Aus der Rubrik “Gerichtsentscheidungen”:

 

Landgericht Berlin – 63 S 56/15, Urteil vom 24.03.2020

Berliner Morgenpost am 02.04.2020: Urteil – Mieter müssen energetische Sanierung dulden

Nach sieben Jahren ist das sogenannte „Pankower Dämmurteil“ ergangen – mit einer Niederlage für die Bewohner.

Anke Hahn ist die Enttäuschung deutlich anzuhören. „Wir haben auf ganzer Linie verloren“, sagt die Pankowerin. Hahn ist Mieterin im Haus Pestalozzistraße 4. Hinter ihr liegt ein beispiellos langer Prozess gegen ihre Vermieterin, die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft Gesobau. Mit dem Urteil, das ihr in dieser Woche vom Landgericht Berlin an der Littenstraße in Mitte zugesandt wurde, hat nun ein Verfahren seinen Abschluss gefunden, das mit einer Ankündigung der energetischen Sanierung des Mietshauses im Jahr 2013 seinen Anfang genommen hatte.

„Die Beklagten werden verurteilt, die Durchführung folgender Maßnahmen in der von ihnen genutzten Wohnung in 13187 Berlin, Pestalozzistraße 4 zu dulden“, heißt es unmissverständlich in dem Urteil der 63. Zivilkammer (Az.: 63 S 56/15). Es folgt eine lange Auflistung der geplanten Arbeiten, darunter die Demontage ihrer Gasetagenheizung und der Anschluss an die Gaszentralheizung, der Austausch der Doppelkastenfenster aus Holz durch Kunstoffisolierglasfenster sowie die Dämmung der straßenseitigen Fassade.

Für Anke Hahn und ihren Mann droht damit nun Wirklichkeit zu werden, was ihnen ein Schreiben von der Gesobau 2013 ankündigte. Durch die umfassende energetische Sanierung ihres Hauses sollte die bisherige Gesamtmiete der vierköpfigen Familie demnach von 378,58 Euro nach Abschluss der Modernisierungsmaßnahmen auf monatlich 774,15 Euro steigen. Die Modernisierungsumlage in Höhe von 338,08 Euro hätte demnach nahezu eine Verdoppelung ihrer Miete bedeutet – entsprechend schockiert waren die Hahns und beschlossen, sich gegen die Sanierungsmaßnahmen zu wehren.

Damit waren sie nicht allein, denn die Modernisierungsankündigung der Gesobau betraf nicht nur ihr Haus, sondern weitere Gebäude der Wohnanlage in der Trelleborger Straße, der Hallandstraße und der Florapromenade. Deren Bewohner schlossen sich daraufhin im „Pankower Mieterprotest“ zusammen, der unter anderen Härtefallregelungen und erweiterte Regelungen zum Schutz vor Mieterhöhungen in der Kooperationsvereinbarung zwischen Senat und landeseigenen Wohnungsunternehmen erreichte.

Das Amtsgericht hatte der Familie recht gegeben

Zunächst schien auch der juristische Kampf Erfolg zu haben: Die Hahns, die die der Gesobau die erforderliche Zustimmung zur Sanierung verweigert hatten und daraufhin von dem landeseigenen Unternehmen verklagt wurden, erstritten vor dem Amtsgericht Pankow/Weißensee einen Sieg (Az.: 7 C 52/14 AG Pankow/Weißensee).

Das Amtsgericht urteilte, dass sie einen Großteil der angekündigten Arbeiten nicht dulden müsse, dieses gelte insbesondere für die Dämmung der Fassade, weil diese unwirtschaftlich sei. „Leider ist die Richterin am Landgericht nicht auf diese Argumentation und die von uns vorgelegten Nachweise zur Unwirtschaftlichkeit eingegangen“, bedauert Anke Hahn. Denn inzwischen würden nicht nur Gutachten, sondern auch reale Heizkostenabrechnungen aus dem Mietshaus vorliegen. Diese zeigten, dass die Mieter im bereits sanierten Hausteil keine nennenswerte Energieeinsparung hätten.

Auch Reiner Wild, Chef des Berliner Mietervereins (BMV) bedauert, dass das Urteil des Landgerichts sich nicht, wie von vielen betroffenen Mietern erhofft, mit der Frage der Wirtschaftlichkeit befasst hat. Für die Hahns bliebe nun immerhin der Trost, dass die Gesobau nach dem im Februar 2020 in Kraft getretenen Mietendeckel die Modernisierungskosten nur noch mit höchstens einen Euro pro Quadratmeter umlegen dürfe.

„Eine zu duldende Modernisierung“

Das nunmehr schriftlich vorliegende Urteil im Berufungsverfahren „bestätigt uns nun, dass die geplanten energetischen Maßnahmen eine zu duldende Modernisierung darstellen“, teilt die Gesobau dazu auf Nachfrage der Berliner Morgenpost mit. „Diese Bestätigung hätte die Gesobau gern schon früher erhalten, um die gesetzlichen Vorgaben zur energetischen Modernisierung von Wohngebäuden schneller umsetzen zu können. „Das Urteil ist wichtig für die Zukunft, da diese Frage nunmehr offiziell geklärt wurde“, so die Sprecherin weiter. Die Planungen würden nun wieder aufgenommen „und das rechte Vorderhaus analog zum restlichen Gebäude, unter Berücksichtigung der Gerichtsurteile sowie geltender gesetzlicher Rahmenbedingungen, modernisiert“.

https://www.morgenpost.de/bezirke/pankow/article228826169/Urteil-Mieter-muessen-energetische-Sanierung-dulden.html