Archiv für den Monat: November 2016

Aus der Rubrik “Gerichtsentscheidungen”:

ARD-Rechtsredaktion Karlsruhe (SWR) am 25.10.2016 – BGH (Az. XI ZR 9/15 und XI ZR 387/15): Mindestgebühr bei Kontoüberziehung unzulässig

Das Konto zu überziehen, über den Dispokredit hinaus, das bleibt teuer. Aber der Bundesgerichtshof hat heute die Deutsche Bank und die Targo-Bank verurteilt, dabei nicht unverhältnismäßig abzukassieren. Seit einigen Jahren stellen beide nämlich besondere Gebühren in Rechnung, sobald der Dispo ausgeschöpft ist. Wer nur einen Cent zusätzlich abhebt, muss zahlen: 2 Euro 95 pro Monat bei der Targo-Bank und 6 Euro 90 pro Quartal bei der Deutschen Bank. Solche festen Gebühren, gerade wenn man nur wenig überzieht, sind nicht erlaubt, sagen die Bundesrichter.

https://www.facebook.com/notes/ard-rechtsredaktion/bgh-mindestgeb%C3%BChr-bei-konto%C3%BCberziehung-unzul%C3%A4ssig/689680161200188

Aus der Rubrik “Wissenswertes”:             

Stellt sich eine Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses als Maßnahme ordnungsgemäßer Nachlassverwaltung gemäß § 2038 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 BGB dar, wenn der Mieter zahlungsfähig und eine Anschlussvermietung ungewiss ist?

Die Antwort des Landgerichts Berlin (LG Berlin – 67 S 190/16, Urteil vom 11.10.2016) lautet: Nein!

Zur Begründung führt das LG Berlin in seiner vorgenannten Entscheidung unter II. wie folgt aus: “Das Amtsgericht hat die erhobene Räumungs- und Herausgabeklage zutreffend abgewiesen. Der – auch weiterhin ungeteilten – Erbengemeinschaft steht der geltend gemachte Räumungs- und Herausgabeanspruch gemäß den §§ 985, 546 Abs. 1 BGB nicht zu, da das mit den Beklagten im Jahre 2007 begründete Mietverhältnis über die streitgegenständliche und 68 qm große 3-Zimmer-Wohnung ungekündigt fortbesteht. Die von dem Kläger ausgesprochenen Kündigungen sind sämtlich unwirksam. Dagegen vermag seine Berufung nichts zu erinnern.

Es konnte dahinstehen, ob den ausgesprochenen Kündigungen bereits gemäß § 2040 Abs. 1 BGB der Erfolg versagt war, weil es sich dabei um eine Verfügung über den Nachlassgegenstand handelte, über die die Erben nur gemeinschaftlich hätten verfügen können, so dass bereits die fehlende Zustimmung der Beklagten zu 1) der Wirksamkeit der Kündigungen entgegengestanden hätte (vgl. Gergen, in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl. 2013, § 2038 Rz. 29, 53; § 2040 Rz. 5, jeweils m.w.N.). Denn selbst wenn es den Erben entgegen § 2040 Abs. 1 BGB möglich wäre, ein (Wohnraum-)Mietverhältnis über eine zum Nachlass gehörende Sache mit Stimmenmehrheit zu kündigen, müsste sich die Kündigung als Maßnahme ordnungsgemäßer Nachlassverwaltung gemäß § 2038 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 BGB darstellen (vgl. BGH, Urt. v. 11. November 2009 – XII ZR 210/05, NJW 2010, 765 Tz. 26; Beschl. v. Urt. v. 3. Dezember 2014 – IV ZA 22/14, FamRZ 2015, 497Tz. 2). Daran fehlt es hier.

Zur Nachlassverwaltung gehören alle Maßregeln zur Verwahrung, Sicherung, Erhaltung und Vermehrung sowie zur Gewinnung der Nutzung und Bestreitung der laufenden Verbindlichkeiten. Die Ordnungsmäßigkeit einer Maßnahme ist aus objektiver Sicht zu beurteilen. Entscheidend ist der Standpunkt eines vernünftig und wirtschaftlich denkenden Beurteilers (vgl. BGH, Urt. v. 11. November 2009 – XII ZR 210/05, NJW 2010, 765 Tz. 32). Gemessen daran war der Ausspruch der Kündigungen weder vernünftig noch im wirtschaftlichen Interesse des Nachlasses:

Die vom Kläger und der – an diesem Rechtsstreit nicht beteiligten – gemeinsamen Schwester der Parteien geübte Nachlassverwaltung hat zu keinem Zeitpunkt berücksichtigt, dass die zur Beendigung des Mietverhältnisses getroffenen Maßnahmen nicht geeignet waren, eine für die Anwendung des § 2038 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 BGB erforderliche hinreichend verlässliche und nachhaltige Sicherung oder gar Vermehrung des Nachlasses herbeizuführen. Denn für den Fall der Räumung und Herausgabe der ihrer Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit und Lage allenfalls durchschnittlich attraktiven Mietsache ist nicht nur eine Anschlussvermietung zu einer höheren als der bislang entrichteten Miete vollkommen ungewiss. Es bestehen darüber hinaus sogar berechtigte Zweifel, ob es überhaupt möglich sein wird, die Mietsache umgehend und dauerhaft weiter zu vermieten, da das streitgegenständliche Grundstück nicht nur Gegenstand einer zwischen den Parteien – mittlerweile seit Jahren – streitig geführten Erbauseinandersetzung, sondern die Beklagte zu 1) zudem Begünstigte einer das nämliche Grundstück betreffenden Teilungsanordnung nach § 2048 BGB, wenn nicht sogar eines Vorvermächtnisses nach § 2050 BGB ist. Dass ein Dritter in Kenntnis dieser Gesamtumstände die von den Beklagten innegehaltenen Räume dauerhaft anmieten würde – und noch dazu in einer den bisherigen Mietzins übersteigenden Höhe – war und ist nach allgemeiner Lebenserfahrung unwahrscheinlich, jedenfalls aber derart ungewiss, dass im Falle der kündigungsbedingten Beendigung des Mietverhältnisses nicht nur eine Weitervermietung zu ungünstigeren wirtschaftlichen Bedingungen, sondern sogar der vollständige Ausfall weiterer Mietzahlungen aufgrund unterbleibender Anschlussvermietung zu besorgen ist. Das hat das Amtsgericht zutreffend erkannt.

Eine dem Kläger günstigere Beurteilung wäre nur in Betracht gekommen, wenn der geltend gemachte Kündigungsrückstand zum Zeitpunkt des jeweiligen Kündigungsausspruchs aus vernünftiger und objektiver Sicht offensichtlich uneinbringlich und auch mit einem fortdauernden Ausbleiben von Mietzahlungen durch die Beklagten zu rechnen gewesen wäre. Denn in diesem Falle wäre bei vernünftiger wirtschaftlicher Betrachtung die Inkaufnahme des nicht hinreichend sicher kalkulierbaren Risikos einer Anschlussvermietung der eines fortdauernden Zahlungsausfalls bei gleichzeitigem Verbleib der Beklagten in der Wohnung vorzuziehen gewesen. Die Voraussetzungen für eine derartige Risikoabwägung lagen aber weder zum Zeitpunkt der bereits eine Woche nach dem Ableben der Erblasserin ausgesprochenen Kündigung vom 5. Dezember 2014 noch bei der Schriftsatzkündigung vom 27. Januar 2015 vor, da die Beklagte zu 1) bereits mit Schreiben vom 15. November 2014 keine wirtschaftlichen, sondern vornehmlich rechtliche Erwägungen gegen die vom Kläger angemeldeten Zahlungsansprüche ins Feld geführt hatte; letzteren indes vermochten die ernsthafte Besorgnis eines dauerhaften Zahlungsausfalls nicht zu begründen. Diese Besorgnis bestand bei Ausspruch der Kündigung vom 20. Juli 2015 aufgrund der von den Beklagten in der Zwischenzeit geleisteten Zahlungen erst recht nicht.

Nichts anderes folgt daraus, dass die wirksame Kündigung des Mietverhältnisses auch Auswirkungen auf den Beklagten zustehende Gewährleistungsrechte gehabt und damit einhergehend nach Auffassung der Berufung zu einer Entlastung des Nachlasses geführt hätte. Das greift zu kurz. Denn ein im Zeitpunkt der Vertragsbeendigung bestehender Mangel berührt nicht nur die dem Vermieter gemäß § 546a Abs. 1 BGB zustehenden Nutzungsentschädigungsansprüche negativ (vgl. BGH, Urteil vom 27. Mai 2015 – XII ZR 66/13, NJW 2015, 2795 Tz. 13), sondern kann ihn auch noch im Abwicklungsverhältnis gemäß § 242 BGB zur Beseitigung verpflichten (vgl. BGH, a.a.O. Tz. 23). Selbst wenn aber eine rechtliche Verpflichtung zur Mangelbeseitigung nicht bestünde, käme ihre Durchführung dem Erhalt der Gebäudesubstanz zu Gute und diente damit der Sicherung, Erhaltung und Vermehrung des Nachlasses. Ihre kündigungsbedingte Suspendierung zum Zwecke ihres zeitweiligen oder sogar dauerhaften Aufschubs ist bei objektiver Betrachtung demnach weder vernünftig noch wirtschaftlich. Das gilt auch für die klägerseits mit dem Ausspruch der Kündigungen verbundene Hoffnung auf die Begründung und Durchsetzung von Nutzungsentschädigungsansprüchen nach § 546a Abs. 1 BGB gegenüber den Beklagten. Es ist zwar zutreffend, dass Ansprüche aus § 546a Abs. 1 BGB den von den Beklagten zum Zeitpunkt der Vertragsbeendigung geschuldeten Mietzins nicht unter-, sondern womöglich sogar überschreiten; allerdings bestehen sie nur für die Dauer der Vorenthaltung und entfallen im Moment der Räumung und Herausgabe. Da die Bedingungen einer – zudem nahtlosen – Anschlussvermietung hier jedoch ebenso in Frage standen und stehen wie die Möglichkeit zur Anschlussvermietung als solche, beruht die dadurch motivierte Kündigung des Mietverhältnisses vornehmlich auf einer tatsächlich nicht hinreichend begründeten Erwartungshaltung des Klägers und seiner nicht an diesem Rechtsstreit beteiligten Schwester. Eine derart spekulative Verwertungserwartung ist bei objektiver Betrachtung weder vernünftig noch wirtschaftlich sinnvoll; damit vermag auch sie die ausgesprochenen Kündigungen als Maßnahmen ordnungsgemäßer Nachlassverwaltung nicht zu rechtfertigen.

Ob der Ausspruch der Kündigungen und das Festhalten an dem darauf gestützten Räumungsanspruch nicht ohnehin wegen der dem Kläger und seiner Schwester von den Beklagten zur Last gelegten Pflichtverletzungen und der das streitgegenständliche Grundstück betreffenden erbrechtlichen Ansprüche der Beklagte zu 1) treuwidrig war, bedurfte davon ausgehend keiner abschließenden Entscheidung der Kammer, ebensowenig, ob die bloße Miterbenstellung der Beklagten zu 1) und der daraus abgeleitete Besitz – den amtsgerichtlichen Erwägungen entsprechend – dem geltend gemachten Räumungs- und Herausgabeanspruch nicht ohnehin entgegen stehen.

Vor diesem Hintergrund hatten auch der auf Zahlung der Nutzungsentschädigung gerichtete weitere Hauptantrag sowie der die Feststellung der kündigungsbedingten Beendigung des Mietverhältnisses betreffende Hilfsantrag keinen Erfolg.”

Aus der Rubrik “Verbraucherinformationen”:


focus.de am 31.10.2016: Verbraucherschutz
– Überflüssig oder zu teuer: Welche Versicherungen Sie wirklich brauchen

Viele sind unnötig, andere überteuert: Nicht jede Versicherung lohnt sich wirklich für den Verbraucher. Allerdings: Familien brauchen eine besondere Absicherung.

http://www.focus.de/finanzen/versicherungen/policen-check/verbraucherschutz-ueberfluessig-oder-zu-teuer-welche-versicherungen-sie-wirklich-brauchen_id_6139802.html

Aus der Rubrik “Wissenswertes”:             

Reicht allein die abstrakte Möglichkeit von Baumaßnahmen für den Ausschluss einer Mietminderung nach § 536b BGB aus?

Die Antwort des Landgerichts München I (LG München I – 31 S 58/1, Urteil vom 27.10.2016) lautet: Nein!

Zur Begründung führt das LG München I in seiner vorgenannten Entscheidung unter II. 1. bis 6. wie folgt aus:  “Das Amtsgericht hat der Klägerin zu Recht wegen Mietminderung einen Anspruch auf Rückzahlung überzahlter Miete in Höhe von 3.123,04 Euro zugesprochen.

1. Der klägerische Vortrag zum Vorliegen eines zur Mietminderung berechtigenden Mangels ist auch ohne Vorlage eines Lärmprotokolls hinreichend substantiiert.

Zur Darlegung wiederkehrender Beeinträchtigungen des Mietgebrauchs genügt grundsätzlich eine Beschreibung, aus der sich ergibt, um welche Art von Beeinträchtigungen es geht, zu welchen Tageszeiten, über welche Zeitdauer und in welcher Frequenz diese ungefähr auftreten. Der Vorlage eines Protokolls bedarf es nicht. Dies gilt erst recht, wenn die Umstände das Auftreten derartiger Beeinträchtigungen ohnehin nahelegen (BGH Urteil vom 29.02.2012, Az: VIII ZR 155/11; vgl. auch Sternel, Mietrecht aktuell, 4. Aufl. 2009, Rn. VIII 182).

Diesen Anforderungen genügt bereits der klägerische Vortrag in der Klageschrift, ergänzt und z.T. richtig gestellt durch die nachfolgenden Schriftsätze. Bereits in der Klageschrift hat die Klägerin die Lage, den Inhalt und das Ausmaß des Bauvorhabens, den Baufortgang und die damit verbundenen Arbeiten und Geräusche in dem streitgegenständlichen Zeitraum beschrieben und Fotos vorgelegt. Bei einer derart nahe am Haus der Klägerin gelegenen Baustelle liegt das Auftreten erheblicher Beeinträchtigungen sodann auf der Hand. Vor diesem Hintergrund ist im Einklang mit der vorgenannten höchstrichterlichen Rechtsprechung davon auszugehen, dass es die Substantiierungspflicht überspannen und auch angesichts der Dauer der Baumaßnahmen zu einer unzumutbaren und unnötigen Belastung der Kläger führen würde, darüber hinaus die Anfertigung eines Lärmprotokolls oder die Durchführung von Lärmmessungen zu verlangen.

2. Auch die Auffassung der Beklagten, das Amtsgericht habe die Beweislastverteilung verkannt und die Beweisaufnahme habe eine durchgehende Beeinträchtigung über das übliche Maß hinaus nicht ergeben, weshalb keine durchgehende pauschalierte Minderungsquote angesetzt werden könne, teilt die Kammer nicht.

2.1. Dabei ist zunächst vor allem die Prämisse der Beklagten unzutreffend, Baulärm sei per se hinzunehmen, wenn er sich im Rahmen des Üblichen halte, und die Klägerin müsse nachweisen, dass und wann die Grenze des Üblichen überschritten worden ist. Richtig ist vielmehr, dass Baustellenlärm regelmäßig als Mangel der Mietsache anzusehen ist, soweit er die Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch mindert. Die Üblichkeit des Lärms ist dafür nur dann ausschlaggebend, wenn die Parteien bei Abschluss des Mietvertrages eine Beschaffenheitsvereinbarung getroffen haben, aufgrund derer der Mieter den – darin näher zu definierenden – üblichen Lärm dulden muss. Hierauf wird unten noch näher eingegangen. Festzuhalten ist zunächst jedoch, dass auch üblicher Baulärm nicht per se zu dulden ist.

3. Zu Recht hat das Amtsgericht auch angenommen, dass die Beweislast für das Überschreiten von Ortsüblichkeit und Zumutbarkeit des Lärms bei der Beklagten als Vermieterin liegt, wenn diese sich in Abwesenheit einer die Baumaßnahmen erfassenden Beschaffenheitsvereinbarung auf ihre eigene Duldungspflicht gegenüber dem Bauherrn auf dem Nachbargrundstück berufen will. Mit der sog. Bolzplatzentscheidung des BGH (Urteil v. 29.04.2015, VIII ZR 197/14) ist entgegen der Auffassung der Beklagten eine entsprechende Verteilung der Beweislast verbunden, obgleich sich der BGH hierzu nicht ausdrücklich geäußert hat. Nach dieser Entscheidung begründen nachträglich erhöhte Geräuschimmissionen, die von einem Nachbargrundstück ausgehen, bei Fehlen anderslautender Beschaffenheitsvereinbarung grundsätzlich keinen zur Mietminderung berechtigenden Mangel, wenn auch der Vermieter die Immissionen ohne eigene Abwehr- oder Entschädigungsmöglichkeit als unwesentlich oder ortsüblich hinnehmen muss. Die Folge ist, dass der Mieter an der Situationsgebundenheit der gemieteten Wohnung bzw. des Grundstücks und der aus der Nachbarschaft entstammenden Einwirkungen einschließlich der damit verbundenen Veränderungsrisiken generell teilnimmt.

Zwar soll hierdurch dogmatisch kein neben § 536b BGB stehender Minderungsausschluss begründet werden, sondern der BGH zieht § 906 BGB zur ergänzenden Auslegung der Vertragsabrede zwischen den Parteien heran und kommt zu dem Ergebnis, dass redlicherweise nicht angenommen werden kann, dass die Parteien eines Mietvertrags bei Vertragsschluss davon ausgehen, der Vermieter solle den ursprünglich bestehenden Immissionsstandard für die Vertragsdauer ungeachtet etwa nach § 906 BGB bestehender Duldungspflichten unverändert gewährleisten. So ist auch im vorliegenden Fall, da die Parteien keine ausdrückliche Beschaffenheitsvereinbarung über den Fall des Neubaus eines Mehrfamilienhauses auf dem Nachbargrundstück getroffen haben, davon auszugehen, dass im Falle einer Duldungspflicht ohne Entschädigungsmöglichkeit im Verhältnis zwischen der Beklagten und dem Bauherrn auch eine Duldungspflicht der Klägerin besteht.

Trotz dieser dogmatischen Einordnung auf der Ebene der Beschaffenheitsvereinbarung ist das Bestehen einer Duldungspflicht ohne Entschädigungsmöglichkeit, auf die sich der Vermieter beruft, um zu dem für ihn positiven Ergebnis zu gelangen, ein Umstand, den der Vermieter nach den allgemeinen Beweislastregeln (vgl. Münchener Kommentar zum BGB, 5. Aufl. 2016, § 286 Rn.111) darzulegen und zu beweisen hat, da es sich von der Auswirkung her letztlich um eine rechtshindernde bzw. minderungsausschließende Einwendung handelt (ebenso Klimesch, NZM 2015, 855). So muss der Vermieter zum Beispiel auch eine etwaige Unerheblichkeit der Tauglichkeitsminderung beweisen (BeckOK BGB/Ehlert BGB § 536 Rn. 116).

Dem steht nicht entgegen, dass der BGH diese Frage auf der Ebene des Mangelbegriffs lösten wollte (so Selk NZM 2016, 239 – Anm. zu: LG München I, Urteil vom 14. Januar 2016 – 31 S 20691/14) und der Mieter für das Vorliegen eines Mangels grundsätzlich darlegungs- und beweispflichtig ist. Es handelt sich vorliegend um eine Art gespaltenen bzw. zusammengesetzen Mangel, welcher auch eine differenzierte Beweislastverteilung erfordert. Dieser enthält zum einen die eigentliche, tatsächliche Beeinträchtigung des Mietgebrauchs durch den Lärm als solche, wofür der Mieter anerkanntermaßen die Beweislast trägt. Zum anderen muss aber noch hinzukommen der rechtliche Umstand, dass auch der Vermieter die Immissionen ohne eigene Abwehr- oder Entschädigungsmöglichkeit nach § 906 BGB als unwesentlich oder ortsüblich hinnehmen muss. Dies hat der BGH aber als Ausnahme insofern formuliert, als er dargestellt hat, unter welchen Umständen kein Mangel vorliegt. Bereits hieraus ergibt sich die Darlegung- und Beweislast des Vermieters für diesen, einen Mangel ausschließenden rechtlichen Umstand, welcher nichts mit der tatsächlichen Gebrauchsbeeinträchtigung der Mietsache zu tun hat.

Letztlich kommt somit dem Vermieter dieselbe Darlegungs- und Bewelslast zu wie einem Emittenten im Rahmen des § 906 BGB. So hat der BGH diese Beweislastverteilung auch dann angenommen, wenn der Eigentümer eines Kraftfahrzeugs geltend macht, er sei durch Staubauswürfe einer Schmelzanlage geschädigt worden ( BGH, Urteil vom 18. September 1984 – VI ZR 223/82). Danach sei es u.a. in Anlehnung an die Beweisgrundsätze zu § 906 BGH Sache des Emittenten darzutun und zu beweisen, dass die von seinem Grundstück ausgehenden Emissionen sich im Rahmen einer ortsüblichen Benutzung seines Grundstücks gehalten haben. Nun ist zwar der Vermieter nicht selbst der Emittent, allerdings sind ihm bzw. seiner Sphäre die Emissionen deshalb insofern zuzurechnen, da ihm im Rahmen seiner Verpflichtung zur Erhaltung des vertragsgemäßen Zustands der Mietsache grundsätzlich auch die Pflicht trifft, von Dritten ausgehende Störungen vom Mieter fernzuhalten. Ebensowenig ist der Mieter Eigentümer eines Grundstücks – wie auch der Eigentümer eines Kraftfahrzeuges es nicht ist, jedoch kann man sich auch hier an die Beweisgrundsätze des § 906 BGB anlehnen. Schließlich besteht eine “größere Nähe” bzw. Kenntnis des vermietenden Eigentümers sowohl zu den Umständen des Nachbargrundstücks als auch zu der Frage, ob eine zu duldende Einwirkung eine “ortsübliche Benutzung des Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt” (§ 906 Abs. 2 S. 2 BGB). Denn nach der Entscheidung des BGH könnten nachträglich erhöhte Geräuschimmissionen durch Dritte grundsätzlich dann keinen gemäß § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB zur Mietminderung führenden Mangel der Mietwohnung begründen, wenn auch der Vermieter sie u.a ohne eigene Entschädigungsmöglichkeit hinnehmen muss. Andernfalls müsse dann nämlich der Mieter u.a. darlegen und beweisen, dass die Einwirkung den Ertrag des Vermieters unzumutbar beeinträchtigt, was nicht sachgerecht erscheint.

Auch hat der BGH in der Entscheidung vom 29.04.2015 festgestellt, dass die Tatsache, dass § 906BGB im Verhältnis der Mietvertragsparteien untereinander keine Anwendung findet, eine Beachtung der nachbarrechtlichen Ausstrahlungswirkungen dieser Norm zur näheren Bestimmung der mietvertraglichen Rechte und Pflichten der Parteien nicht ausschließt. Es somit auch naheliegend und es spricht auch nichts dagegen, die dortige Beweislastverteilung hier entsprechend anzuwenden. Von daher kann die Ansicht von Selk (aaO.) nicht geteilt werden, dass die Ansicht der Kammer nicht im Einklang mit der Entscheidung des BGH steht (kritisch zu Selk ebenfalls Klimesch aaO.). Die Kammer hält somit an ihrer bisherigen Rechtsprechung (vgl. LG München I, Urteil vom 14. Januar 2016 – 31 S 20691/14) fest.

3.1. Soweit das Amtsgericht aufgrund seiner Beweiswürdigung zu dem Ergebnis gekommen ist, es habe im gesamten Zeitraum keine längere lärmfreie Zeit gegeben, ist dies nicht zu beanstanden. Die Beweiswürdigung des Amtsgerichts in Bezug auf die durchgehende Lärmbelästigung wurde ohne Rechtsfehler vorgenommen, so dass die Kammer daran nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gebunden ist. Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der Beweiswürdigung sind ein unrichtiges Beweismaß, Verstöße gegen Denk- und Naturgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze, Widersprüche zwischen einer protokollierten Aussage und den Urteilsgründen sowie Mängel der Darstellung des Meinungsbildungsprozesses wie Lückenhaftigkeit oder Widersprüche (vgl. etwa BGH VersR 2005, 945; OLG München in st.Rspr., Urt. v. 09.10.2009 – 10 U 2965/09 und zuletzt Urt. v. 20.05.2011 – 10 U 3958/10). Konkreter Anhaltspunkt in diesem Sinn ist jeder objektivierbare rechtliche oder tatsächliche Einwand gegen die erstinstanzlichen Feststellungen (BGHZ 159, 254[258]; NJW 2006, 152 [153]); bloß subjektive Zweifel, lediglich abstrakte Erwägungen oder Vermutungen der Unrichtigkeit ohne greifbare Anhaltspunkte genügen nicht (OLG München vom 06.07.2012 – 10 U 3111/11).

Das Amtsgericht hat eine eingehende Beweiswürdigung vorgenommen und eine Vielzahl an Zeugen vernommen, außerdem lagen Fotos und eine DVD vor. Soweit die Beklagte bemängelt, dass den Zeugenaussagen nicht zu entnehmen ist, dass eine unzumutbare Lärmbelästigung vorgelegen habe, ist dies nach dem oben Gesagten unerheblich, da Seitens der Mieterin lediglich eine Beeinträchtigung der Mietsache nachzuweisen war, ohne dass es zunächst auf Zumutbarkeit und Ortsüblichkeit ankam. Soweit die Beklagte ferner meint, der Zeuge Csallner habe von einer längeren Pause der Bauarbeiten berichtet, weshalb eine durchgehende Minderungsquote nicht zu begründen ist, stützen die Angaben der übrigen Zeugen dies nicht. Die Beklagte setzt mit diesem Einwand offensichtlich ihre eigene Beweiswürdigung an die Stelle der Beweiswürdigung des dazu berufenen Gerichts. Durchgreifende Mängel der Beweiswürdigung nach den oben aufgeführten Maßstäben kann die Kammer indes nicht erkennen.

3.2. Dass das Amtsgericht das Bauvorhaben nach Bauphasen unterteilt und innerhalb dieser Bauphasen jeweils pauschalierte Minderungsquoten angesetzt hat, ist nicht zu beanstanden. Bei jeder Baustelle – nicht nur bei besonders großen – unterscheiden sich die Geräusch- und sonstigen Emissionen von Tag zu Tag, da naturgemäß im Bauverlauf jeden Tag unterschiedliche und an manchen Tagen auch gar keine Arbeiten durchgeführt werden. Das kann jedoch nicht dazu führen, dass der Mieter zur Berechnung der ihm zustehenden Minderung gegebenenfalls über Jahre hinweg täglich Messungen durchführen muss, um eine taggenaue Minderungsquote darlegen zu können. Dies würde die Durchsetzung eines Minderungsanspruchs gerade bei länger andauernden und damit für den Mieter besonders gravierenden Beeinträchtigungen nahezu ausschließen. Mit einer pauschalierten Minderungsquote können indes belästigungsfreie Tage ebenso wie Spitzen der Geräuschbelastung angemessen aufgefangen werden. Eine pauschalierte Minderungsquote erscheint dabei auch vor dem Hintergrund gerechtfertigt, dass der Mieter – anders als etwa bei periodisch auftretenden Mängeln – eine geringere Baustellenaktivität nur bedingt vorhersehen kann und seinen Alltag daher ungeachtet gelegentlicher Verringerung oder Pausen auf eine übliche oder durchschnittliche Beeinträchtigung ausrichten muss. Die Festsetzung hält sich daher letztlich im Rahmen des § 287 ZPO, zumal es gesetzliche Minderungstabellen nicht gibt (vgl. auch BGH, Urteil vom 21. Januar 2016 – I ZR 90/14,0 wonach hierbei auch in Kauf genommen werden muss, dass das Ergebnis unter Umständen mit der Wirklichkeit nicht übereinstimmt).

4. Zu Recht hat das Amtsgericht im Ergebnis auch angenommen, dass die Mietminderung nicht wegen Vorhersehbarkeit der Baumaßnahmen nach § 536b BGB ausgeschlossen ist. Es kann daher dahinstehen, inwieweit die Erkennbarkeitsrechtsprechung, auf die sich die Beklagte bezieht, durch die Bolzplatzentscheidung des BGH überholt ist, wie die Klägerin meint. Der Auffassung der Beklagten, es reiche, dass mit einer baulichen Veränderung der Umgebung dem Grunde nach gerechnet werden müsse, ohne dass konkrete Anhaltspunkte dafür notwendig seien, kann die Kammer jedenfalls nicht zustimmen. Nur konkrete Anhaltspunkte können dazu führen, dass mit baulichen Veränderungen gerechnet werden muss. Allein die abstrakte Möglichkeit von Baumaßnahmen, die nahezu immer und überall besteht, reicht für den Ausschluss der Mietminderung keinesfalls aus. Etwas Abweichendes ergibt sich auch nicht aus der von Beklagtenseite in Bezug genommenen Rechtsprechung. Auch dort wird aufgrund konkreter Anhaltpunkte wie Baulücken oder baufälliger Gebäude bei Vertragsschluss davon ausgegangen, dass der Mieter mit Baulärm rechnen musste (OLG München Urteil v. 26.03.1993 – 21 U 6002/92; KG Urteil v. 03.06.2002 – 8 U 74/01), bzw. bei Vorliegen konkreter Anhaltspunkte für bevorstehende Bauarbeiten bei Vertragsschluss von einer entsprechenden Beschaffenheitsvereinbarung ausgegangen (LG Berlin, Hinweisbeschluss vom 04.09.2012 – 65 S 201/12).

Aus diesem Grund reicht es für den Minderungsausschluss im vorliegenden Fall auch nicht aus, dass es unstreitig in Solln seit einigen Jahren vermehrte Bautätigkeit gibt, die zum Abriss einzeln stehender Einfamilienhäuser und zum Neubau von Mehrfamilienhäusern führt, und dass auf dem Nachbargrundstück der Klägerin ein Einfamilienhaus gestanden hat. Zum einen erfasst der Zeitraum “seit einigen Jahren” wohl eher nicht den allein maßgeblichen Zeitpunkt des Mietvertragsschlusses im Jahr 1998. Dass die entsprechende bauliche Entwicklung von Solln bereits zu diesem Zeitpunkt in einem Maße vorhersehbar war, dass der Klägerin vorgeworfen werden kann, dass sie positive Kenntnis von der nunmehr eingetretenen Entwicklung hatte bzw. ihr diese hätte ins Auge springen müssen, ist in keiner Weise erkennbar. Auch die Beklagte hat nicht vorgetragen, dass es hierfür bereits 1998 konkrete Anhaltspunkte gab, wie etwa eine weitgehende Abwesenheit von Einfamilienhäusern in Solln bereits zu diesem Zeitpunkt, eine Baufälligkeit des Nachbarhauses oder Anzeichen für konkrete Planungen.

Auch musste die Klägerin nicht gerade wegen der langen Dauer des Mietverhältnisses mit dieser Art von Baumaßnahmen rechnen. Zwar ist der Beklagten zuzugeben, dass bei einer langen Mietvertragsdauer die Wahrscheinlichkeit steigt, dass in der Nachbarschaft bauliche Maßnahmen ergriffen werden. Von einer Erkennbarkeit ist jedoch, wie das Amtsgericht zu Recht ausgeführt hat, erst dann auszugehen, wenn für den Mieter bei Vertragsschluss bereits Art und Umfang sowie Intensität und zeitliche Perspektive der bevorstehenden Baumaßnahmen abschätzbar sind (Münchener Kommentar zum BGB, 12. Aufl. 2015, § 536 Rn.138). Während mit einer Renovierung von älteren Nachbarhäusern oder kleineren sonstigen Arbeiten oder Anbauten über kurz oder lang möglicherweise gerechnet werden muss, weil Häuser sich bekanntlich abnutzen und Schäden entstehen oder sich die Bedürfnisse der Bewohner ändern, gilt dies für den Abriss eines bewohnten Einfamilienhaus zugunsten eines neuen Mehrfamilienhauses auch bei längerer Vertragsdauer nur bei Vorliegen entsprechender Anhaltspunkte, da bloßer Zeitablauf nicht per se zu einem Strukturwandel eines Wohngebiets führt (dementsprechend differenziert auch das KG in dem Urteil v. 03.06.2002 – 8 U 74/01 – bei der Vorhersehbarkeit prinzipiell zwischen der Entkernung eines renovierungsbedürftigen Nachbargebäudes und einer bloßen Fassadenerneuerung).

5. Ein Verstoß gegen § 308 ZPO liegt nicht vor. Wie die Klägerin zu Recht ausführt, hat sie mit dem Hilfsantrag keine bestimmte Minderungsquote sondern eine Zahlung beantragt. Hinter diesem Antrag ist das Amtsgericht mit seinem Urteil zurückgeblieben.

6. Schließlich ist auch die Berechnung der Minderung ohne weiteres nachvollziehbar. Die auf S. 5 des erstinstanzlichen Urteils errechneten Minderungsbeträge von 1.302,32 Euro, 140,49 Euro und 1.109,16 Euro betreffen lediglich die vom Gericht identifizierten speziellen Bauphasen, in denen Minderungsquoten von 10%, 20% und 60% anzusetzen waren. Lediglich in dem übrigen Zeitraum (also vom 01.03.2013 bis zum 02.11.2014) hat das Gericht eine Minderung von 5% berechnet und diese mit 2,34 Euro pro Tag auch korrekt beziffert. Es wurden also keineswegs im Gesamtzeitraum zusätzlich zu den erhöhten Minderungsquoten weitere 5% angesetzt.”

AMV im Lichte der Presse:

Spandauer Volksblatt am 31.10.2016 – „Wir frieren“: Mieter klagen über defekte Heizungen und schlechten Service der Deutsche Wohnen

Der Alternative Mieter- und Verbraucherschutzbund (AMV) nimmt Beschwerden von Mietern der zur Deutschen Wohnen gehörenden GSW im Falkenhagener Feld zum Anlass einer Kiezversammlung am 10. November von 18.30 bis 20 Uhr im Klubhaus Westerwaldstraße 13.

Wann? 10.11.2016 18:30 Uhr bis 10.11.2016 20:00 Uhr

Wo? Klubhaus Westerwaldstraße, Westerwaldstraße 13, 13589 Berlin

http://www.berliner-woche.de/falkenhagener-feld/bauen/wir-frieren-mieter-klagen-ueber-defekte-heizungen-und-schlechten-service-der-deutsche-wohnen-d111903.html

AMV im Lichte der Presse:

Unterwegs in Spandau am 31.10.2016: Unterstützung von pflegenden Angehörigen

18. Mieter- und Verbraucherstammtisch des AMV am 16.11.2016

Der 18. Mieter- und Verbraucherstammtisch des AMV findet am 16.11.2016 um 19:30 Uhr im Restaurant 1860 TSV Spandau, Tanzsportzentrum, Askanierring 150, 13585 Berlin-Spandau, statt. Ausgewiesene Expertinnen und Experten vom Pflegestützpunkt Spandau-Kladow, von der Bus & Bahn-Begleitservice der VBB Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg GmbH sowie von der Kontaktstelle PflegeEngagement Spandau werden zu dem Thema „Unterstützung von pflegenden Angehörigen“ referieren, Tipps zu Hilfsangeboten geben und danach Fragen der anwesenden Verbraucherinnen und Verbraucher beantworten.

E I N L A D U N G

18. Mieter- und Verbraucherstammtisch des AMV am 16.11.2016 – „Unterstützung von pflegenden Angehörigen“

Wann: 16.11.2016, 19:30 Uhr

Wo: Restaurant 1860 TSV-Spandau, Tanzsportzentrum, Askanierring 150, 13585 Berlin-Spandau

Thema: Unterstützung von pflegenden Angehörigen

Referenten:
– Pflegestützpunkt Spandau-Kladow, Unterstützungsmöglichkeiten – Frau Simone Hagelstein (Pflegeberaterin, Fachwirtin im Sozial- und Gesundheitswesen) und Kollegen
– Bus & Bahn-Begleitservice der VBB Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg GmbH, Mobilitätshilfe – Frau Heike Rau
– Kontaktstelle PflegeEngagement Spandau, Selbsthilfe und Ehrenamt – Herr Dirk Häsel (
Projektkoordinator)

Der AMV freut sich auf zahlreiches Erscheinen interessierter Verbraucherinnen und Verbraucher! Die Teilnahme ist – wie immer – kostenlos!

http://www.unterwegs-in-spandau.de/unterstuetzung-von-pflegenden-angehoerigen/

Aus der Rubrik “Wissenswertes”:             

Berechnen sich die Minderungsbeträge bei einem Heizungsausfall in Abhängigkeit von den Außentemperaturen und sind somit für jeden Monat gesondert festzustellen?

Die Antwort des Amtsgerichts Nienburg/Weser (AG Nienburg/Weser – 6 C 159/16, Beschluss vom 23.08.2016) lautet: Ja!

Zur Begründung führt das AG Nienburg/Weser in seiner vorgenannten Entscheidung wie folgt aus: “Soweit sich der Beklagte gegen eine über 228,00 Euro nebst gesetzlicher Verzugszinsen nach § 288 Abs. BGB hinausgehende Klagforderung wendet, hat seine Rechtsverteidigung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Der Kläger hat auch im Falle einer durch die angeordnete Beweisaufnahme bewiesenen Zusage seines Vermieters bei Vertragsschluss zum Einbau einer damals noch fehlenden Heizungsanlage allenfalls ein Minderungsrecht infolge der fehlenden Beheizbarkeit der Wohnung für Februar 2016 von 70 %, für März 2016 von 60 %, für April 2016 von 50 % und für Mai 2016 von 25 % der Bruttomiete. Daraus errechnet sich ein Minderungsbetrag für diesen Zeitraum von 492,00 Euro und damit ein offener Mindestmietanspruch des Klägers für diesen Zeitraum von 468,00 Euro (4 x 240,00 Euro ./. 492,00 Euro = 468,00 Euro) auf den der Beklagte bereits 240,00 Euro gezahlt hat. Der bei deren Zahlung geltend gemachte Vorbehalt könnte zwar (nur) einen Rückforderungsanspruch begründen, der gemäß den oben genannten maximalen Minderungsquoten für April und Mai aber unbegründet sein dürfte. Im Ergebnis errechnet sich daraus eine in jedem Fall unabhängig vom Ausgang der Beweisaufnahme berechtigte Klageforderung von 228,00 Euro.

Bei der Berechnung der Minderungsbeträge ist zum einen zu berücksichtigen, dass die wegen der Nichtbeheizbarkeit der Wohnung eintretende Gebrauchsbeeinträchtigung für jeden Monat gesondert festzustellen ist (vgl. nur Amtsgericht Dortmund NJW-RR 2014, 470 f.) und das Ausmaß der Gebrauchsbeeinträchtigung zum anderen insoweit von den Außentemperaturen abhängig ist, von denen im Falle fehlender Beheizbarkeit auch die Innentemperaturen der Wohnung abhängen. Dass der Beklagte dabei überobligatorisch selbst eine Beheizung mit Heizstrahlern versucht hat, ist dabei mangels entsprechender vertraglicher Verpflichtung ohne Belang. Für den Wintermonat Februar geht das Gericht dabei von einer maximal 70%igen Mietminderung aus (vgl. nur Amtsgericht Charlottenburg WuM 2014, 91 ff., m.w.N.), die sich in den nachfolgenden, zunehmend wärmeren Kalendermonaten sukzessive verringert.”