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Aus der Rubrik “Wissenswertes”:

 

 
Ist 3 § MietenWoG Bln verfassungswidrig?

Die Antwort des Amtsgerichts Mitte (AG Mitte – 113 C 5055/19, Beschluss vom 18.05.2020) lautet: Ja!

Zur Begründung führt das Amtsgericht Mitte in seiner vorgenannten Entscheidung unter IV. bis VI. wie folgt aus: „Die hier relevante Vorschrift des MietenWoG Berlin – das Verbot, eine höhere Miete zu fordern, als die am Stichtag vereinbarte – ist verfassungswidrig.

Dem Land Berlin fehlt es bereits an der Gesetzgebungskompetenz zum Erlass eines derartigen generellen Mieterhöhungsverbotes. Die Regelung unterfällt dem Kompetenztitel des Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG (Bürgerliches Recht), damit der konkurrierenden Gesetzgebung. Da der Bundesgesetzgeber von seiner Gesetzgebungskompetenz hier umfassend Gebrauch gemacht hat, scheiden ergänzende oder gar abweichende landesgesetzliche Regelungen aus. Der frühere Kompetenztitel Wohnungswesen, der seit der “Föderalismusreform” nicht mehr insgesamt der konkurrierenden, sondern größtenteils der Ländergesetzgebung unterfällt, kann als Kompetenzgrundlage nicht herangezogen werden (im Ergebnis ebenso: Abramenko, AnwBI Bln 2019, 418; Beuermann, GE 2019, 841; Feldmann, GE 2019, 1469; Knauthe, ZfIR 2019, 509; Papier, Rechtsgutachten – Landeskompetenz zur Einführung eines sogenannten Mietendeckels, 16; ders., DRiZ 2019, 380, 381; Pickert, GE 2019, 954; Schede/Schuldt, NVwZ 2019, 1572; dies., AnwBI BIn 2019, 414; Stelzer, GE 2019, 1473; Wichert, GE 2019, 1356; Wissenschaftlicher Dienst des Bundestages, Gutachterliche Stellungnahme, WD 3 – 3000 – 149/19, 3 ff.; Wolfers/Opper, DVBI. 2019, 1446; 1447; LG Berlin aaO).

Das Mietpreisrecht ist grundsätzlich Teil des sozialen Mietrechts, das nach ganz allgemeiner Auffassung traditionell eine Materie des bürgerlichen Rechts ist. Das Wohnungswesen demgegenüber umfasst öffentlich-rechtliche Maßnahmen zur Wohnraumbeschaffung und zur Wohnraumnutzung. Die hier relevante Norm ist eindeutig eine solche des Mietpreisrechts, auch wenn das MietenWoG versucht, sich durch Formulierungen, die von den parallelen Formulierungen des BGB teilweise absetzen, das Mäntelchen des Verwaltungsrechts überzuwerfen.

Mietverhältnisse sind Vertragsverhältnisse unter Privaten. Wohnungen werden nicht durch Verwaltungsakt zugewiesen. In Vertragsverhältnissen sind Leistung und Gegenleistung primäre Vertragspflichten. Die Vereinbarung der Miethöhe ist deshalb untrennbar mit dem Mietverhältnis und damit mit dem bürgerlichen Recht verbunden.

Im Rahmen des sozialen Mietrechts – gegründet auf der Sozialbindung des Eigentums – beschränkt das BGB selbst die ansonsten zwischen den Parteien bestehende Vertragsfreiheit, wobei das BGB einen sozial ausgewogenen Interessenausgleich zwischen den naturgemäß widerstreitenden Interessen sowohl des Mieters als auch des Vermieters versucht. So verschließt das BGB dem Vermieter die ansonsten in Dauerschuldverhältnissen gegebenen Möglichkeiten, die Gegenleistung zu erhöhen, weitestgehend. Weder können in Mietverträgen Preissteigerungen frei vereinbart werden, noch sind Änderungskündigungen möglich. Die Möglichkeiten für zeitlich befristete Verträge sind ebenso wie die Möglichkeiten zur Kündigung erheblich eingeschränkt. Als Ausgleich sieht das BGB eine Verpflichtung des Mieters vor, einer vertraglichen Vereinbarung zur Änderung der Miethöhe unter bestimmten Voraussetzungen zuzustimmen. Zu diesen Voraussetzungen gehören im bürgerlichen Recht auch Fristen. § 558 Abs. 1 BGB enthält gesetzliche Fristen für Erhöhungen oder andersherum: § 558 Abs. 1 BGB verbietet dem Vermieter, vor Ablauf der Fristen des § 558 BGB eine Zustimmung zur Mieterhöhung zu verlangen.

Wenn nun § 3 Abs. 1 MietenWoG Bln faktisch dem Vermieter versagt, ohne Rücksicht auf die Fristen des BGB eine Mieterhöhung zu verlangen, so steckt dahinter im Zusammenspiel mit Art. 4 Abs. 2 des Berliner Gesetzes zur Neuregelung gesetzlicher Vorschriften zur Mietenbegrenzung vom 11. Februar 2020 – diese Vorschrift regelt das Außerkrafttreten des MietenWoG fünf Jahre nach Inkrafttreten – letztlich nichts anderes als eine Verlängerung der durch das BGB in § 558 Abs. 1 enthaltenen Frist um fünf Jahre. Genau das ist der Regelungsinhalt, genau das ist mit dem Gesetz auch gewollt. Die Überschrift des Paragrafen “Mietenstopp” ist bezeichnend. Die Vorschrift greift damit direkt in das Mietpreisrecht des BGB ein, durchbricht den im BGB vorgenommene Interessenausgleich zwischen Vermieter und Mieter und ist damit dem Mietpreisrecht und folglich dem bürgerlichen Recht zuzuordnen. Dafür fehlt dem Land die Gesetzgebungskompetenz.

Die Kompetenzüberschreitung des Landesgesetzgebers lässt sich auch nicht dadurch rechtfertigen, dass das MietenWoG einige in der Tat rein öffentlich-rechtliche Regelungen enthält. Tatsächlich sind diese öffentlich-rechtlichen Normen nämlich marginal und wirken nicht lediglich quasi bei Gelegenheit der Regelung des Wohnungswesens auf das Bürgerliche Recht. Der zentrale Schwerpunkt des Gesetzes liegt ganz eindeutig darin, die Regelungen des BGB zur Miethöhe und Mieterhöhung zu verschärfen.

Weder enthält das Gesetz irgendwelche ernsthaften Regelungen zu öffentlich gefördertem Wohnraum oder Wohnraumbewirtschaftung, was üblicherweise ein zentraler Aspekt von Regelungen im Wohnungswesen wäre. Die Zuschussmöglichkeit des § 9 bei genehmigter Überschreitung des Miethöchstbetrages verweist letztlich nur auf andere Gesetze. Noch enthält das Gesetz abgesehen von der Verhängung von Bußgeldern – ernsthafte Tätigkeitsfelder für die Verwaltung. Selbst die in dem ursprünglichen Gesetzentwurf enthaltene Möglichkeit, Bestandsmieten durch Verwaltungsakt abzusenken (§ 2 Abs. 2 Satz 3 des Entwurfes ermächtigte die Bezirksämter noch, überhöhte Mieten zu untersagen), enthält das Gesetz nicht, sondern überantwortet dies dem Zivilrecht. Der verwaltungsrechtliche Gehalt beschränkt sich im Wesentlichen darauf, Bußgelder für etwas verhängen zu können, was das BGB erlaubt, Auskünfte einzuholen, zu Überwachen und Daten zu verwalten.

Der Schwerpunkt des Gesetzes liegt also sehr eindeutig auf der Regulierung der Miethöhe und der Verhinderung von Mieterhöhungen, wobei weitestgehend das Instrumentarium des BGB – Fristen für Mieterhöhungen, Beschränkung der Höhe von Mieterhöhungen durch die Regelungen zur ortsüblichen Vergleichsmiete, Indexmiete und Staffelmiete, Begrenzung der Miethöhe bei Neuvermietungen – aufgegriffen und verschärft wird. Lediglich die in §§ 5 ff MietenWoG ermöglichte Absenkung von Bestandsmieten sieht das BGB – außer bei Neuvermietungen – bislang nicht vor. Auch das ist aber nicht Verwaltungsrecht – zumal der Mieter dies nach den Vorschriften des Zivilrechts selbst vor den Zivilgerichten durchzusetzen hätte – sondern Bürgerliches Recht. Und auch da ist die Regelung des BGB als umfassend und die Gesetzgebungskompetenz des Landes als nicht gegeben anzusehen.

An diesem Befund ändert auch nichts der Umstand, dass das MietenWoG krampfhaft, die Formulierungen des BGB zu vermeiden und andere wählt. Im hier interessierenden Fall werden nicht etwa Mieterhöhungen verboten, sondern nur “eine Miete”. Bei Neuvermietungen wird wörtlich keineswegs der Abschluss eines Mietvertrages mit höheren Miete verboten, wohl aber das Fordern höherer Mieten. Selbst die Ausnahmeregelungen für den Anwendungsbereich des Gesetzes für neugeschaffenen Wohnraum (§ 1 Nr. 3 MietenWoG) bildet man zwar der Ausnahmevorschrift des § 556 f BGB nach, formuliert aber etwas anders, um das zu maskieren. Auch Bezugnahmen auf BGB-Vorschriften meidet man im Gesetzestext und versteckt sie in der Begründung. Inhaltlich und vor allem wirtschaftlich ist das schlicht das Gleiche.

Tatsächlich eröffnet das BGB selbst an einigen Stellen dem Landesgesetzgeber Möglichkeiten der Regelung – § 556d Abs. 2 BGB, § 558 Abs. 3 Satz 3 BGB – und macht damit deutlich, dass die Regelungen ansonsten abschließend und der Landesgesetzgebung nicht zugänglich sind (was im Übrigen auch allgemein so anerkannt ist und nie Gegenstand der Begründungsversuche des Landesgesetzgebers war- siehe Beschlussvorlage des Senats an das Abgeordnetenhauses – Seite 14)

Damit scheidet aber auch die von einigen Autoren und vom Landesgesetzgeber bemühte Gesetzgebungskompetenz “Wohnungswesen” zur Rechtfertigung aus (so Fischer-Lescano/Guttmann/Schmid, Rechtsgutachten – Landeskompetenzen für Maßnahmen der Mietpreisregulierung, 20; Mayer, DRiZ 2019, 380; Mayer/Artz, Rechtsgutachten – Öffentlich-rechtliche und privatrechtliche Aspekte eines “Mietendeckels” für das Land Berlin, 36; Putzer, NVwZ 2019, 283; Weber ZMR 2019, 389 Gather/v.RestorffRRödl im “Verfassungsblog” 26.11.2019). Die fraglichen Normen sind der Sache nach keine Normen zur Regelung des Wohnungswesens, sondern es sind Mietpreisnormen und damit bürgerlich-rechtliche Normen.

Schon ein Blick in die amtliche Begründung zur “Föderalismusreform” zeigt, was mit “Wohnungswesen” gemeint und was eben nicht gemeint ist: Beim Bund sollten die jetzt in Art 74 Nr. 18 GG geregelten Aspekte verbleiben, also städtebaulicher Grundstücksverkehr, Bodenrecht (ohne das Recht der Erschließungsbeiträge) und das Wohngeldrecht, das Altschuldenhilferecht, das Wohnungsbauprämienrecht, das Bergarbeiterwohnungsbaurecht und das Bergmannssiedlungsrecht. Den Ländern wurden lediglich noch die – wie es in der Begründung (BT-Drucksache 16/813, S. 13) deutlich heißt – “übrigen Bereiche des Wohnungswesens”, nämlich die Regelung des Wohngeld-, Altschuldenhilfe-, Wohnungsbauprämien-, des Bergarbeiterwohnungsbau- und Bergmannsiedlungsrechtes sowie des Rechts der sozialen Wohnraumförderung, den Abbau von Fehlsubventionierungen im Wohnungswesen, das Wohnungsbindungs- und das Zweckentfremdungsrecht im Wohnungswesen sowie das Wohnungsgenossenschaftsvermögensrecht überlassen.

Das Mietpreisrecht als Ganzes ist nicht erwähnt und kann deshalb allenfalls dann als Teil der Kompetenz “Wohnungswesen” begriffen werden, wenn es im Zusammenhang mit der Wohnbauförderung steht, also bei vom Land in dem Rahmen geförderten Wohnraum, evtl auch bei städtischen Immobilien und solchen der städtischen Wohnungsbaugenossenschaften, wenn man diese als Instrument der Wohnraumförderung begreift, nicht aber beim gesamten Wohnungsmarkt (siehe Papier, a.a.O., 14; Schede/Schuldt, a.a.O., 1576; Wissenschaftlicher Dienst des Bundestages, a.a.O., 4). Interessanterweise ist nun gerade der geförderte Wohnraum, bei dem das Land wohl mit Recht preisgestaltende Normen treffen könnte, vom Geltungsbereich des MietenWoG ausgenommen (§ Nr. 1 MietenWoG).

Auch ein Blick in die amtliche Begründung eines weiteren Gesetzes hilft weiter: Laut amtlicher Begründung zur Einführung der “Mietpreisbremse” (= Bürgerliches Recht) sollen die §§ 556 d ff BGB der Verdrängung wirtschaftlich weniger leistungsfähiger Bevölkerungsgruppen aus nachgefragten Quartieren entgegen wirken, Wohnraum bezahlbar erhalten und Verdrängungsmaßnahmen vermindern (BT-Drucks. 447/14, S.11). Das sind just in weiten Teilen die Punkte, die der Landesgesetzgeber jetzt heranzieht, um zu begründen, dass seine Regelungen andere Gründe, als die dem bürgerlichen Recht zugrunde liegenden haben

Selbst wenn man das Verbot des § 3 Abs. 1 Mieten WoG nicht ausschließlich dem bürgerlichen Recht zuordnen wollte, sondern eine Einordnung unter den Bereich “Wohnungswesen” für möglich hielte, hätte das Land Berlin hier unter dem Gesichtspunkt der bundesstaatlichen Rücksichtnahme und dem Gebot der Widerspruchsfreiheit von Bundes- und Landesrechts seine Gesetzgebungskompetenz überschritten. Diese Grundsätze setzten der Kompetenzausübung der Länder Schranken, indem sie es dem Landesgesetzgeber verwehren, konzeptionelle Entscheidungen des Bundesgesetzgebers durch eine auf einer landeseigenen Spezialkompetenz gründende Einzelentscheidung zu verfälschen. Es ist untersagt, inhaltlich gegenläufige Regelungen an den Normadressaten zu richten, die die Rechtsordnung widersprüchlich machen (vgl. BVerfG, Urt. v. 27. Oktober 1998 – 1 BvR 2306/96, BVerfGE 98, 265). Der Bundesgesetzgeber hat ein einheitliches System zur Regelung von Mieterhöhungen in laufenden Mietverhältnissen geschaffen. Der Landesgesetzgeber greift genau in dieses System ein und hebelt es – und zwar nicht bloß “zufällig” und in Einzelfällen, sondern ganz bewusst und umfassend – aus (s.o.).

V.

Selbst wenn man im Übrigen im Prinzip eine Kompetenz des Landes für das MietenWoG bejahen wollte, bliebe noch immer ein Normkonflikt zwischen dem BGB einerseits, das dem Kläger hier einen Anspruch auf Zustimmung zur Mieterhöhung gibt, und dem MietenWoG, das die Mieterhöhung verbietet, andererseits, festzustellen. Diesen Konflikt löst Art. 31 GG. Das Bundesrecht geht vor (was gem. Art 100 Abs. 1 Satz 2, 2. Hs. ebenfalls dem BBVerfG vorzulegen wäre).

Diesem Ergebnis steht auch nicht entgegen, dass über § 134 BGB das Bundesrecht selbst Möglichkeiten aufzeigt, durch Verbotsnormen das Miethöherecht zu beeinflussen.

Grundsätzlich entspricht es zwar dem Wertesystem des BGB, dass öffentlich-rechtliche Normen (Bundesrecht wie Landesrecht) auch Wirkungen im Zivilrecht entfalten. § 903 Satz 1 BGB wäre eine Beispielsnorm, die einen solchen Eingang von Verbotsnormen ermöglicht, §§ 134, 135, 136 und 138 BGB sind weitere. Rein systematisch bestehen also keine Bedenken, über § 134 BGB auch einem landesgesetzlichen Verbot im Zivilrecht Geltung zu verschaffen. Tatsächlich beschäftigt sich aber das MietenWoG inhaltlich nicht nur mit einem Thema, das das BGB selbst umfassend und abschließend regelt, sondern das MietenWoG enthält auch ein Verbot, das nicht in manchen Einzelfällen andere Ergebnisse bringt, als die Regelungen des BGB, wie dies bei gesetzlichen Verboten, die über § 134 wirken, sonst der Fall ist, sondern das MietenWoG enthält ein Verbot, das generell die Regelungen des BGB für nahezu alle Fälle aushebelt.

Anders als andere Verbotsgesetze, die im Einzelfall wirken, enthält das MietenWoG auch keine Regelungen für drastische Einzelfälle, sondern das MietenWoG betrifft – von geringen Ausnahme abgesehen – fast den gesamten Wohnungsbestand der Stadt. Ein solches Verbot fügt sich nicht über § 134 BGB harmonisch in das Regelungssystem des BGB ein, sondern es unterläuft die eindeutigen Regelungen des BGB.

Würde man Verbotsnormen der Länder, die ganz konkret und gezielt zivilrechtliche Regelungen des Bundesgesetzgebers außer Kraft setzen oder abändern, nicht über Art 31 GG als “gebrochen” ansehen, würde den Ländern über diesen Weg letztendlich eingeräumt, die Bundeskompetenz in Zivilsachen zu unterlaufen.

VI.

Eine verfassungskonforme Auslegung des Verbotes aus § 3 Abs. 1 Satz 1 MietenWoG ist nicht möglich.

Jede Auslegung, die versucht, den verfassungsrechtlichen Bedenken aus dem Wege zu gehen – siehe die Versuche einiger Berliner Amtsgerichte – muss dazu führen, zwei verschiedene Regelwerke unabhängig voneinander nebenher laufen zu lassen, was aber zu völlig divergierenden Ergebnissen führt – s.o. – die Einheit der Rechtsordnung zerstört und insbesondere entweder den wirtschaftlichen Sinn und Zweck der BGB-Regelungen aushebelt oder den Sinn und Zweck des MietenWoG negiert. Beide Gesetze sind – bewusst vom Landesgesetzgeber so gestaltet – so miteinander verzahnt, dass eine die Verfassungsmäßigkeit rettende Auslegung ausscheidet.”

Aus der Rubrik “Wissenswertes”:

 
 
Kommt es auf den Zugang des Mieterhöhungsverlangens vor dem Stichtag des MietenWoG Bln?

Die Antwort des Amtsgerichts Mitte (AG Mitte – 113 C 5055/19, Beschluss vom 18.05.2020) lautet: Nein!

Zur Begründung führt das Amtsgericht Mitte in seiner vorgenannten Entscheidung unter III. wie folgt aus: „Unter Berücksichtigung der Vorschriften des MietenWoG BIn wäre die Klage indes unbegründet.

Durch die Zustimmung der Beklagten zu der von der Klägerin begehrten neuen Miete käme eine Vereinbarung über eine Änderung der bisherigen Miethöhe zustande (§ 557 Abs. 1 BGB), die jedoch wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot gem. § 134 BGB nichtig wäre. Die Verurteilung zu einem verbotenen Rechtsgeschäft kommt nicht in Betracht.

Dahin stehen kann dabei hier die Frage, ob § 134 BGB als Auslegungsregel zu verstehen ist oder sich die Nichtigkeit aus der Verbotsnorm selbst ergibt (ausführlich zum Ganzen Staudinger/Sack-Seibl zu § 134 BGB RN 57 ff). Der Sinn und Zweck des “Mietendeckels” geht ganz klar dahin, Mieterhöhungen zu verhindern, so dass das die Miethöhe ändernde Rechtsgeschäft in jedem Falle als nichtig einzustufen wäre. Nichtig ist ein Rechtsgeschäft insbesondere dann, wenn der Leistungserfolg durch das verletzte Gesetz verboten wird (BGHZ 118, 142, 144 aE = NJW 1992, 2021, 2022; BGHZ 159, 334, 340 = NJW-RR 2004, 1545, 1546). Genau das ist der Sinn des MietenWoG.

Dahin stehen kann auch, ob die Nichtigkeit bereits die Willenserklärung – hier die Zustimmung der Beklagten – erfasst (so Palandt/Ellenberger, § 134 Rz. 12) oder lediglich das abgeschlossene Rechtsgeschäft selbst (so MünchnerKommentar/Armbrüster zu 134 BGB RN 25, Ermann/Arnold zu § 134 BGB RN 7). In dem einen Falle wäre die Klage auf Abgabe einer nichtigen Willenserklärung gerichtet, in dem anderen Falle auf Abgabe einer Willenserklärung, die ins Leere ginge, weil der gewollte Vertrag nichtig wäre. Auf die Abgabe einer solchen Willenserklärung besteht kein vom Gesetz geschützter Anspruch, auch ohne dass man dazu § 242 BGB (so Landgericht Berlin, Beschluss vom 12.03.2020, AZ 67 S 274/19) oder Unmöglichkeitsnormen bemühen müsste (man mag in einem solchen Falle sogar an der Zulässigkeit der Klage zweifeln, da man ein Rechtsschutzbedürfnis auf Zustimmung zu einem verbotenen Geschäft wohl mit Recht bezweifeln kann).

Gem. § 3 Abs. 1 Satz 1 MietenWoG ist eine Miete verboten, die die am 16.06.2019 vereinbarte Miete überschreitet. An diesem Stichtag war zwischen den Parteien aber lediglich eine Miete in Höhe von 516,00 Euro vereinbart. Damit unterliegt die gesamte begehrte Erhöhung dem Verbot.

Dagegen spricht auch nicht, dass das Mieterhöhungsverlangen noch vom 13.06. datiert (wann es zugegangen ist, wird allerdings nicht mitgeteilt) und die Beklagten bereits damals – noch vor Inkrafttreten des MietenWoG – verpflichtet gewesen wären, der Erhöhung zuzustimmen und der Zeitpunkt der Erhöhung auch noch vor dem Inkrafttreten des Gesetzes gelegen hätte. Das MietenWoG spricht ganz eindeutig von der am Stichtag vereinbarten Miete. Da das BGB die Mieterhöhung als Rechtsgeschäft regelt und eine Vereinbarung erst mit Abgabe beider Willenserklärungen zustande kommt, war hier am Stichtag eben nichts anderes vereinbart. Abweichende Überleitungsvorschriften enthält das MietenWOG nicht.

Diese Deutung ergibt sich im Übrigen auch deutlich aus der Gesetzesbegründung, aus der ganz klar hervorgeht dass der Landesgesetzgeber das Verbot als Verbot im Sinne des § 134 BGB verstanden wissen will (die Beschlussvorlage des Senats an das Abgeordnetenhaus vom 28.11.19, Seite 25 sagt es deutlich: “Die Verwendung des Wortes “verboten” soll verdeutlichen, dass es sich hierbei um ein gesetzliches Verbot im Sinne des § 134 BGB handelt. Das bedeutet: Rechtsgeschäfte sind insoweit nichtig, als sie gegen das Verbot verstoßen”) und auch keineswegs die Konsequenzen einer solchen Umgehungsauslegung will: Weder sollen die Beträge nach Auslaufen des Gesetzes nachzuzahlen sein, noch soll die erhöhte Miete Ausgangsmiete für spätere Mieterhöhungen sein. Überzahlungen sollen nach §§ 812 ff BGB zurückzufordern sein.

Laut Gesetzesbegründung zu § 3 MietenWoG Berlin hat diese Vorschrift die Bestandsmieten zum Stichtag 18. Juni 2019 “eingefroren” (wörtlich! siehe Beschlussvorlage aaO S. 25; Fraktionsantrag zur Änderung der Beschlussvorlage zur Drucks. 18/2347 vom 21. Januar 2020, S. 6) und dabei eine “unechte Rückwirkung” normiert, die die zulässige Höhe der Miete nach einem Zeitpunkt bestimmt, der vor dem Inkrafttreten des Gesetzes liegt (vgl. Grzeszick, ZRP 2020, 37, 41). Ein Vermieter kann sich damit auf eine ihm günstige Stichtagsmiete nur dann mit Erfolg berufen, wenn er bis zum 18. Juni 2019 entweder eine einheitliche vertragliche Vereinbarung in Höhe der nach dem Inkrafttreten des MietenWoG Bln geforderten Miete getroffen oder der Mieter bis zum 18. Juni 2019 einem Erhöhungsverlangen des Vermieters freiwillig zugestimmt oder ein bis zum 18. Juni 2019 rechtskräftig gewordenes Urteil die Zustimmung des Mieters gemäß § 894 Satz 1 ZPO ersetzt hat (vgl. Grzeszick, a.a.O.; Herrlein/Tuschl, NZM 2020, 217, 222; Schultz, GE 2020, 1687, 172). Das ist hier nicht der Fall (so im Übrigen eindeutig auch die Haltung der hiesigen Berufungskammer, LG Berlin, Beschluss vom 12.03.2020, 67 S 274/19).

Soweit etwa das Amtsgericht Charlottenburg das MietenWoG auf solche “Altfälle” nicht angewendet wissen will, ist die Begründung nicht nachvollziehbar. Danach soll § 3 Abs. 1 MietenWoG seinem Wortlaut nach allenfalls die Frage regeln, welcher Tag als Bemessungsgrundlage für eine zukünftig (also gerade nach Erlass des Gesetzes) noch zulässige maximale Miethöhe heranzuziehen sein soll. Die zitierte Gesetzesbegründung (“regelt nicht das Verbot, bereits ab dem Stichtag eine höhere Miete als die Stichtagsmiete zu verlangen. Ein solches Verbot gilt, da im Gesetz nichts anderes geregelt ist, erst ab Inkrafttreten des Gesetzes.” – Seite 6 des beschlossenen Änderungsantrags der Fraktion der SPD, der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 21. Januar 2020 zur Vorlage) sagt das nun gerade nicht, sondern sie drückt nur aus, was selbstverständlich ist: Bis zum Inkrafttreten des Gesetzes ist dieses natürlich zu ignorieren und die Gerichte haben ohne Beachtung des (nicht geltenden) Gesetzes zu urteilen. Übersehen wird auch, dass das MietenWoG zwar einerseits sorgsam die unmittelbar relevanten Begriffe des BGB vermeidet, aber ebenso sorgsam formuliert, an welchen Stellen des BGB-Systems eingegriffen werden soll. Das hier der Begriff “vereinbart” verwandt wird, dürfte kein Zufall sein, und dem Gesetzgeber auch offensichtlich klar, dass “vereinbart” eben etwas anderes ist, als “Zustimmung geschuldet”.

Im Übrigen hat die hier zuständige Berufungskammer des Landgerichts Berlin diese Frage in seinem Beschluss vom 12.03.2020, 67 S 274/19 zwar nicht rechtskräftig oder gar bindend, wohl aber wegweisend im Sinne der auch hier vertretenen Auffassung entschieden.

Von einzelnen Kommentatoren wurde schließlich der Versuch unternommen, wegen der schweren verfassungsrechtlichen Bedenken die Verbotsnorm so auszulegen, dass das Verbot zivilrechtlich nicht von Belang sein soll (Schultz, GE 2020, 168). Einige Amtsgerichte haben demgemäß bereits unter Geltung des MietenWoG Verurteilungen auf Zustimmung zu einer Mieterhöhung ausgesprochen (u.a. AG Charlottenburg, Urteil vom 04.03.2020 – 213 C 136/19, Amtsgericht Schöneberg, Urteil vom 27.02.2020 – 13 C 192/19; Amtsgericht Pankow/Weißensee, Urteil vom 18.03.2020 – 2 C 409/19). Das ist aber nicht haltbar.

Das Amtsgericht Charlottenburg argumentiert damit, dass im ursprünglichen Entwurf des Gesetzes noch das Verbot normiert gewesen sei, eine höhere Miete zu fordern, im endgültigen Gesetzestext aber das Wort “fordern” gestrichen worden sei. Das Verbot eines Teils einer Miete selbst (ohne Zusatz etwa eines “Forderns”) setze voraus, dass ein solcher Anspruch bereits entstanden sei. Diese Argumentation geht aber an der Problemlage vorbei, weil § 134 BGB systematisch eben einen Vertrag voraussetzt, der wegen eines Verbotes von Anfang an nichtig ist.

Die ebenfalls ins Feld geführte Formel “Bundesrecht bricht Landesrecht” (Amtsgericht Charlottenburg) ist zwar sicher zu beachten, unterfällt aber nicht der Beurteilungskompetenz des Amtsgerichts (siehe Art 100 Abs. 1 Satz 2 2. Hs GG).

Wenn das Amtsgericht Pankow/Weißensee hier eine gesetzgebende Katze erkennen will, die sich in den legislativen Schwanz zu beißen scheint, wenn in der Begründung einerseits zu lesen sei, man wolle nicht in Vertragsverhältnisse eingreifen, andererseits aber die Verbote als Verbote im Sinne des § 134 BGB verstanden wissen will, trifft das zwar sicherlich ins Schwarze, daraus den Schluss zu ziehen, das Gesetz sei zivilrechtlich irrelevant, würde die bewusste Katze jedoch in zwei Teile zerreißen. Zivilrechtliches Mietrecht und öffentliches Wohnungswesenrecht – der Katze vordere und hintere Hälfte – liefen getrennte Wege, die Einheit der Rechtsordnung wäre aufgegeben. Es würden zwei nebeneinander herlaufende Regelungssysteme geschaffen, die in keiner Weise zueinander passen. Der Mieter muss zwar einer Mieterhöhung zustimmen und die Mietparteien haben dann einen Vertrag über die neue Miethöhe geschlossen, der Vermieter darf aber landesrechtlich nicht fordern, was er bundesrechtlich einfordern dürfte. Zahlt der Mieter nicht, würde eine Klage des Vermieters auf Nachzahlung zwar vor dem Zivilgericht erfolgreich sein, vor dem Verwaltungsgericht würde der Vermieter aber mit seiner Klage gegen die daraufhin verhängten Bußgelder unterliegen. Und ist ein Mieter, der nicht zahlt, weil das Landesrecht ihm das gestattet, in Verzug, weil das Bundesrecht ihm die Zahlung auferlegt und muss deshalb eine Kündigungsklage befürchten?”

Aus der Rubrik “Wirtschaftsinformationen”:


DER TAGESSPIEGEL am 13.08.2020: Ergebnis von Immobilienkonzern bricht ein – Berliner Mietendeckel verhagelt „Deutsche Wohnen“ die Bilanz
Nur 1,7 Prozent „Mietenwachstum“ verdirbt dem Dax-Konzern die Bilanz – Schuld ist auch der Mietendeckel.
Der Immobilienkonzern Deutsche Wohnen hat das erste Halbjahr 2020 mit einem kräftig geschrumpften „Periodenergebnis“ abgeschlossen: Ein Plus von 216,7 Millionen Euro gegenüber 603 Millionen Euro im Vorjahreszeitraum. Im Geschäftsbericht wird das vor allem mit Veränderungen bei der „Bewertung von Immobilien“ erklärt. Diese berücksichtige auch „die aktuellen gesetzlichen Regelungen (Berliner Mietendeckel)“.

Im „Großraum Berlin“ hält der im Dax notierte Konzern knapp 116.000 Wohnungen mit einem Buchwert von rund 18,5 Milliarden Euro. Hier lag bisher der Schwerpunkt der Investitionen.

Der Immobilienbestand insgesamt umfasst 165.100 Wohn- und Gewerbeeinheiten, davon gut 2000 Gewerbeeinheiten. Außerdem investiert der Konzern in Pflegeimmobilien: 1,2 Milliarden Euro in rund 10.600 Pflegeplätze und Apartments.

An die Grenzen des Wachstums ist der Konzern der Bilanz nach zu urteilen bei den weit überwiegend in Berlin erzielten Mieteinnahmen gelangt: 421,8 Millionen Euro nahm die Deutsche Wohnen an „Vertragsmieten“ ein, geringfügig mehr als im Vorjahreszeitraum (411,1 Millionen). Das Mietwachstum betrug 1,7 Prozent.

https://www.tagesspiegel.de/berlin/ergebnis-von-immobilienkonzern-bricht-ein-berliner-mietendeckel-verhagelt-deutsche-wohnen-die-bilanz/26091652.html

Aus der Rubrik “Wirtschaftsinformationen”:

Berliner Morgenpost am 13.08.2020: Dennoch weniger Gewinn – Deutsche Wohnen profitiert von höheren Mieten

Berlin ist eine “dynamische Wachstumsgeschichte”. Sagt das ein Vermieter, kann das Mieter nervös machen. Sie schützt zwar der Mietendeckel. In neuen Mietverträgen steht aber auch, wie teuer es wird, wenn er kippen sollte.

Trotz starken Gegenwinds und Wirtschaftskrise verdient die Deutsche Wohnen weiter an steigenden Mieteinnahmen. Ende Juni lagen sie bei dem Dax-Konzern bundesweit im Schnitt bei 6,93 Euro kalt je Quadratmeter und damit 2,6 Prozent höher als ein Jahr zuvor.

Auch im wichtigsten Markt Berlin lagen die Mieten höher als vor einem Jahr, sie stiegen wegen des Mietendeckels seit Jahresbeginn aber nicht mehr. Die Bewohner zahlten dort im Schnitt 6,91 Euro je Quadratmeter.

Nennenswerte Folgen der Corona-Krise spürt das Unternehmen dagegen nicht. “Der ökonomische Effekt ist gering”, sagte Vorstandschef Michael Zahn am Donnerstag. Nur rund ein Prozent der Mieterhaushalte habe sich dazu mit Anfragen und konkretem Hilfebedarf gemeldet. “Wir können zuversichtlich in die Zukunft schauen.”

Rund 116.000 der bundesweit 160.000 Wohnungen liegen im Raum Berlin. Wer sich in der Hauptstadt eine neue Wohnung bei der Deutsche Wohnen nimmt, zahlt jetzt durchschnittlich 7,51 Euro je Quadratmeter. Ohne Mietendeckel wären es zwei Euro mehr.

In den Verträgen neuer Mieter steht eine sogenannte Schattenmiete: Vereinbart ist die nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch erzielbare Miete, verlangt wird aber nur die Summe, die der Mietendeckel erlaubt. Lüftet Karlsruhe den Mietendeckel, müssen Mieter nachzahlen, so das Kalkül.

Und Deutsche Wohnen geht davon aus, dass das Bundesverfassungsgericht das Gesetz kippen wird, das seit Februar in der Hauptstadt gilt. “Wir glauben fest daran, dass Berlin eine sehr dynamische Wachstumsgeschichte bleiben wird”, sagte Zahn. In der Stadt sank der Leerstand stärker als bundesweit.

https://www.morgenpost.de/wirtschaft/article230167380/Deutsche-Wohnen-profitiert-von-hoeheren-Mieten.html

Aus der Rubrik “Wissenswertes”:

 
 
Sind Mängel für die Einordnung im Mietspiegel relevant?

Die Antwort des Amtsgerichts Mitte (AG Mitte – 113 C 5055/19, Beschluss vom 18.05.2020) lautet: Nein!

Zur Begründung führt das Amtsgericht Mitte in seiner vorgenannten Entscheidung unter II. wie folgt aus: „Die Beklagten schildern Umstände, die möglicherweise einen Anspruch wegen eines Mangels der Mietsache begründen. Mängel sind für aber grundsätzlich für die Einordnung im Mietspiegel nicht relevant.

Wohnung: Diese Gruppe ist als neutral zu bewerten. Auch hier gilt: Mängel, die die Beklagten schildern (im Übrigen auch unsubstantiiert, siehe dazu die bisherigen Erörterungen und Hinweise), sind für die Einordnung im Mietspiegel irrelevant. Wenn es etwa ein Schimmelproblem geben sollte, wäre dies ggf. ein Mietmangel und die Klägerin wäre zur Beseitigung verpflichtet, ggf. stünden den Beklagten Mietminderungsansprüche zu.”

Aus der Rubrik “Wissenswertes”:

 
 
Ist für den Fall, dass die Werte des für die Wohnung maßgeblichen Rasterfelds durch eine negative Veränderung der Wohnlage seit dem Stichtag des älteren Mietspiegels erheblich und ungewöhnlich gesunken sind, ein Stichtagsabschlag zulässig?

Die Antwort des Amtsgerichts Mitte (AG Mitte – 5 C 28/19, Urteil vom 04.02.2020) lautet: Ja!

Zur Begründung führt das Amtsgericht Mitte in seiner vorgenannten Entscheidung wie folgt aus: „Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf Zustimmung zu einer Erhöhung der monatlichen Nettokaltmiete auf 842,92 Euro, zu dem noch ein gesonderter Zuschlag für die Einbauküche in Höhe von 19,03 Euro hinzukommen soll, nicht zu, denn die ortsübliche Vergleichsmiete für die Wohnung übersteigt die von den Beklagten bereits aktuell zu zahlende Miete von monatlich 745,79 Euro zuzüglich Zuschlag für die Einbauküche in Höhe von 19,03 Euro nicht.

Ungeachtet des Umstandes, dass das Gericht unter Bezugnahme auf die erteilten Hinweise auch weiterhin der Ansicht ist, dass der als Einbauküchenzuschlag vereinbarte Betrag von 19,03 Euro der vertraglich geschuldeten Nettokaltmiete hinzuzurechnen ist und nicht als Möblierungszuschlag im üblichen Sinne anzusehen ist, also im Sinne eines zusätzliches Entgelts für Einrichtungsgegenstände, die über die in der Orientierungshilfe zu dem Berliner Mietspiegel genannte wohnwerterhöhende Ausstattung einer Wohnung hinausgehend dem Mieter zur vertragsgemäßen Nutzung zur Verfügung gestellt wird (wie z.B. Tische, Stühle, Bett, Sofa, Sessel, Fernseher etc.), ergeben sich in Anbetracht des im Verlaufe des Rechtsstreits in Kraft getretenen Berliner Mietspiegels 2019 für die streitgegenständliche Wohnung im mittleren und oberen Bereich des für die Wohnung einschlägigen Mietspiegelfeldes erheblich geringere Werte, was maßgeblich damit im Zusammenhang steht, dass die Wohnlage entgegen der Einstufung im Berliner Mietspiegel 2017 (dort “gute Wohnlage”) nunmehr als mittlere Wohnlage qualifiziert wird und der Erhebungsstichtag für die Werte des neuen Berliner Mietspiegels 2019 (dessen Stichtag ist der 01.09.2018) dem für die Bemessung der ortsüblichen Vergleichsmiete vorliegend maßgebenden Zeitpunkt des Zugangs des Mieterhöhungsverlangens Ende August 2018 nahezu entspricht.

Für die Bemessung der ortsüblichen Vergleichsmiete ist nach Auffassung des Gerichts vorliegend grundsätzlich der qualifizierte Berliner Mietspiegel 2017 heranzuziehen, dessen Werte gemäß § 558d Abs. 3 BGB die Vermutung begründen, dass diese die ortsübliche Vergleichsmiete wiedergeben, weil es für die Bemessung der ortsüblichen Vergleichsmiete grundsätzlich auf den Zeitpunkt des Zugangs des Mieterhöhungsverlangens ankommt, vorliegend also auf den Zeitpunkt Ende August 2018 (vgl. hierzu Schmidt-Futterer-Börstinghaus aaO Rn. 121 mwN). Zu diesem Zeitpunkt war der neue Berliner Mietspiegel 2019 noch nicht in Kraft; dieser ist erst im Verlaufe des Rechtsstreits im Mai 2019 veröffentlicht worden.

Dennoch ist vorliegend unter Berücksichtigung der sich aus dem Berliner Mietspiegel 2019 ergebenden Werte entsprechend des gerichtlichen Hinweises vom 22.10.2019 eine Anpassung vorzunehmen, da die Werte im mittleren und oberen Bereich des Mietspiegelfeldes I 7 (2017) und des Mietspiegelfeldes H 7 (2019) erheblich in der Weise voneinander abweichen, dass die aktuelleren Werte des Berliner Mietspiegels 2019 im mittleren und oberen Bereich infolge der Veränderung der für die streitgegenständliche Wohnung maßgebenden Wohnlage nunmehr erheblich unterhalb der Werte im mittleren und oberen Bereich des Mietspiegelfeldes I 7 (2017) liegen.

Unter Berücksichtigung der zutreffenden Rechtsansicht des BGH, Urteil vom 15.03.2017 – VIII ZR 295/15, nach der in dem dort zu entscheidenden Fall eine ungewöhnliche Steigerung der ortsüblichen Vergleichsmiete seit dem Stichtag eines älteren Mietspiegels eingetreten war und deshalb ein Stichtagszuschlag als zulässig erachtet wurde, kann für den umgekehrten Fall, dass die Werte des für die Wohnung maßgeblichen Rasterfeldes durch eine negative Veränderung der Wohnlage erheblich und ungewöhnlich gesunken sind (was in den letzten Jahren eher eine Ausnahme darstellt haben dürfte) selbstverständlich nichts Abweichendes gelten.

Der Erhebungsstichtag des neuen Berliner Mietspiegels 2019 (01.09.2018) entspricht vorliegend nahezu dem Zugangszeitpunkt des Mieterhöhungsverlangens, so dass es gerechtfertigt ist, den aktuelleren Wert des Berliner Mietspiegels 2019 für die Bemessung der ortsüblichen Vergleichs-miete heranzuziehen. In diesem Zusammenhang wird mangels konkreter Angabe dazu, an welchem Tag das Mieterhöhungsverlangen den Beklagten zugegangen war, davon ausgegangen, dass den Beklagten das Schreiben bei üblichem Postverlauf noch im Monat August 2018 zugegangen war, also unmittelbar vor dem für den Berliner Mietspiegel 2019 geltenden Stichtag.

Der sich nach dem Berliner Mietspiegel 2019 (Feld H 7) bei einem Zuschlag von 80 % der Differenz zwischen Oberwert und Mittelwert zum Mittelwert ergebende Wert beträgt 8,80 Euro/qm. Nach dem eigenen Vortrag der klagenden Partei ist in den Merkmalgruppen 1 bis 4 (Bad/WC, Küche, Wohnung, Gebäude) von einem Überwiegen wohnwerterhöhender Merkmale auszugehen und die Merkmalgruppe 5 ist als neutral zu bewerten, so dass sich der genannte Zuschlag von 80 % ergibt.

Die aktuelle von den Beklagten zu zahlende monatliche Nettokaltmiete von 745,79 Euro (wobei der Zuschlag für die Einbauküche nicht einmal berücksichtigt wurde) entspricht bereits 9,02 Euro/qm, so dass eine Zustimmung zur Erhöhung der Nettokaltmiete vorliegend nicht geschuldet ist.”

Aus der Rubrik “Mieterinformationen”:

 

rbb24.de am 11.08.2020: Millionen-Nachzahlungen drohen – Berliner Schattenmieten liegen oft doppelt so hoch wie gedeckelte Mieten

Wer in Berlin einen Mietvertrag unterzeichnet, findet mitunter zwei Beträge: den laut Mietendeckel günstigen Mietzins sowie eine teure Schattenmiete, die gezahlt werden soll, wenn der Mietendeckel fällt. Dabei stechen vor allem zwei Bezirke hervor.

Die sogenannten Schattenmieten sind in Berlin im Schnitt doppelt so hoch wie jene, die durch den Mietendeckel festgelegt werden. Das hat eine am Montag veröffentlichte Untersuchung des Hamburger Forschungsinstituts F+B [externer Link] ergeben. Die Erkenntnisse sind Teil eines Wohn-Index, den das Institut viermal im Jahr veröffentlicht.

Oftmals werden beide Preise in den Mietvertrag geschrieben. Die Vermieter setzen darauf, dass die höheren Mieten nachgezahlt werden müssen, falls das Bundesverfassungsgericht den Berliner Mietendeckel zu Fall bringt.

Mögliche Nachzahlungen in Millionenhöhe

Für 3.133 Wohnungen, die seit dem 23. Februar 2020 angeboten wurden – an diesem Tag trat der Mietendeckel in Kraft – ermittelte F+B eine gedeckelte Durchschnittsmiete von 7,05 Euro pro Quadratmeter. Die angegebene Marktmiete lag bei diesen Wohnungen im Schnitt bei 13,63 Euro.

“Hochgerechnet auf die Anzahl der annoncierten Wohnungen und die durchschnittliche Wohnungsgröße von 60 m² geht es hier um monatlich rund 1,2 Mio. € (oder seit dem 23.2.20 bis zum 30.06.2020 um 5,3 Mio. €, bzw. knapp 1.700 € pro Wohnung), die allein diese Berliner Mieter seit dem 23.2.20 nachzahlen müssten, falls sich das Gesetz als verfassungswidrig herausstellt”, heißt es im Wohn-Index von F+P.

Vor allem in Mitte und Friedrichshain-Kreuzberg seien die Preisunterschiede zwischen Marktmieten und den gedeckelten Mieten besonders groß.

Wann das Bundesverfassungsgericht in Sachen Mietendeckel entscheiden wird, ist noch völlig unklar – ebenso die Frage, wie es mit möglichen Mietrückzahlungen aussieht, sollte der Mietendeckel gekippt werden.

https://www.rbb24.de/politik/beitrag/2020/08/schattenmieten-berlin-mietendeckel-untersuchung-f-b.html

Aus der Rubrik “Wissenswertes”:

 

Ist ein vom Vermieter zur Verfügung gestelltes Parkplatzangebot auch im Falle seiner Entgeltlichkeit wohnwerterhöhend zu berücksichtigen?

Die Antwort des Amtsgerichts Charlottenburg (AG Charlottenburg – 227 C 115/19, Urteil vom 06.05.2020) lautet: Ja!

Zur Begründung führt das Amtsgericht Charlottenburg in seiner vorgenannten Entscheidung wie folgt aus: „Der besonderen Lärmbelastung nach dem Mietspiegel, deren Regelwirkung die Klägerin keinen erheblichen Vortrag entgegengesetzt hat, steht das Positivmerkmal des PKW-Parkplatzangebotes gegenüber. Die Beklagten nutzen unstreitig eine von der Klägerin zur Verfügung gestellte Garage. Das Merkmal entfällt nicht wegen der Entgeltlichkeit des Parkplatzangebotes. Das Gericht schließt sich insoweit der Rechtsprechung der 67. Kammer des Landgerichts Berlin (Urteil vom 16. Oktober 2018, 67 S 150/18, Rn. 9) an. Dem Wortlaut des Mietspiegels lässt sich das Erfordernis einer Unentgeltlichkeit nicht entnehmen. Zudem wirkt sich in Berlin angesichts der weit verbreiteten Parkplatzknappheit auch bereits das kostenpflichtige Angebot eines wohnungsnahen “eigenen” Stellplatzes wohnwerterhöhend aus. Das Parkplatzangebot ist zudem im Sinne des Berliner Mietspiegels 2019 “ausreichend dimensioniert”. Zwar steht nicht für jede Mietpartei eine Garage zur Verfügung, sondern nur etwa für jede zweite. Allerdings verlangt der Mietspiegel nicht, dass für jeden Mieter ein Parkplatz vorhanden sein muss. Es muss vielmehr bei Interesse eine tatsächliche Nutzungsmöglichkeit gegeben sein, die sich für die Beklagten bereits daraus ergibt, dass Ihnen eine Garage zur Verfügung gestellt wurde. Ob dies bereits ausreicht, oder ob das Merkmal verlangt, dass darüber hinaus auch allgemein das Angebot ausreichen ist, kann hier dahinstehen, da ein Garagenangebot für etwa jeden zweiten Mieter als ausreichend dimensioniert anzusehen ist. Hier ist zu berücksichtigen, dass eine Vielzahl von Mietern in einer Großstadt wie Berlin über keinen Pkw verfügen und kein Interesse an einem Parkplatz hat.”

AMV im Lichte der Presse:

 

Spandauer Volksblatt am 05.08.2020: Gericht moniert zu hohe Versicherungskosten

Urteil gegen Deutsche Wohnen

Der aktuelle Richterspruch bezieht sich zwar nur auf den konkreten Klagefall. Er könnte aber Signalwirkung für weitere Bewohner des Immobilienkonzerns Deutsche Wohnen und seiner Tochterunternehmen haben.

Es ging um die Versicherungskostenabrechnung für das Jahr 2017, gegen die eine Mieterin aus der Westerwaldstraße juristisch vorgegangen war. Die hatten sich für ihre etwas mehr als 61 Quadratmeter große Wohnung in einem GSW-Objekt von 112,77 Euro im Jahr 2015 auf 175,92 Euro zwei Jahre später erhöht. Ein Anstieg um etwa 50 Prozent. Den Differenzbetrag in Höhe von 63,15 Euro forderte die Frau deshalb zurück und berief sich auf einen Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot. Und wie schon bei einem Urteil vom Oktober 2019, als es um die Versicherungskosten für das Jahr 2016 ging, folgte das Amtsgericht Spandau erneut dieser Argumentation und verlangt eine Rückerstattung. In der Begründung heißt es: „…bei gewissenhafter Abwägung aller Umstände und bei ordentlicher Geschäftsführung stellt sich diese Kostensteigerung nicht als vertretbares Kosten-Nutzen-Verhältnis…dar“. Gegen den Richterspruch kann Berufung eingelegt werden.

Deutsche Wohnen soll Versicherungsvertrag grundlos gekündigt haben

Das Problem sei eingetreten, weil die Deutsche Wohnen 2016 „grundlos rückwirkend“ einen neuen Versicherungsvertrag trotz bestehendem und ungekündigten Vertrag abgeschlossen habe, erklärte Marcel Eupen, Sprecher des Alternativen Mieter- und Verbraucherschutzbundes (AMV), der die Kläger in beiden Fällen vertrat. Statt wie zuvor nach Anzahl der Mietobjekte erfolge die Prämienberechnung seither auf Basis der jeweiligen Wohn-, beziehungsweise Nutzfläche. Der Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot halte deshalb weiter an und pflanze sich von Jahr zu Jahr fort.

Inzwischen laufe ein weiteres Verfahren gegen die Betriebskostenabrechung 2019 für die Abrechnungsperiode 2018, teilte Eupen mit. Ein Urteil des Amtsgerichts werde im Herbst erwartet. Der AMV rate „allen Wohnungsmietern“ Widerspruch gegen die Versicherungskosten für diesen Zeitraum einzureichen.

Immobilienkonzern könnte in Berufung gehen

Und was sagt die Deutsche Wohnen? „Das Urteil liegt uns seit Ende vergangener Woche vor“, heißt es in der Antwort vom 4. August auf eine Anfrage des Spandauer Volksblatts mit der Bitte um eine Stellungnahme. „Wir schauen uns die Begründung an und werden dann entscheiden, ob wir in Berufung gehen.“

https://www.berliner-woche.de/spandau/c-soziales/urteil-gegen-deutsche-wohnen_a282682

Aus der Rubrik “Wissenswertes”:

 

Liegen die Negativmerkmale “Keine Kochmöglichkeit” und “Keine Spüle” nach der Merkmalgruppe 2 des Berliner Mietspiegels 2019 vor, wenn der Vermieter keine Küche stellt, aber einen Kostenzuschuss in Höhe von 1.500 EUR für die Anschaffung einer entsprechende Grundausstattung gewährt?

Die Antwort des Amtsgerichts Charlottenburg (AG Charlottenburg – 227 C 115/19, Urteil vom 06.05.2020) lautet: Nein!

Zur Begründung führt das Amtsgericht Charlottenburg in seiner vorgenannten Entscheidung wie folgt aus: „Der Umstand, dass die Küche vereinbarungsgemäß nicht mit einer Kochmöglichkeit und nicht mit einer Spüle ausgestattet war, führt unter den Umständen des hiesigen Falles nicht zur Erfüllung der entsprechenden Negativmerkmale. Dem Nichteinbau von Kochmöglichkeit und Spüle stand ausweislich der insoweit eindeutigen Formulierung in § 3 des Mietvertrages die Leistung eines Kostenzuschusses in Höhe von 1.500 EUR gegenüber; die Beklagten haben sich also gegen eine entsprechende Grundausstattung durch die Klägerin und für einen bezuschussten Eigeneinbau entschieden. Der Höhe nach deckt dieser mindestens die Anschaffung einer Kochmöglichkeit und einer Spüle ab. Dieses Ergebnis widerspricht nicht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes in dem Urteil vom 24. Oktober 2018, VIII ZR 52/18 Eine vom Mieter auf eigene Kosten in die Mietwohnung eingebaute (Küchen-)Einrichtung bleibt hiernach bei der Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete auf Dauer unberücksichtigt. Der BGH hat sich in dem genannten Urteil ausschließlich mit der Frage beschäftigt, ob ein durch die Mietereigenausstattung erfülltes Positivmerkmal anzunehmen ist, und hat ausdrücklich den Fall einer Kostenerstattung durch den Vermieter ausgenommen. Auch hiernach erscheint es angemessen und im Einklang mit den Ausführungen des BGH im hiesigen Fall der teilweisen Kostenerstattung jedenfalls das Negativmerkmal nicht anzunehmen.”