLoG allerdings nicht bundeseinheitlichen, sondern regional und kommunal unterschiedlich hohen Betrag bestimmt (vgl. Kammer, a.a.O.).

An einem sachlichen Grund für diese Ungleichbehandlung fehlt es (vgl. Kammer, a.a.O.). Soweit dem entgegen gehalten wird, eine etwaige Ungleichbehandlung der Vermieter innerhalb und außerhalb der ausgewiesenen Gebiete beruhe auf einem sachlichen Grund, nämlich der angespannten Mietsituation auf dem jeweiligen Gemeindegebiet (so LG München I, Urt. v. 6. Dezember 2017 – 14 S 10058/17NZM 2018, 83), trifft das nicht den richtigen Bezugspunkt. Denn es ist nicht die Ungleichbehandlung der innerhalb und außerhalb der Gebietskulisse des § 556d BGB, sondern allein die der innerhalb der gesetzlichen Gebietskulisse tätigen Vermieter, die zur Überzeugung der Kammer zu einem verfassungswidrigen Verstoß gegen den auf Art. 3 Abs. 1 GG beruhenden Gleichheitsgrundsatz führt (vgl. Kammer, a.a.O.).

Schließlich verstößt § 556d BGB zur Überzeugung der Kammer auch deshalb in verfassungswidriger Weise gegen Art. 3 Abs. 1 GG, weil § 556e Abs. 1 BGB ohne sachliche Rechtfertigung diejenigen Vermieter von der Preisintervention des § 556d Abs. 1 BGB bis zur Höhe der Vormiete ausnimmt, die die Mietsache – wie die Beklagte – vor der Wiedervermietung unter Überschreitung der nunmehr durch § 556d Abs. 1 BGB angeordneten Mietobergrenze vermietet haben (vgl. Kammer, a.a.O.).

Die vom Amtsgericht und in der Literatur (vgl. Hamer/Schuldt, a.a.O, m.w.N.) vereinzelt herangezogenen Gründe des Vertrauens- und Bestandsschutzes rechtfertigen diese – mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise unvereinbare – Ungleichbehandlung nicht. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn bei der Vermietung von Wohnraum stets vom unveränderten Fortbestand der rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen auszugehen wäre. Ein solches Vertrauen ist aber noch nicht einmal bei einem Bestandsmietverhältnis begründbar und damit erst recht nicht bei einer lediglich in Aussicht genommenen Vermietung. Zudem fehlt jeglicher belastbare tatsächliche Anhaltspunkt dafür, dass das Refinanzierungskalkül der Vermieter nicht nur für die Dauer des Bestandsmietverhältnisses, sondern auch für die Zeit danach wesentlich auf der Höhe der zuvor vereinbarten Bestandsmiete beruht (a.A. Hamer/Schuldt, a.a.O.). Vermieter gehen ohnehin nicht davon aus, dass die rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, die bei Begründung des Mietverhältnisses zur Bildung der vereinbarten – oder der vom Veräußerer übernommen – Bestandsmiete geführt haben, nach Beendigung des Mietverhältnisses unverändert fortbestehen. Die Einführung der §§ 556d ff. BGB war allenfalls geeignet, das Vertrauen in den Bestand der vorherigen Gesetzeslage zu betreffen, auch weiterhin wirksam eine freie und lediglich durch die §§ 134138 BGB, 5 WiStrG, 291 StGB beschränkte Vereinbarung über die Miethöhe treffen zu können. Dieses Vertrauens indes war nicht allein bei den durch §556e Abs. 1 BGB privilegierten, sondern bei sämtlichen in der Gebietskulisse des § 556dBGB tätigen Vermietern berechtigt (vgl. Kammer, a.a.O.,).”

Aus der Rubrik “Mietenpolitik”:

 

ZEIT ONLINE am 06.06.2018: MietpreisbremseMutige Mieter gesucht

Die Vorschläge der Justizministerin zur Mietpreisbremse gehen der Union zu weit, dem Mieterbund nicht weit genug. Doch ohne mutige Mieter bringt das beste Gesetz nichts.

In einem sind sich alle einig: Die Mietpreisbremse funktioniert nicht, wie sie soll. Nun hat Justizministerin Katarina Barley (SPD) einen Gesetzentwurf erstellen lassen, der den rasant steigenden Mieten wirklich Einhalt gebieten soll. Die Vorschläge unterscheiden sich kaum von denen, die bereits im Koalitionsvertrag vereinbart wurden. Trotzdem kommt von der Union Kritik – einerseits, weil die Sozialdemokraten den Entwurf an die Medien weitergegeben haben, andererseits, weil die Christdemokraten unzufrieden mit dem Inhalt des Papiers sind.

Laut Entwurf soll der Vermieter in Zukunft viel klarer Auskunft darüber geben müssen, weshalb er eine unüblich hohe Miete verlangt. Noch bevor ein Mietvertrag unterschrieben ist, soll der Vermieter den Interessenten mitteilen, warum seine Miete höher als zehn Prozent über dem örtlichen Mietspiegel liegt. Solche Gründe können Neubau, Modernisierung oder eine ohnehin höhere Vormiete sein. Damit könnten Mieter künftig besser abschätzen, ob sich der Vermieter an die Mietpreisbremse hält. Wahrscheinlich hätte die neue Regelung dadurch auch eine abschreckende Wirkung auf Eigentümer und Hausverwaltungen.

Die Union jedoch kritisiert diese generelle Auskunftspflicht. Die Konservativen wollen, dass die Vermieter nur dann unaufgefordert Auskunft geben müssen, wenn die Vormiete bereits zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete lag. Das teilte der stellvertretende rechtspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Jan-Marco Luczak, mit. “Dass die Bundesjustizministerin daraus nun eine generelle Auskunftspflicht macht und zukünftig Vermieter allumfassend über Höhe und Grund der verlangten Miete unaufgefordert Auskunft geben müssen, schießt weit über das Ziel hinaus.”

Die Chancen stehen schlecht, dass Justizministerin Barley das Gesetz in der jetzigen Form durchbringen kann. Dazu benötigt sie die Zustimmung des Koalitionspartners. Schon in der vorigen Legislaturperiode war eine Novelle der Mietpreisbremse am Widerstand von CDU und CSU gescheitert, sodass man sich im neuen Koalitionsvertrag nur auf einen Minimalkompromiss einigen konnte. In diesem Kontext ist nun zu verstehen, weshalb die SPD den Gesetzentwurf an die Medien weitergegeben hat, obwohl der noch nicht mit der Union abgestimmt war. Die Botschaft lautet wohl: Seht her, wir wollen mehr, aber die Union lässt uns nicht.

 

https://www.zeit.de/wirtschaft/2018-06/mietpreisbremse-katarina-barley-union-mieterbund-kontroverse