Archiv für den Monat: November 2018

Aus der Rubrik “Wohnungspolitik”:

 

Spandauer Volksblatt am 22.11.2018: Gegen den Leerstand

Leer stehende Häuser oder Wohnungen sind in vielen Bezirken ein Problem. Wenn der Leerstand nicht gemeldet oder genehmigt wurde, können die Bezirksämter Amtsverfahren gegen die Eigentümer oder Vermieter einleiten. In Spandau sind aktuell 173 solcher Verfahren wegen Leerstand oder des Verdachts auf Leerstand anhängig. 136 Amtsverfahren hat das Bezirksamt wegen des Verstoßes gegen das Zweckentfremdungsverbot zu laufen. Das teilte der zuständige Stadtrat Stephan Machulik (SPD) jetzt auf Nachfrage der Linksfraktion in der BVV mit. Das Bezirksamt kann in solchen Fällen ein Zwangsgeld verhängen, denn der spekulative Leerstand ist in Berlin illegal – sofern er nicht genehmigt wurde. In den meisten Fällen würde die Androhung jedoch ausreichen, sagte der Stadtrat, das heißt, der Vermieter oder Eigentümer reagiert vor dem Zwangsgeld. Das Zweckentfremdungsverbot-Gesetz ist in Berlin im Dezember 2013 in Kraft getreten, um vorhandenen Wohnraum vor der Umwandlung in Gewerberaum, Ferienwohnungen und vor Abriss und Leerstand zu schützen.

https://www.berliner-woche.de/spandau/c-bauen/gegen-den-leerstand_a190258

Aus der Rubrik “Mieterinformationen”:

 

Berliner Zeitung am 21.11.2018: Karl-Marx-Allee – Deutsche Wohnen plant klärendes Gespräch mit den Mietern

Nach tagelangem Schweigen hat sich die Deutsche Wohnen am 21.11.2018 erstmals zum Kauf von rund 700 Wohnungen an der Karl-Marx-Allee geäußert.

https://www.berliner-zeitung.de/berlin/karl-marx-allee-deutsche-wohnen-plant-klaerendes-gespraech-mit-den-mietern–31629024

Aus der Rubrik “Wissenswertes”:

 

Kann ein Mieter seine Zustimmung zu einer vom Vermieter verlangten Anpassung der Miete an die ortsübliche Vergleichsmiete widerrufen?

Die Antwort des Bundesgerichtshofs (BGH – VIII ZR 94/17, Urteil vom 17.10.2018) lautet: Nein!

Zur Begründung führt der Bundesgerichtshof in seiner vorgenannten Entscheidung unter II. wie folgt aus:

11 „ Der vom Kläger gemäß § 355 Abs. 3 Satz 1, § 357 Abs. 1, § 312gAbs. 1, § 312c BGB (in der hier maßgeblichen Fassung des seit dem 13. Juni 2014 geltenden Gesetzes zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie und zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Wohnungsvermittlung vom 20. September 2013, BGBl. I S. 3642) geltend gemachte Anspruch auf Rückgewähr der gezahlten Mieterhöhungsbeträge ist ebenso wie das Feststellungsbegehren (§256 Abs. 1 ZPO) nicht begründet.
12 Der Kläger ist an die von ihm erklärte Zustimmung (§ 558b Abs. 1 BGB) zu dem Mieterhöhungsverlangen der Beklagten vom 17. Juli 2015 (§ 558a Abs. 1 BGB) gebunden. Der am 27. August 2015 erklärte Widerruf der Zustimmung zu der verlangten Mieterhöhung ist nicht wirksam, weil insoweit der Anwendungsbereich des Widerrufsrechts bei Fernabsatzverträgen nicht eröffnet ist.
13 Zwar steht dem Verbraucher auch bei im Fernabsatz geschlossenen Verträgen über die Vermietung von Wohnraum (§ 312 Abs. 4 Satz 1 BGB) gemäß § 312 Abs. 3 Nr. 1, 7 BGB ein Widerrufsrecht nach §§ 312c312g Abs. 1, § 355 BGB zu. Bei Vereinbarungen der Mietvertragsparteien über die Erhöhung der Wohnraummiete bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete (§ 558a Abs. 1, § 558b Abs. 1 BGB) ist jedoch eine Einschränkung geboten. Obwohl der Wortsinn des § 312Abs. 4 Satz 1 BGB auch solche Vereinbarungen erfasst, ist der Anwendungsbereich der § 312 Abs. 4 Satz 1, § 312c BGB mit Rücksicht auf den Regelungszweck der Bestimmungen über die Mieterhöhung bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete und der Vorschriften über das Widerrufsrecht des Verbrauchers bei Fernabsatzverträgen im Wege der teleologischen Reduktion einzuschränken. Nach dieser Maßgabe ist ein Widerrufsrecht des Verbrauchers bei Fernabsatzverträgen im Hinblick auf eine Zustimmungserklärung zu einer vom Vermieter verlangten Erhöhung der Miete bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete (§ 558a Abs. 1, § 558bAbs. 1 BGB) nicht gegeben.
14 1. Das Berufungsgericht hat hingegen rechtsfehlerhaft angenommen, die Bestimmungen des Fernabsatzrechts fänden zwar grundsätzlich auf die gemäß § 558b Abs. 1 BGB erklärte Zustimmung des Mieters zu einem Mieterhöhungsverlangen nach § 558a Abs. 1 BGB Anwendung, die sachlichen Voraussetzungen des § 312c Abs. 1 BGB seien im hier gegebenen Fall jedoch nicht erfüllt, weil die Parteien des Rechtsstreits keinen Fernabsatzvertrag (§ 312c Abs. 1 BGB) geschlossen hätten.
15 Nach der vorbezeichneten Vorschrift sind Fernabsatzverträge Verträge, bei denen der Unternehmer oder eine in seinem Namen oder Auftrag handelnde Person – hier die Hausverwaltung – und der Verbraucher für die Vertragsverhandlungen und den Vertragsschluss ausschließlich Fernkommunikationsmittel verwenden, es sei denn, dass der Vertragsschluss nicht im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems erfolgt. Das Berufungsgericht hat insoweit darauf abgestellt, im gegebenen Fall sei die Vereinbarung über die Mieterhöhung nicht im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems der Beklagten getroffen worden (§ 312c Abs. 1 Halbs. 2 BGB). Diese Beurteilung wird jedoch von den tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht getragen.
16 a) Noch zutreffend und von der Revision unbeanstandet hat das Berufungsgericht insoweit angenommen, dass die Beklagte als Kommanditgesellschaft Unternehmerin (§ 14 Abs. 1, 2 BGB) ist und der Kläger die Mieterhöhungsvereinbarung als Verbraucher (§ 13BGB) abgeschlossen hat.
17 b) Auch sind im Streitfall zum Abschluss der Mieterhöhungsvereinbarung, bei der das Angebot des Vermieters nach Maßgabe des § 558a Abs. 1 BGB abgegeben und die Annahme – als Ausdruck des Prinzips der Vertragsfreiheit – durch den Mieter nach §558b Abs. 1 BGB erklärt wird (Senatsbeschluss vom 30. Januar 2018 – VIII ZB 74/16NJW-RR 2018, 524 Rn. 11; siehe auch Senatsurteile vom 18. November 2015 – VIII ZR 266/14BGHZ 208, 18 Rn. 28; vom 10. November 2011 – VIII ZR 300/09NJW 2011, 295 Rn. 14; vom 7. Februar 2007 – VIII ZR 122/05NZM 2007, 283 Rn. 16), ausschließlich Fernkommunikationsmittel eingesetzt worden, ohne dass die Vertragsparteien gleichzeitig anwesend waren. Die Beklagte hat dem Kläger das Mieterhöhungsverlangen, welches gemäß § 558aAbs. 1 BGB in Textform zu erklären ist, postalisch unterbreitet (vgl. § 312c Abs. 2 BGB). Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat sich auch der Kläger – unabhängig davon, dass das Einverständnis des Mieters zu seiner Wirksamkeit nicht der Abgabe in schriftlicher Form bedarf (Senatsbeschluss vom 30. Januar 2018 – VIII ZB 74/16, aaO Rn. 11, 14 mwN) – der Briefform bedient. Persönliche, der Annahme eines Vertragsschlusses “unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln” entgegenstehende Kontakte (vgl. BGH, Urteil vom 27. Februar 2018 – XI ZR 160/17NJW 2018, 1387Rn. 20 f. mwN [zu § 312b Abs. 1 Satz 1 BGB in der bis zum 12. Juni 2014 geltenden Fassung]; Palandt/Grüneberg, BGB, 77. Aufl., § 312c Rn. 4) hat das Berufungsgericht nicht festgestellt.
18 c) Im Ansatz ebenfalls zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass ein Fernabsatzvertrag nicht immer schon dann anzunehmen ist, wenn der Vertrag unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln zustande gekommen ist, sondern nur dann, wenn dies im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- und Dienstleistungssystems geschieht (§ 312c Abs. 1 Halbs. 2 BGB), wobei der Unternehmer die tatsächlichen Voraussetzungen dieses gesetzlich als Ausnahmetatbestand formulierten Falles darzulegen und erforderlichenfalls zu beweisen hat (BGH, Urteil vom 12. November 2015 – I ZR 168/14WM 2016, 968Rn. 28; siehe auch die Begründung zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie und zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Wohnungsvermittlung, BT-Drucks. 17/12637, S. 50).
19 aa) Der Gesetzgeber ist dabei, wie auch das Berufungsgericht nicht verkannt hat, davon ausgegangen, die Existenz eines organisierten Fernabsatzsystems verlange, dass der Unternehmer mit – nicht notwendig aufwendiger – personeller und sachlicher Ausstattung innerhalb seines Betriebs die organisatorischen Voraussetzungen geschaffen hat, die notwendig sind, um regelmäßig im Fernabsatz zu tätigende Geschäfte zu bewältigen. Dabei sind an die Annahme eines solchen Vertriebs- oder Dienstleistungssystems insgesamt keine hohen Anforderungen zu stellen (BT-Drucks., aaO). Nur Geschäfte, die unter gelegentlichem, eher zufälligem Einsatz von Fernkommunikationsmitteln geschlossen werden, sollen aus dem Anwendungsbereich des Fernabsatzwiderrufs ausscheiden; die Abgrenzung im Einzelfall ist der Rechtsprechung vorbehalten (Begründung zum Regierungsentwurf eines Gesetzes über Fernabsatzverträge und andere Fragen des Verbraucherrechts sowie zur Umstellung von Vorschriften auf Euro, BT-Drucks. 14/2658, S. 30 f.; siehe auch BGH, Urteil vom 7. Juli 2016 – I ZR 30/15NJW 2017, 1024 Rn. 51).
20 bb) Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht insoweit angenommen, die Mieterhöhungsvereinbarung der Parteien sei schon deshalb nicht im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems geschlossen worden, weil das briefliche Angebot der Beklagten vom 17. Juli 2015 individuell auf die konkrete Wohnung zugeschnitten und ohne Verwendung “automatisierter Software” gefertigt worden sei. Der bloße Umstand, dass eine Mieterhöhungsvereinbarung durch einen Briefwechsel zustande gekommen ist, genügt jedoch nicht, um ein für den Fernabsatz organisiertes System zu verneinen. Die davon abweichende Sichtweise des Berufungsgerichts ist weder mit dem Wortlaut des §312c Abs. 2 BGB noch mit dem Regelungszweck der verbraucherschützenden Regelungen für Vertragsabschlüsse im Fernabsatz zu vereinbaren.
21 (1) Gemäß § 312c Abs. 2 BGB sind Fernkommunikationsmittel im Sinne dieses Gesetzes alle Kommunikationsmittel, die zur Anbahnung oder zum Abschluss eines Vertrags eingesetzt werden können, ohne dass die Vertragsparteien gleichzeitig körperlich anwesend sind, wie Briefe, Kataloge, Telefonanrufe, Telekopien, E-Mails, über den Mobilfunkdienst versendete Nachrichten (SMS) sowie Rundfunk und Telemedien. Zwar mag es sein, dass es in Fällen, in denen ein Mieterhöhungsverlangen brieflich an den Mieter herangetragen wird, an einem für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- und Dienstleistungssystem fehlen kann. Allerdings unterfällt nach dem Gesetzeswortlaut des § 312c Abs. 2 BGB auch das traditionelle Kommunikationsmittel des Briefes uneingeschränkt dem Anwendungsbereich des Fernabsatzrechts. Das Gesetz unterscheidet auch nicht danach, ob es sich um einen vorgefertigten Standard- oder Serienbrief handelt oder ob sich der Brief an eine individuell bestimmte Person richtet und entsprechend formuliert ist. Zwar kann dies einen Hinweis darauf bieten, dass das anbietende Unternehmen nicht über eine hinreichende Fernabsatzorganisation verfügt (vgl. Schmidt-Futterer/Börstinghaus, Mietrecht, 13. Aufl., § 558b BGB Rn. 35b). Eine abschließende Beurteilung lässt sich jedoch ohne Berücksichtigung der Organisationsstruktur des anbietenden Unternehmens nicht treffen (vgl. MünchKommBGB/Wendehorst, 7. Aufl., § 312c Rn. 4; Erman/ Koch, BGB, 15. Aufl., § 312c Rn. 8).
22 (2) Die Sichtweise des Berufungsgerichts findet – entgegen dessen Auffassung – auch in Erwägungsgrund 20 der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. EG Nr. L 304 S. 64; nachfolgend: Verbraucherrechterichtlinie) keine Stütze. Dort heißt es lediglich: “Die Begriffsbestimmung von Fernabsatzverträgen sollte alle Fälle erfassen, in denen ein Vertrag zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher im Rahmen eines für die Lieferung im Fernvertrieb organisierten Verkaufs- oder Dienstleistungserbringungssystems geschlossen wird, wobei bis einschließlich zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ausschließlich ein oder mehrere Fernkommunikationsmittel verwendet wird/werden (z.B. Bestellung per Post, Internet, Telefon oder Fax).” Auch dort wird nicht nach dem Individualisierungsgrad eines Schreibens des Unternehmers differenziert.
23 Allerdings führte die von der Verbraucherrechterichtlinie aufgehobene Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz (ABl. EG Nr. L 144 S. 19; Fernabsatzrichtlinie, im Folgenden: Richtlinie 97/7/EG) unter anderem “vorgefertigte Standardbriefe” beispielhaft als eine Fernkommunikationstechnik im Sinne dieser Richtlinie an (Art. 2 Nr. 4 und Anhang I der Richtlinie 97/7/EG). Unbeschadet des nicht erschöpfenden und lediglich beispielhaften Charakters dieser Auflistung sehen aber weder die Verbraucherrechterichtlinie noch § 312c Abs. 2 BGB eine Beschränkung auf automatisierte postalische Korrespondenz vor.
24 (3) Gegen die vom Berufungsgericht vorgenommene Beschränkung des Anwendungsbereichs des § 312c Abs. 1 Halbs. 2, Abs. 2 BGB spricht auch der Sinn und Zweck der verbraucherschützenden Regelungen für Vertragsabschlüsse im Fernabsatz. Fernabsatzverträge sind dadurch gekennzeichnet, dass Anbieter und Verbraucher sich nicht physisch begegnen und der Verbraucher die vom Unternehmer angebotene Ware in der Regel nicht vor Vertragsschluss in Augenschein nehmen oder sich Kenntnis von den Eigenschaften der Dienstleistung verschaffen kann. Um der daraus erwachsenden Gefahr von Fehlentscheidungen des Verbrauchers zu begegnen, wurde ihm – zunächst nach Maßgabe der früher geltenden Richtlinie 97/7/EG – ein Widerrufsrecht eingeräumt (vgl. BGH, Urteile vom 19. März 2003 – VIII ZR 295/01BGHZ 154, 239, 242 f. [noch zu § 3FernAbsG]; vom 3. November 2010 – VIII ZR 337/09BGHZ 187, 268Rn. 23; vom 12. November 2015 – I ZR 168/14, aaO Rn. 30; vom 7. Juli 2016 – I ZR 30/15, aaO Rn. 43; vom 12. Oktober 2016 – VIII ZR 55/15NJW 2017, 878 Rn. 21, 52, insoweit in BGHZ nicht vollständig abgedruckt; vgl. auch den Erwägungsgrund 14 der Richtlinie 97/7/EG). Diese Sichtweise entspricht auch der nunmehr geltenden Verbraucherrechterichtlinie (vgl. deren Erwägungsgrund 37). Eine Gefahr von Fehlentscheidungen des Verbrauchers besteht jedoch nicht nur bei Standard- und Serienbriefen, sondern auch bei individuellen Anschreiben. Ob der Schutzzweck des Widerrufsrechts beeinträchtigt ist, hängt grundsätzlich nicht allein davon ab, ob der Vermieter Mieterhöhungsverlangen durch entsprechende Programmierung insgesamt automatisiert oder ob er teils vorprogrammierte und teils manuell verfasste Textbestandteile verwendet.
25 2. Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich jedoch aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Der Widerruf einer gemäß § 558b Abs. 1 BGB erklärten Zustimmung des Mieters zu einem Mieterhöhungsverlangen des Vermieters nach § 558 Abs. 1, § 558a Abs. 1 BGB ist bereits vom Anwendungsbereich des § 312 Abs. 4 Satz 1 BGB nicht erfasst.
26 a) Zwar entspricht es allgemeiner, auch vom Gesetzgeber bei Neufassung des § 312 BGB im Zuge des Gesetzes zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie und zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Wohnungsvermittlung vom 20. September 2013 (BGBl. I S. 3642) aufgegriffener und in § 312 Abs. 4 BGB konkretisierter Anschauung, dass auch Mietverträge über Wohnraum zu den von einem Widerrufsrecht bei außerhalb von Geschäftsräumen (§ 312bBGB) und im Fernabsatz (§ 312c BGB) geschlossenen Verträgen, die eine entgeltliche Leistung zum Gegenstand haben, gehören (BT-Drucks. 17/12637, S. 48). Soweit es außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge (§ 312b BGB) betrifft, steht zudem außer Frage, dass das dabei bestehende Schutzbedürfnis des Mieters auch bei einem Abschluss oder einer Änderung eines Wohnraummietvertrages gegeben sei kann (vgl. Senatsurteil vom 17. Mai 2017 – VIII ZR 29/16NJW 2017, 2823 Rn. 12, mwN [zum Widerruf einer in einer Haustürsituation geschlossenen Modernisierungsvereinbarung]).
27 b) Hingegen ist die vom Berufungsgericht im Grundsatz bejahte Frage, ob dem Mieter einer Wohnung bei einer einvernehmlichen Mieterhöhung nach Maßgabe der § 558a Abs. 1, § 558b Abs. 1 BGB ein Widerrufsrecht nach den Regelungen des Fernabsatzrechts zustehen kann, umstritten und bislang höchstrichterlich nicht entschieden.
28 aa) Teilweise wird, wovon auch das Berufungsgericht ausgegangen ist, die Anwendbarkeit des Fernabsatzrechts auf Mieterhöhungsvereinbarungen nach § 558a Abs. 1, § 558b Abs. 1 BGB namentlich aufgrund des weit gefassten Wortlauts des § 312Abs. 4 Satz 1 BGB uneingeschränkt bejaht. Danach unterfielen alle Vereinbarungen der Vertragsparteien während des laufenden Mietverhältnisses über die Miethöhe dem Anwendungsbereich der §§312 ff. BGB, sofern es sich um Verbraucherverträge handele. Aus dem Zusammenspiel der Sätze 1 und 2 in § 312 Abs. 4 BGB sowie aus den Gesetzesmaterialien ergebe sich, dass sowohl der erstmalige Abschluss eines Mietvertrages (§ 312 Abs. 4 Satz 2 BGB) als auch alle späteren Vereinbarungen im Rahmen des Mietverhältnisses von den Verbraucherschutzregelungen erfasst werden sollten. In der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 17/12637, S. 48) sei zudem die Konstellation einer Mieterhöhung, die bei einem unangemeldeten Besuch des Vermieters beim Mieter vereinbart werde, ausdrücklich als Anwendungsfall eines Widerrufsrechts genannt (vgl. Hau, NZM 2015, 435, 439; Staudinger/J. Emmerich, BGB, Neubearb. 2018, § 557 Rn. 41; BeckOK-BGB/Schüller, Stand: 1. August 2018, § 557 Rn. 10, § 558a Rn. 3; jurisPK-BGB/Junker, 8. Aufl., § 312 Rn. 134; Pitz-Paal, GE 2015, 556, 559).
29 Der Anwendbarkeit des Fernabsatzrechts stehe auch der Sinn und Zweck der Vorschriften über die Anpassung der Wohnraummiete an die ortsübliche Vergleichsmiete und über den Verbraucherwiderruf nicht entgegen, denn diese Bestimmungen ergänzten sich gegenseitig. Erstere sollten den Mieter vor inhaltlich unangemessenen Mieterhöhungen bewahren, während die §§ 312 ff. BGB einen Schutz vor unüberlegten beziehungsweise übereilten Entscheidungen bezweckten und dem Verbraucher einen typisierten Schutz gewährten, den das Mieterhöhungsrecht nicht eröffne (vgl. Hau, aaO; Koch, VuR 2016, 92, 94; Rolfs/Möller, NJW 2017, 3275, 3276).
30 Dem Vermieter entstünden auch keine Nachteile, wenn er den Mieter ordnungsgemäß über das Widerrufsrecht informiere (§ 312d Abs. 1 BGB, § 312 Abs. 3 Nr. 6, Art. 246a § 1 Abs. 2, 3 EGBGB) und dieser es ausübe, denn in diesem Fall stehe der Vermieter lediglich so, als sei von vornherein keine Zustimmung zu der verlangten Mieterhöhung erklärt worden; er könne daher gemäß § 557 Abs. 3, § 558 Abs. 1, § 558b Abs. 2 Satz 1, 2 BGB Klage auf Erteilung der Zustimmung erheben. Sofern hingegen bei mangelnder oder unzureichender Widerrufsbelehrung die zugunsten des Mieters geltende Widerrufsfrist (§ 355 Abs. 2, § 356 Abs. 3 BGB) die vom Vermieter zu beachtende Klagefrist des § 558b Abs. 2 Satz 2 BGB überschreite, werde der Vermieter hierdurch nicht ungerechtfertigt benachteiligt, weil er dies selbst zu verantworten habe (vgl. Artz/Brinkmann/Pielsticker, ZAP 2015, Fach 4, S. 189, 196 f.).
31 bb) Andere Stimmen im Schrifttum und auch in der Rechtsprechung verneinen mit unterschiedlicher Begründung ein Recht des Mieters, seine Zustimmungserklärung zu einer an ihn herangetragenen Mieterhöhung nach § 558 Abs. 1, § 558a Abs. 1 BGB nach Maßgabe des Fernabsatzrechts zu widerrufen.
32 (1) Teilweise wird argumentiert, die Regelungen über die Zulässigkeit von Mieterhöhungen im Vergleichsmietenverfahren der §§ 558?ff. BGB seien im Verhältnis zu Vorschriften über das Widerrufsrecht des Verbrauchers bei Fernabsatzverträgen vorrangige Sonderregelungen (Horst, DWW 2015, 2, 5 f.; Lützenkirchen/Dickersbach, Mietrecht, 2. Aufl., § 558b BGB Rn. 48h).
33 (2) Weiter wird vertreten, die Bestimmungen über das Widerrufsrecht des Verbrauchers bei Fernabsatzverträgen seien im Hinblick auf ihren Schutzzweck auf Mieterhöhungsvereinbarungen nach § 558a Abs. 1, § 558b Abs. 1 BGB nicht anzuwenden.
34 (a) Das Widerrufsrecht des Verbrauchers bei Fernabsatzverträgen sei auf den Versandhandel zugeschnitten. Bei Geschäften dieser Art könne der Verbraucher die Ware nicht sehen, bevor er den Vertrag abschließe. Bei einem Fernabsatzgeschäft habe der Verbraucher somit üblicherweise nicht die Möglichkeit, die Leistung des Unternehmers zu prüfen. Bei einem Zustimmungsverlangen des Vermieters nach § 558Abs. 1, § 558a Abs. 1 BGB kenne der Mieter hingegen sowohl seinen Vertragspartner als auch dessen Leistung, die bereits bewohnten Mieträume (vgl. Fervers, NZM 2018, 640, 647; BeckOGKBGB/Fleindl, Stand: 1. Juli 2018, § 558b Rn. 13; Lützenkirchen/Lützenkirchen, aaO, § 535 BGB Rn. 71h).
35 (b) Darüber hinaus sei der Mieter nicht schutzbedürftig, weil ihm das Gesetz geraume Zeit zur Überlegung einräume, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang er der Mieterhöhung zustimme, nämlich bis zum Ablauf des zweiten Kalendermonats nach dem Zugang des Mietererhöhungsverlangens (§ 558b Abs. 2 Satz 1 BGB). Dadurch habe das in Textform (§ 558a Abs. 1 BGB) zu erklärende Mieterhöhungsverlangen den Effekt, dass eine Druck- und Überrumpelungssituation zu Lasten des Mieters vermieden werde (Fervers, aaO; BeckOGK-BGB/Fleindl, aaO; Lützenkirchen/Lützenkirchen, aaO).
36 (3) Der Anwendung des § 312c Abs. 1 BGB stehe nach einer weiteren Ansicht entgegen, dass eine Mieterhöhung nach Maßgabe der §§ 558ff. BGB nicht im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystem des Vermieters im Sinne von §312c Abs. 1 Halbs. 2 BGB erklärt werde. Ein Fernabsatzsystem müsse sich auf den Vertrieb der vertraglichen Hauptleistung beziehen. Dies sei die Vermietung der Wohnung; diese sei jedoch typischerweise nicht im Fernabsatz organisiert (Mediger, NZM 2015, 185, 190 f.; siehe auch BeckOGK-BGB/Fleindl, aaO; Beuermann, GE 2015, 561, 562; siehe auch AG Spandau, GE 2015, 1463 f., wonach der Vermieter bei der Anpassung der Miete an die ortsübliche Vergleichsmiete nichts “absetze”).
37 (4) Zusätzlich wird geltend gemacht, die Gewährung eines Widerrufsrechts sei mit der für den Vermieter geltenden Klagefrist des § 558b Abs. 2 Satz 2 BGB nicht ohne Weiteres zu vereinbaren. So könne der Mieter, der frei wählen kann, wann er das Widerrufsrecht ausübt, seine Zustimmung gemäß § 356 Abs. 3 Satz 2 BGB selbst dann noch widerrufen, wenn die Klagefrist bereits abgelaufen sei, so dass der Vermieter gegebenenfalls erneut Mieterhöhung verlangen müsse (vgl. Hinz, WuM 2016, 76, 84; Beuermann, aaO; Lützenkirchen/Dickersbach, aaO; siehe auch LG Berlin [Zivilkammer 18], GE 2016, 1391).
38 cc) Nach einer vereinzelt gebliebenen Ansicht sei das Recht des Wohnraummieters, seine Zustimmung zu einem im Wege des Fernabsatzes unterbreiteten Mieterhöhungsverlangen zu widerrufen, davon abhängig, ob der Vermieter mehr oder weniger als die ortsübliche Vergleichsmiete verlange. Ein Widerrufsrecht sei ausgeschlossen, soweit der Vermieter nicht mehr als die ortsübliche Vergleichsmiete fordere. Hinsichtlich des überschießenden Betrags sei der Mieter hingegen zum Widerruf seiner Zustimmung berechtigt (Kroll, GE 2016, 699, 703).
39 c) Der Senat entscheidet die Rechtsfrage dahingehend, dass die Zustimmungserklärung des Mieters zu einer einvernehmlichen Mieterhöhung nach § 558a Abs. 1, § 558b Abs. 1 BGB aufgrund einer teleologischen Reduktion des § 312 Abs. 4 Satz 1 BGB, die nach dem Regelungszweck sowohl der Bestimmungen über die Mieterhöhung bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete (§§ 558 ff. BGB) als auch der Bestimmungen über das Widerrufsrecht bei Fernabsatzverträgen geboten ist, dem Anwendungsbereich des Verbraucherwiderrufs bei Fernabsatzverträgen entzogen ist. Nach dieser Maßgabe steht dem Kläger ein Widerrufsrecht auf der Grundlage von § 355 Abs. 1, § 312gAbs. 1, § 312c BGB nicht zu.
40 aa) Dies erschließt sich allerdings nicht bereits aus dem Wortlaut des § 312 Abs. 4 BGB, der die Anwendbarkeit der §§ 312 ff. BGB auf Wohnraummietverträge regelt. Gemäß § 312 Abs. 4 Satz 1 BGB, der “Verträge über die Vermietung von Wohnraum” erfasst, unterfallen auch einvernehmliche Mieterhöhungen nach § 558a Abs. 1, § 558bAbs. 1 BGB dem Anwendungsbereich der bei Verbraucherverträgen geltenden Grundsätze der §§ 312 ff. BGB. Das Berufungsgericht ist insoweit rechtsfehlerfrei und in der Revisionsinstanz nicht angegriffen davon ausgegangen, dass auch eine im Wege des Verbrauchervertrages (§ 310 Abs. 3 BGB) getroffene Mieterhöhungsvereinbarung eine entgeltliche Leistung des Vermieters zum Gegenstand hat (§ 312 Abs. 1 BGB).
41 Der Gesetzeswortlaut schließt grundsätzlich alle Vereinbarungen der Parteien im laufenden Mietverhältnis über die Miethöhe ein und somit auch einvernehmliche Mieterhöhungen nach Maßgabe der § 558a Abs. 1, § 558b Abs. 1 BGB. Da § 312 Abs. 4 Satz 1 BGB unter anderem auf § 312 Abs. 3 Nr. 1, 6, 7 BGB verweist, steht dem Mieter von Wohnraum daher im Grundsatz nach § 312g Abs. 1 BGB nicht nur bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen (§ 312bBGB), sondern auch bei Fernabsatzverträgen (§ 312c BGB) ein Widerrufsrecht zu, über das der (unternehmerisch tätige) Vermieter den Wohnraummieter gemäß § 312d BGB nach Maßgabe des Art. 246?a EGBGB informieren muss.
42 bb) Die Auslegung des § 312 Abs. 4 Satz 1 BGB darf jedoch nicht beim Wortlaut stehen bleiben.
43 (1) Bereits die Gesetzesbegründung stellt bei Änderungen bereits geschlossener Mietverträge nicht die im Fernabsatz bestehenden Gefahren für den Verbraucher in den Vordergrund, sondern die Gefahren bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen.
44 (a) Zwar sind Wohnraummietverträge vom Geltungsbereich der umzusetzenden Verbraucherrechterichtlinie nicht erfasst (Art. 3 Abs. 3 Buchst. f Fall 3 der Richtlinie). Der Erwägungsgrund 26 der Verbraucherrechterichtlinie führt dazu aus, die in der Richtlinie enthaltenen Bestimmungen eigneten sich (unter anderem) nicht für Verträge über Wohnraum; diese sollten daher vom Geltungsbereich der Richtlinie ausgenommen werden. Mit Rücksicht darauf geht § 312Abs. 4 BGB trotz der von der Verbraucherrechterichtlinie nach ihrem Art. 4 und dem Erwägungsgrund 7 zur Erzielung eines hohen Verbraucherschutzniveaus verfolgten vollständigen Harmonisierung der von ihr erfassten Aspekte des Verbraucherschutzes (vgl. EuGH, Urteil vom 13. September 2018 – C-332/17, Rn. 26 f.) in zulässiger Weise über den Anwendungsbereich der Richtlinie hinaus.
45 Die Erstreckung auf die Wohnraummiete hat der Gesetzgeber mit der Erwägung begründet, die Mieter dürften nicht schlechter gestellt werden als nach bisherigem Recht (BT-Drucks. 17/12637, S. 48). Dies hat seinen Grund jedoch nicht im Fernabsatzrecht, denn dessen Anwendbarkeit auf einvernehmliche Mieterhöhungen nach § 558aAbs.1, § 558b Abs. 1 BGB wurde zuvor nicht erwogen (vgl. Schmidt-Futterer/Börstinghaus, aaO, § 558b BGB Rn. 35b). Hintergrund der Erstreckung des Verbraucherwiderrufs auf die Wohnraummiete ist vielmehr die Rechtsprechung zu dem früher geltenden Haustürwiderrufsgesetz, dessen Anwendungsbereich sich grundsätzlich auch auf Wohnraummietverträge erstreckte (siehe etwa OLG Koblenz [Rechtsentscheid], NJW 1994, 1418; OLG Braunschweig [Rechtsentscheid], NZM 1999, 996; LG Münster, WuM 2001, 610; jeweils zu § 1 HWiG in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung).
46 (b) In der Gesetzesbegründung heißt es weiter, trotz der Bestimmungen des sozialen Mietrechts bestünden insbesondere bei Änderungen bereits geschlossener Mietverträge Gefahren durch Überrumpelung und psychischen Druck. Daher sei es sachgerecht, dem Verbraucher ein Widerrufsrecht gegenüber dem gewerblichen Vermieter einzuräumen, wenn der Vertrag im Fernabsatz oder außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen werde. Denkbar sei etwa, dass der Verbraucher bei einem unangemeldeten Besuch des Vermieters einer Mieterhöhung und damit einer wesentlichen Vertragsänderung zustimme oder einen Aufhebungsvertrag schließe (BT-Drucks. 17/12637, S. 48).
47 Mit dem Hinweis auf unangemeldete Besuchte nimmt die Gesetzesbegründung erneut eine spezifische Gefahr außerhalb von Geschäftsräumen geschlossener Verbraucherverträge in den Blick. Hiermit ist die Situation des Verbrauchers bei einem Fernabsatzvertrag indes nicht zu vergleichen. Diese Art des Vertragsschlusses ist für ihn typischerweise nicht mit einem Überraschungsmoment verbunden und auch eine Übereilungsgefahr spielt hier keine wesentliche Rolle (Senatsurteil vom 12. Oktober 2016 – VIII ZR 55/15, aaO Rn. 52).
48 Gleichwohl hat der Gesetzgeber aus der Fallkonstellation der außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verbraucherverträge den Schluss gezogen, dass nicht nur das Widerrufsrecht des Verbrauchers bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen (§ 312b BGB) auf Vereinbarungen über die Vermietung von Wohnraum zu übertragen sei, sondern darüber hinaus auch das Widerrufsrecht des Verbrauchers bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz (§ 312c BGB). Den Gesetzesmaterialien ist insoweit zu entnehmen, dass § 312 Abs. 4 Satz 1 BGB auch bei vereinbarten Mieterhöhungen gelte, denn in allen diesen Fällen bestehe ein berechtigtes Interesse des Mieters, Abreden zu widerrufen, die außerhalb von Geschäftsräumen oder im Fernabsatz zustande gekommen seien (BT-Drucks., aaO).
49 (2) Diese Erwägungen lassen sich zwar unter anderem auf während der Mietzeit vereinbarte Mieterhöhungen nach § 557 Abs. 1 BGB übertragen, die nicht an die Zulässigkeitsvoraussetzungen und Beschränkungen von Mieterhöhungen im Vergleichsmietenverfahren (§§ 558 ff. BGB) gebunden sind, nicht jedoch auf übereinstimmende Mieterhöhungen nach Maßgabe der § 558a Abs. 1, § 558b Abs. 1 BGB. Denn eine Mieterhöhung nach den Bestimmungen der §§ 558 ff. BGB, die während des Bestehens eines Mietverhältnisses im Hinblick auf den Ausschluss der Kündigung zum Zwecke der Mieterhöhung (§573 Abs. 1 Satz 2 BGB) Anpassungen der Miete ermöglichen wollen, ohne deswegen den Bestand des Mietverhältnisses in Frage zu stellen, ist – worauf das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hingewiesen hat (GE 2015, 563) – zum Schutz des Mieters an bestimmte gesetzliche Voraussetzungen geknüpft.
50 Die gesetzlichen Schutzvorkehrungen wirken zum einen der vom Gesetzgeber bei der Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie nicht nur bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen (§312b BGB), sondern unter Umständen auch bei mietrechtlichen Fernabsatzverträgen (§ 312 Abs. 4, § 312c BGB) in Betracht gezogenen Gefahr psychischen Drucks auf den Mieter entgegen. Zum anderen gleichen die Regelungen des Vergleichsmietenverfahrens auch das Informationsdefizit des Mieters aus. Das Wohnraummietrecht begegnet auf diese Weise der Gefahr von Fehlentscheidungen des Mieters und trägt dem Schutzzweck des Widerrufsrechts bei Fernabsatzverträgen Rechnung.
51 (a) Eine Vertragsverhandlungssituation, die für den Mieter mit einem Überraschungsmoment, mit psychischem Druck oder gar mit der Gefahr der Überrumpelung verbunden ist, besteht typischerweise nicht, wenn der Vermieter ein Mieterhöhungsverlangen nach §§ 558 ff. in der gesetzlichen vorgesehenen Textform (§ 558a Abs. 1, § 126bBGB) an den Mieter heranträgt (Fervers, aaO S. 647).
52 (aa) Die in § 558a Abs. 1 BGB vorgesehene Textform, bei der die Erklärung in einer Urkunde oder auf andere zur dauerhaften Wiedergabe in Schriftzeichen geeignete Weise abgegeben, die Person des Erklärenden genannt und der Abschluss der Erklärung durch Nachbildung der Namensunterschrift oder anders erkennbar gemacht werden muss (vgl. Senatsurteil vom 10. November 2010 – VIII ZR 300/09, NZM 2011, 295 Rn. 13), verpflichtet den Vermieter zur Verwendung eines Fernkommunikationsmittels. Dabei hat der Gesetzgeber auf die langjährigen Erfahrungen mit Mieterhöhungen zurückgegriffen, die nach Maßgabe des bereits durch das Gesetz zur Regelung der Miethöhe vom 18. Dezember 1974 (Artikel 3 des Zweiten Gesetzes über den Kündigungsschutz für Mietverhältnisse über Wohnraum, BGBl. I 3604; im Folgenden: MHG) eingeführten § 8MHG mit Hilfe automatisierter Einrichtungen gefertigt werden konnten. Gerade bei der Vermietung einer größeren Anzahl von Wohnungen hat der Gesetzgeber bereits 1974 den Bedürfnissen der Bürotechnik nach einer automatisierten Erstellung der entsprechenden Mitteilungen Rechnung tragen wollen (BT-Drucks. 7/2011, S. 13; siehe auch die Begründung des Regierungsentwurfs zur Anpassung der Formvorschriften des Privatrechts und anderer Vorschriften an den modernen Rechtsgeschäftsverkehr, BT-Drucks. 14/4987, S. 21 f., 27).
53 Die Erklärung eines Mieterhöhungsverlangens in Textform dient damit der Erleichterung des Rechtsverkehrs (vgl. BT-Drucks., aaO S. 10). Darüber hinaus hat das Formerfordernis des § 558a Abs. 1 BGB jedoch einen wesentlich weitergehenden Schutzzweck. Gemeinsam mit dem gesetzlichen Begründungserfordernis soll es gewährleisten, dass der Mieter über die anstehende Erhöhung unterrichtet wird und die dafür angeführten Erläuterungen und Berechnungen in nachvollziehbarer Weise überprüfen kann.
54 Der Mieter kann auf diese Weise seinen rechtsgeschäftlichen Willen außerhalb einer Druck- und Überrumpelungssituation bilden, denn der Vermieter hat den Inhalt der Mieterhöhungsvereinbarung in einer den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Weise zu begründen (§ 558a Abs. 1, 2 BGB). Die Begründung soll dem Mieter – auch im Interesse einer außergerichtlichen Einigung zur Vermeidung überflüssiger Prozesse (Senatsurteil vom 11. Juli 2018 – VIII ZR 136/17NJW 2018, 2792 Rn. 18, 22, mwN) – die Möglichkeit geben, die sachliche Berechtigung des Erhöhungsverlangens zu überprüfen. Hierfür ist es erforderlich, dass die Begründung dem Mieter konkrete Hinweise auf die sachliche Berechtigung des Erhöhungsverlangens gibt. Zwar dürfen an die Begründung keine überhöhten Anforderungen gestellt werden. Das Erhöhungsverlangen muss aber – in formeller Hinsicht – Angaben über die Tatsachen enthalten, aus denen der Vermieter die Berechtigung der geforderten Mieterhöhung herleitet, und zwar in dem Umfang, wie der Mieter solche Angaben benötigt, um der Berechtigung des Erhöhungsverlangens nachgehen und diese zumindest ansatzweise überprüfen zu können (st. Rspr. des Senats; vgl. nur Urteile vom 11. Juli 2018 – VIII ZR 136/17, aaO Rn. 18; vom 3. Februar 2016 – VIII ZR 69/15NJW 2016, 1385 Rn. 11; vom 12. Dezember 2007 – VIII ZR 11/07NJW 2008, 573 Rn. 12 mwN).
55 (bb) Zudem kann der Vermieter, der ein – berechtigtes – Mieterhöhungsverlangen gegebenenfalls auch im Wege einer Klage auf Zustimmung durchzusetzen vermag (§ 557 Abs. 3 Halbs. 1, § 558Abs. 1 BGB), vor Ablauf der dem Mieter bis zum Ablauf des zweiten Kalendermonats nach dem Zugang des Verlangens eingeräumten Zustimmungsfrist (§ 558b Abs. 2 Satz 1 BGB) eine zulässige Klage auf Zustimmung zu der verlangten Mieterhöhung nicht erheben und muss bei Nichteinhaltung der Frist eine Klageabweisung durch ein Prozessurteil vergegenwärtigen. Zur Entscheidung, ob der Mieter den Antrag des Vermieters auf Vertragsänderung annehmen soll, räumt das Gesetz dem Mieter damit eine Überlegungsfrist ein, die vertraglich nicht verkürzt werden darf (§ 558b Abs. 4 BGB), um ihn vor Entscheidungen unter Zeitdruck zu schützen und ihm die Möglichkeit zu eröffnen, sich über die Berechtigung des Mieterhöhungsverlangens des Vermieters anhand der von diesem gegebenen Begründung klar zu werden (siehe bereits BT-Drucks. 7/2011, S. 11 [zu der Vorgängerregelung des § 2 Abs. 3 MHG]). Auch wenn der Vermieter den Mieter nicht über den Lauf der Zustimmungsfrist informieren muss, stellt sie sicher, dass dem Mieter eine angemessene Überlegungszeit zur Überprüfung des Mieterhöhungsverlangens und seiner Begründung zur Verfügung steht, bevor er entscheidet, ob und gegebenenfalls inwieweit er ihm zustimmt. Einer sich daran noch anschließenden Widerrufsfrist nach Maßgabe des Fernabsatzrechts, die mit dem Vertragsschluss, also mit der vom Mieter erklärten Zustimmung zu der verlangten Mieterhöhung, beginnt (§ 355 Abs. 2 BGB), bedarf es zum Schutz der Entscheidungsfreiheit des Mieters nicht mehr.
56 (b) Der durch die besonderen Bestimmungen der §§ 558 ff. BGB abgesicherte Schutz des Wohnraummieters trägt auch den spezifischen Gefahren der Anbahnung und des Abschlusses von Verträgen im Fernabsatz Rechnung. Wie ausgeführt, dient das Widerrufsrecht bei Fernabsatzverträgen der Kompensation von Gefahren aufgrund der fehlenden physischen Begegnung von Anbieter und Verbraucher und der in der Regel fehlenden Möglichkeit, die Ware oder Dienstleistung vor Vertragsschluss in Augenschein zu nehmen. Das Widerrufsrecht des Verbrauchers bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz soll daher das typischerweise bestehende und unter Umständen zu Fehlentscheidungen führende Informationsdefizit des Verbrauchers ausgleichen (vgl. Fervers, aaO S. 642, 646; Staudinger/Thüsing, aaO, Neubearb. 2012, Vorbemerkung zu §§ 312, 312a Rn. 27, § 312 Rn. 82, § 312c Rn. 1; MünchKommBGB/Wendehorst, aaO, § 312c Rn. 3 f.; BeckOGK-BGB/Alexander, Stand: 1. Juli 2018, § 13 Rn. 88; BeckOGK-BGB/Busch, aaO, § 312g Rn. 7; BeckOK-BGB/Martens, Stand: 1. August 2018, § 312c Rn. 6; Spindler/Schuster/Schirmbacher, Recht der elektronischen Medien, 3. Aufl., Vorbemerkung zu §§ 312 ff. BGB Rn. 8 f.). Für den Ausgleich des Informationsdefizits des Mieters und den Schutz seiner Entschließungsfreiheit ist jedoch, wie ausgeführt, durch das in § 558a Abs. 1, 2 BGB vorgesehene Begründungserfordernis und die eingeräumte Zustimmungsfrist (§558b Abs. 2 BGB) gesorgt. Auf diese Weise kann der Mieter den Vertragsgegenstand vor Vertragsabschluss ausreichend beurteilen, so dass der Sinn und Zweck der verbraucherschützenden Regelungen für Vertragsabschlüsse im Fernabsatz uneingeschränkt erfüllt ist.”

Pressemitteilung 46/2018

Wird am Donnerstag der Berliner Mietspiegel für Spandau beerdigt?

Am 29.11. verhandelt das Amtsgericht Spandau unter dem Aktenzeichen 3 C 306/17 um 10:15 Uhr im Saal 141 die Mieterhöhungsklage der Deutsche Wohnen Berlin 5 GmbH gegen unser Mitglied Wolf-Dietrich Kniffka.

Herr Kniffka zahlt zur Zeit für seine 42,15 m² große Wohnung An der Kappe 74c in 13583 Berlin-Spandau eine Nettokaltmiete in Höhe von 226,77 € (= 5,38 €/m²). Seine Vermieterin, die Deutsche Wohnen Berlin 5 GmbH, begehrt von ihm zum 01.10.2017 eine Mieterhöhung von 23,17 € monatlich, d.h. von 226,77 € um 23,17 € auf 249,94 € (= 5,93 €/m²).

Und was macht das Amtsgericht Spandau? Der zuständige Richter am Amtsgericht Spandau wendet zur Feststellung der ortsüblichen Vergleichsmiete nicht mehr den Berliner Mietspiegel 2017 an, sondern holt ein Sachverständigengutachten für 2.850,00 € ein.

Der Sachverständige ermittelt in seinem Gutachten nach dem Vergleichswertverfahren mit Nutzwertanalyse mit 15 Vergleichswohnungen eine ortsübliche Vergleichsmiete von 259,22 € (= 6,15 €/m²). Dieser Betrag liegt um 0,85 €/m² über dem Wert, der sich bei Anwendung des Berliner Mietspiegels ergeben würde (5,30 €/m²).

Wolf-Dietrich Kniffka streitet nun vor Gericht nicht nur gegen seine Mieterhöhung sondern auch für die Anwendung des Berliner Mietspiegels 2017 und gegen die Einholung von Sachverständigengutachten zur Ermittlung der ortsüblichen Miete.

Sollte der erkennende Richter bei seiner vorläufigen Rechtsauffassung bleiben und den Berliner Mietspiegel nicht anwenden, müssten wir als Mieterverein in Zukunft jeder Spandauer Mieterin und jedem Spandauer Mieter sagen: „Stimmen Sie der Mieterhöhung zu, auch wenn sie nach dem Berliner Mietspiegel falsch ist, da bei einer Klage die Gefahr droht, dass ein Sachverständigengutachten für 2.850,00 € eingeholt wird und Sie im Falle des Verlierens diese Kosten tragen müssen.”

Bei Mieterinnen und Mietern, die rechtsschutzversichert sind, müssten wir sagen: „Stimmen Sie der Mieterhöhung zu, auch wenn sie nach dem Berliner Mietspiegel falsch ist, da bei einer Klage die Gefahr droht, dass ein Sachverständigengutachten für 2.850,00 € eingeholt wird und Ihre Rechtsschutzversicherung im Falle des Verlierens diese Kosten tragen muss. Danach kündigt Ihre Rechtsschutzversicherung Ihnen höchstwahrscheinlich Ihren Vertrag und Sie stehen in Zukunft ohne Rechtsschutzversicherung dar.”

„Die Tatsache, dass nun mit den Abteilungen 6 und 13 gleich zwei Richter des Amtsgerichts Spandau den Berliner Mietspiegel 2017 nicht mehr anwenden, sondern teure Sachverständigengutachten zur Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete einholen, ist eine Katastrophe für Spandaus Mieterinnen und Mieter”, sagte Marcel Eupen, der 1. Vorsitzende des AMV – Alternativer Mieter- und Verbraucherschutzbund e.V., „denn diese Vorgehensweise führt zu einer extremen Rechtsunsicherheit über die Anwendung des Mietspiegels und damit zu einer Verunsicherung der Mieterinnen und Mieter.”

Damit sich Wolf-Dietrich Kniffka weiter vor Gericht wehren kann, haben wir – der AMV – Alternativer Mieter- und Verbraucherschutzbund e.V. – für Wolf- Dietrich Kniffka auf der Internetplattform gofundme.com ein Crowdfunding-Projekt gestartet (https://www.gofundme.com/vor-gericht-fur-den-mietspiegel). Unser Ziel ist es, Wolf-Dietrich Kniffkas Rechtsstreit mit der “Deutsche Wohnen” finanziell zu unterstützen – wenn nötig bis in die zweite Instanz. Die Kosten für die Gerichtsgebühren, die Rechtsanwaltsgebühren und die Sachverständigengebühren in der 1. Instanz belaufen sich auf knapp 3.300 €. Die Kosten für die Gerichtsgebühren, die Rechtsanwaltsgebühren und die Sachverständigengebühren mit Berufungsinstanz belaufen sich auf knapp 3.800 €. Sollte nach der Deckung der Kosten Geld übrig bleiben, fließt dieses zu 100% in die Kältehilfe der Berliner Stadtmission. Bisher sind von 81 Personen bereits knapp 2.100 € gespendet worden.

Berlin, den 26.11.2018

Ass. Marcel Eupen, Pressesprecher des AMV

Aus der Rubrik “Wohnungspolitik”:

 

DER TAGESSPIEGEL am 20.11.2018: Bezirk prüft erweitertes Vorkaufsrecht für die Karl-Marx-Allee

Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne) schlägt ein Vorkaufsrecht für einzelne Wohnungen vor. Das neue Treuhandmodell könnte an der Karl-Marx-Allee erprobt werden.

Das Vorkaufsrecht für Häuser funktioniert schon ganz passabel, jetzt geht Florian Schmidt (Grüne), Baustadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg, noch einen Schritt weiter: Auch beim Verkauf einzelner Wohnungen könnte der Bezirk aktiv werden und einen „treuhänderischen Kauf“ durch eine Wohnungsbaugesellschaft vermitteln. Ob das rechtlich Bestand hat, ist umstritten, aber Schmidt möchte das Verfahren am Beispiel Karl-Marx-Allee durchexerzieren.

Dort hat die Deutsche Wohnen vier Blöcke mit 700 Mietwohnungen gekauft, ein Block steht im Milieuschutzgebiet, dort kann der Bezirk das Vorkaufsrecht ausüben. Die übrigen drei Blöcke wurden bereits in Eigentumswohnungen aufgeteilt, dort besteht nur für die einzelnen Mieter ein Vorkaufsrecht. Ein entsprechendes Kaufangebot haben sie bereits erhalten. Wenn Mieter ihre Wohnungen nicht innerhalb einer kurzen Frist kaufen können oder wollen, verfällt das Vorkaufsrecht, die Wohnungen können dann meistbietend verkauft werden – oder bleiben im Bestand der Deutsche Wohnen.

https://www.tagesspiegel.de/berlin/berlin-friedrichshain-bezirk-prueft-erweitertes-vorkaufsrecht-fuer-die-karl-marx-allee/23659922.html

Aus der Rubrik “Wohnungsbau”:

 

Berliner Zeitung am 19.11.2018: Modulbau – Neuer Haustyp für die Großsiedlung

Knapp sieben Monate nach der Grundsteinlegung hat die Wohnungsbaugesellschaft Stadt und Land am Montag in Marzahn-Hellersdorf das Richtfest für 165 Mietwohnungen gefeiert. Bei dem Vorhaben an der Schkeuditzer Straße handelt es sich um den Bau einessogenannten Typenhauses.

https://www.berliner-zeitung.de/berlin/modulbau-neuer-haustyp-fuer-die-grosssiedlung-31616846

Aus der Rubrik “Mietenentwicklung”:

 

BZ am 20.11.2018: Mietenwahnsinn geht weiter – Berliner Mieten explodieren auch in den alten Arbeiterbezirken

Von 4,30 Euro pro Quadratmeter 1998 auf 9,70 Euro 2018 – die Mietpreise in Berlin haben sich in den letzten 20 Jahren mehr als verdoppelt. Ein Ende dieser Entwicklung ist nicht in Sicht.

Wie neue Zahlen des Online-Marktplatzes ImmobilienScout24 belegen, sind Friedrichshain, Mitte, Prenzlauer Berg und Grunewald Berlins teuerste Pflaster – mit durchschnittlich mehr als 12 Euro für den Quadratmeter Wohnraum.

Doch die früheren Arbeiterbezirke Neukölln, Wedding, Kreuzberg, Treptow und Tiergarten holen auf. In diesen fünf Ortsteilen stiegen die Mieten in nur einem Jahr um mehr als zehn Prozent. Rekord in der Stadt!

https://www.bz-berlin.de/berlin/berliner-mieten-explodieren-auch-in-den-alten-arbeiterbezirken

Aus der Rubrik “Wissenswertes”:

Genügt bereits ein geringer Grad der Eintrittswahrscheinlichkeit, wenn ein Mieter seinen Sozialwiderspruch gem. § 574 Abs.1 BGB damit begründet, dass beim Wohnungsverlust schwere Gesundheitsschäden bis hin zu Lebensgefahr drohen?

Die Antwort des Landgerichts Frankfurt am Main (LG Frankfurt a.M. – 2-11 S 46/17, Urteil vom 13.09.2018) lautet: Ja!

Zur Begründung führt das Landgericht Frankfurt am Main in seiner vorgenannten Entscheidung unter II. wie folgt aus: „Die Beklagten konnten den ausgesprochenen Eigenbedarfskündigungen nach § 574 BGB widersprechen, da aufgrund der in der Berufungsinstanz durchgeführten Beweisaufnahme zur Überzeugung der Kammer feststeht, dass die Beendigung des Mietverhältnisses für den Sohn der Beklagten eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen der Klägerseite nicht zu rechtfertigen ist.

Den Klägerin steht der gegen die Beklagten geltend gemachte Räumungsanspruch aus § 546 Abs. 1 BGB nicht zu.

Die Beklagten können nicht damit gehört werden, es fehle den Klägern bereits an der Aktivlegitimation. Nachdem die Klägerseite unter Vorlage des notariellen Vertrages vom 23.03.2016, aus dem sich die Erbenstellung der Kläger und der Frau … entnehmen lässt, substantiiert auch zum Ausscheiden der Frau … aus der Erbengemeinschaft vorgetragen hat, war das einfache Bestreiten der Beklagten hinsichtlich der Erbenstellung und des Ausscheidens von Frau … aus der Erbengemeinschaft nicht ausreichend. Zumindest in entsprechender Anwendung des § 566 BGB ist Frau … auch durch den Erbteilverkauf aus dem Mietverhältnis ausgeschieden (vgl. zur Anwendbarkeit des § 566 BGB: Schmidt-Futterer/Streyl BGB § 566 Rn. 27-34).

Nach Auffassung der Kammer war jedenfalls die mit Schriftsatz vom 01.07.2016 erklärte Prozesskündigung wirksam. Die Rüge der Beklagten, dass der Klägervertreter nicht bevollmächtigt ist, die Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung durchzusetzen, wurde nach Vorlage der Originalvollmacht im Termin zur mündlichen Verhandlung ganz offensichtlich nicht weiter verfolgt. Aus diesem Grund muss davon ausgegangen werden, dass die dem Klägervertreter von den Klägern erteilte Vollmacht auch zur (erneuten) Kündigung des Mietverhältnisses berechtigte.

Die Begründung der Eigenbedarfskündigung genügt unzweifelhaft den Voraussetzungen des § 573 Abs. 3 BGB, die nach Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei einer Kündigung wegen Eigenbedarfs grundsätzlich schon durch die Angabe der Person, für die die Wohnung benötigt wird, und die Darlegung des Interesses, das diese Person an der Erlangung der Wohnung hat, erfüllt sind (BGH NJW 2017, 1474).

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Kammer auch nach § 529Abs. 1 Nr. 1 ZPO an die vom Amtsgericht festgestellten Tatsachen gebunden, da konkrete Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen könnten, nicht ersichtlich sind. Das Amtsgericht hat in einer nachvollziehbaren und sehr gut vertretbaren Beweiswürdigung dargelegt, warum es zu der Überzeugung gelangte, dass der Zeuge … mit seiner Familie möglichst zeitnah in streitgegenständliche Wohnung einziehen möchte und dabei insbesondere auch die familiäre Verbundenheit des Zeugen zur Klägerseite berücksichtigt. Greifbare Anhaltspunkte, warum die Beweiswürdigung unvollständig oder in sich widersprüchlich sein könnte, wurden von den Berufungsführern nicht aufgezeigt.

Insbesondere vermag die Kammer auch eine Verletzung der §§ 279 Abs. 3, 285 ZPO nicht festzustellen. Ausweislich der Protokolle der mündlichen Verhandlung hat das Amtsgericht sowohl vor als auch nach der durchgeführten Beweisaufnahme die Sach- und Rechtslage mit den Parteien erörtert. Ferner haben die Parteien nach durchgeführter Beweisaufnahme die zuvor bereits gestellten Anträge wiederholt. Die Parteien hatten somit ausreichend Gelegenheit zu Wort zu kommen, weshalb eine Verletzung des Verfahrensgrundrechts auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) nicht vorliegt.

Trotz wirksamer Kündigung ist das Mietverhältnis gleichwohl gemäß §§ 574 Abs. 1 S. 1, 574 a Abs. 1, 2 BGB auf unbestimmte Zeit fortzusetzen. Gemäß § 574 Abs. 1 BGB kann der Mieter der Kündigung des Vermieters widersprechen und von ihm die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses für den Mieter, seine Familie oder einen anderen Angehörigen seines Haushalts eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.

Bei der Auslegung und Anwendung der einschlägigen Bestimmungen der §§ 573 ff. BGB haben die Zivilgerichte neben dem Erlangungsinteresse des Vermieters auch das Bestandsinteresse des Mieters zu berücksichtigen, diese widerstreitenden Belange gegeneinander abzuwägen und in einen verhältnismäßigen Ausgleich zu bringen (stRspr; vgl. nur BVerfG, NZM 2015, 161). Unter einer Härte i.S.d. § 574 Abs. 1 BGB sind alle dem Mieter aus der Vertragsbeendigung erwachsenden Nachteile wirtschaftlicher, finanzieller, gesundheitlicher, familiärer oder persönlicher Art zu verstehen, die in Folge der Vertragsbeendigung auftreten können. Dabei müssen die dem Mieter entstehenden Nachteile nicht mit absoluter Sicherheit feststehen; insbesondere bei gesundheitlichen Nachteilen genügt vielmehr bereits die ernsthafte Gefahr ihres Eintritts (BGH, NJW-RR 2014, 78).

Der gesundheitliche Zustand des Sohnes der Beklagten begründet eine nicht zu rechtfertigende Härte, Der Sohn der Beklagten ist auf Grund seiner Erkrankung räumungsunfähig, da die ernsthafte Gefahr besteht, dass sich sein Gesundheitszustand durch den Umzug erheblich verschlechtert würde (vgl. hierzu BVerfG, NJW-RR 1993, 463; BGH, NZM 2005, 143; Schmidt-Futterer/Blank, § 574 Rn. 47). Aufgrund der in der Berufungsinstanz durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass die Beendigung des Mietverhältnisses für den Sohn der Beklagten eine solche Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen der Klägerseite nicht zu rechtfertigen ist.

Entgegen den Ausführungen des Amtsgerichts waren die Ausführungen der Beklagtenseite zur Räumungsunfähigkeit des Sohnes der Beklagten ausreichend substantiiert, weshalb das angebotene Sachverständigengutachten einzuholen war.

Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht, den entscheidungserheblichen Sachvortrag der Partei in der nach Art. 103 GG gebotenen Weise zur Kenntnis zu nehmen und die angebotenen Beweise zu erheben (BGH, Urteil vom 29. Februar 2012 – VIII ZR 155/11NJW 2012, 1647 Rn. 14 m.w.N.). Ein Sachvortrag zur Begründung eines Anspruchs ist dann schlüssig und erheblich, wenn die Partei Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als in der Person der Partei entstanden erscheinen zu lassen. Die Angabe näherer Einzelheiten ist nicht erforderlich, soweit diese für die Rechtsfolgen nicht von Bedeutung sind. Das Gericht muss nur in die Lage versetzt werden, aufgrund des tatsächlichen Vorbringens der Partei zu entscheiden, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für das Bestehen des geltend gemachten Rechts vorliegen. Sind diese Anforderungen erfüllt, ist es Sache des Tatrichters, in die Beweisaufnahme einzutreten und dabei gegebenenfalls die benannten Zeugen oder die zu vernehmende Partei nach weiteren Einzelheiten zu befragen oder einem Sachverständigen die beweiserheblichen Streitfragen zu unterbreiten (BVerfG, WM 2012, 492Rn. 16; BGH, Beschluss vom 21. Mai 2007 – II ZR 266/04WM 2007, 1569 Rn. 8; BGH, Urteil vom 29. Februar 2012 – VIII ZR 155/11NJW 2012, 1647 Rn. 16; jeweils m.w.N.).

Diesen Voraussetzungen genügte der erstinstanzliche Vortrag der Beklagten, die unter Vorlage eines entsprechenden ärztlichen Attests behauptet haben, dass ihrem – unstreitig – schwerstbehinderten Sohn schwere und nachhaltige Gesundheitsschäden für den Fall des Verlusts der ihm vertrauten und unverzichtbaren Wohnumgebung drohen, wie etwa das Risiko schwerer und mit hirnorganischen Zusatzschäden verbundene Krampfanfälle.

Das von der Kammer eingeholte Sachverständigengutachten kommt zu dem überzeugend und widerspruchsfrei begründeten Ergebnis, dass durch einen Umgebungswechsel so genannte “fokale” epileptische Anfälle beim Sohn der Beklagten hervorgerufen werden können. Dies stelle eine Gefahr für die Gesundheit des Sohnes dar, könne zu einem Verlust bereits vorhandener Fähigkeiten führen und müsse als ein lebensbedrohliches Risiko angesehen werden. Zwar kann den Ausführungen des Sachverständigen nicht entnommen werden, dass ein Umzug zwangsläufig einen “fokalen” Anfall hervorrufen wird. Aufgrund der Ausführungen des Sachverständigen, wonach der Sohn der Beklagten als besonders empfindsam für Faktoren wie etwa einen Wohnungswechsel anzusehen ist und wonach “zu befürchten ist, dass auslösende Faktoren, zu denen ein Wohnungswechsel gehört, Anfälle begünstigen und verstärken”, geht die Kammer jedoch davon aus, dass die ernsthafte Gefahr besteht, dass es durch einen Umzug zu einer erheblichen Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Sohnes der Beklagten und sogar zu lebensbedrohlichen Krampfanfällen kommen kann. Dies genügt im vorliegenden Einzelfall für die Annahme einer erheblichen Härte im Sinne des § 574 BGB (vgl. auch Blank/Börstinghaus/Blank BGB § 574 Rn. 44).

Bei der Interessenabwägung im Rahmen des § 574 Abs. 1 BGB sind die Bestandsinteressen des Mieters mit den Erlangungsinteressen des Vermieters in Beziehung zu setzen. Es ist zu fragen, welche Auswirkungen eine Vertragsbeendigung für den Mieter haben würde und wie sich eine Vertragsfortsetzung auf den Vermieter auswirkt. Die Wertentscheidung des Grundgesetzes ist zu berücksichtigen. Ist die Räumung für den Mieter oder dessen Angehörigen mit einer Lebensgefahr verbunden, so müssen die Interessen des Vermieters zurückstehen. Die Interessen des Mieters an der Erhaltung seiner Gesundheit haben im Allgemeinen Vorrang vor allgemeinen Finanzinteressen des Vermieters. Der Wunsch des Vermieters, für sich und seine Familie eine angemessene Wohnung zu schaffen, ist umgekehrt vorrangig vor den Finanzinteressen des Mieters. Wiegen die Interessen der Parteien gleich schwer, so gebührt dem Erlangungsinteresse des Vermieters der Vorrang (Blank/Börstinghaus, § 574 Rn. 60).

Vorliegend ist von einer Härte i.S.v. § 574 Abs. 1 BGB für den Sohn der Beklagten auszugehen. Dem eingeholten Gutachten ist zu entnehmen, dass eine Veränderung der Lebensumstände erhebliche gesundheitliche Schäden bis hin zu lebensbedrohlichen Situationen führen kann. Wenngleich nach den Ausführungen des Sachverständigen nicht endgültig klar wird, ob ein Wohnungswechsel für den Sohn der Beklagten eine unmittelbare Lebensbedrohung darstellen würde, so ergibt sich hieraus jedoch, dass ein Wohnungswechsel eine nicht nur abstrakte Gefahr für die Gesundheit und sogar das Leben des Sohnes darstellt. Hinter den somit durch Art. 13 GG sowie durch Art. 2 GG (Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit) geschützten Bestandsinteresse der Beklagten müssen die durch Art. 14 GG geschützten Erlangungsinteressen der Kläger, die in ihrem Kündigungsschreiben angeführt werden, zurücktreten. Es gilt insoweit der allgemeine Rechtsgrundsatz, dass je höherwertiger das bedrohte Rechtsgut ist, umso geringere Anforderungen an die Gefährdung bzw. deren Feststellungen zu stellen sind. Bei einem so hohen Rechtsgut, wie dem Leben, also dem höchsten Rechtsgut, muss daher ein geringerer Grad der Eintrittswahrscheinlichkeit verlangt werden. Der mögliche Schaden ist hier zu hoch und zu unwiederbringlich, als dass dem Gefährdeten das Risiko aufgebürdet werden könnte, dass eine verlässliche und exakte Prognose auf Grund der Komplexität der Fragestellung nicht möglich ist. Nach Auffassung der Kammer muss deshalb hier die nicht nur theoretische Möglichkeit eines fokalen Anfalls mit schwerwiegendem oder gar tödlichem Ausgang, die nach dem Sachverständigengutachten gegeben ist, ausreichend sein (so auch LG Aachen, Urt. v. 29.9.2005 – 7 S 66/05BeckRS 2007, 01452).

Die nach § 574 b BGB einzuhaltende Form und Frist wurde durch den Widerspruch der Beklagten gewahrt.

Rechtsfolge eines begründeten Widerspruchs nach §§ 574574 a BGB ist es, dass die Räumungsklage abgewiesen und entschieden wird, dass das Mietverhältnis fortgesetzt wird (Blank/Börstinghaus, § 574 a Rn. 25). Das Mietverhältnis war insoweit auf unbestimmte Zeit fortsetzen, da dem Sachverständigengutachten zu entnehmen ist, dass der Sohn der Beklagten auf dauerhafte Pflege angewiesen und eine enge Bindung an seine in der streitgegenständlichen Wohnung lebenden Eltern gegeben ist. Mithin ist ungewiss, wann voraussichtlich die Umstände wegfallen, auf Grund derer die Beendigung des Mietverhältnisses für die Beklagten eine Härte darstellt.

Dass das Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit fortzusetzen ist, war nach § 308 a Abs. 1 S. 1 ZPO auch ohne Antrag einer Partei von Amts wegen auszusprechen.”

Aus der Rubrik “Wohnungspolitik”:

 

Berliner Zeitung am 20.11.2018: Karl-Marx-Allee – Bezirk legt sich mit Deutsche Wohnen an

Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg legt sich mit dem Konzern Deutsche Wohnen an. Nachdem die Berliner Zeitung vor kurzem darüber informiert hatte, dass der größte private Vermieter der Stadt rund 700 Wohnungen an der Karl-Marx-Allee erwerben will, versucht Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne) dem Konzern einen Strich durch die Rechnung zu machen.

https://www.berliner-zeitung.de/berlin/karl-marx-allee-bezirk-legt-sich-mit-deutsche-wohnen-an-31617076

Aus der Rubrik “Wohnungspolitik”:

 

Berliner Morgenpost am 19.11.2018: Karl-Marx-Allee – Mieter bangen um ihre Zukunft – Bezirk will helfen

Rund 700 Wohnungen haben die Eigentümer gewechselt. Die Zeit läuft jetzt gegen die Betroffenen.

Im Fall der rund 700 vermieteten Wohnungen an der Karl-Marx-Allee, die verkauft wurden, will der Bezirk jetzt den Betroffenen zu Hilfe kommen. Es wird geprüft, ob ein sogenannter “treuhändischer Kauf” infrage kommt, teilte das Bezirksamt mit. Dazu sollen die Mieter wichtige Informationen zu ihren Wohnungen melden.

https://www.morgenpost.de/bezirke/friedrichshain-kreuzberg/article215832925/Mieter-bangen-um-ihre-Zukunft-Bezirk-will-helfen.html