Archiv der Kategorie: Wohnungspolitik

Aus der Rubrik “Wohnungspolitik”:

 

Berliner Zeitung am 18.06.2020: Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen soll erschwert werden

Nach einem Gesetzentwurf aus dem Haus des Bundesbauministers soll der Schutz der Mieter verbessert werden. In Berlin würden nicht mehr nur die Bewohner in den Milieuschutzgebieten profitieren, sondern die in der gesamten Stadt.

Mieter in Berlin und anderen Städten mit einem angespannten Wohnungsmarkt sollen künftig vor der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen stärker geschützt werden – und damit vor Verdrängung. Das geht aus dem Referentenentwurf für ein Gesetz zur Mobilisierung von Bauland aus dem Haus von Bundesbauminister Horst Seehofer (CSU) hervor.

Vorgeschlagen wird darin, dass die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen in Gebieten mit einem angespannten Wohnungsmarkt generell unter  Genehmigungsvorbehalt der Behörden gestellt wird. Bisher gilt ein solcher Genehmigungsvorbehalt für Umwandlungen nur in Milieuschutzgebieten. Durch die Neuregelung soll die Gebietskulisse deutlich erweitert werden. Für Berlin würde dies bedeuten, dass nicht nur die etwa 956.000 Menschen in den 63 Milieuschutzgebieten der Stadt von dem besseren Schutz profitieren, sondern alle etwa 3,6 Millionen Einwohner, sofern sie Mieter sind. Denn die gesamte Stadt gilt als Gebiet mit angespanntem Wohnungsmarkt.

Klausel ermöglicht weitere Genehmigungen

Ziel des Genehmigungsvorbehalts ist es, die Umwandlungen einzuschränken. Unter bestimmten Bedingungen sollen sie jedoch – wie  bisher – möglich sein. So mussten die Behörden beispielsweise schon bisher in Milieuschutzgebieten der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen  zustimmen, wenn die Eigentümer versicherten, dass sie die Wohnungen sieben Jahre lang nur Mietern zum Kauf anbieten. Viele Vermieter beriefen sich auf diese Klausel, wodurch weiterhin Mietwohnungen in Eigentumswohnungen aufgeteilt wurden. So lagen im Jahr 2018 in Berlin allein 5200 der 12.800 Mietwohnungen, die in Eigentumswohnungen umgewandelt wurden, in einem Milieuschutzgebiet. In 98 Prozent der Fälle mussten die Behörden die Umwandlungen genehmigen, weil sich die Eigentümer auf die Sieben-Jahres-Klausel beriefen.

Die umstrittene Klausel zum Verkauf an die Mieter soll im Zuge der Gesetzesreform nicht gestrichen, sondern nur verändert werden. So ist die Umwandlung laut dem Referentenentwurf zu genehmigen, wenn das Wohneigentum „zur eigenen Nutzung an mindestens zwei Drittel der Mieter veräußert werden soll“. Ein anderer Grund für eine Genehmigung solle sein, wenn die Wohnung an einen Familienangehörigen zur eigenen Nutzung verkauft werden soll.

https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/umwandlung-von-miet-in-eigentumswohnungen-soll-erschwert-werden-li.88306

Aus der Rubrik “Mietenpolitik”:

 

DER TAGESSPIEGEL am 10.06.2020: Mietendeckel und hohe Baukosten in Berlin – Landesfirmen wollen mehr Miete für Neubauten fordern

Landeseigene Wohnungsgesellschaften in der Klemme: Die Politik will, dass sie bezahlbare Wohnungen bauen – bei steigenden Kosten. Die Firmen haben da eine Idee.

Die sechs landeseigenen Wohnungsgesellschaften wollen mehr Miete für neugebaute Wohnungen verlangen. Sie stellen sich damit gegen politische Forderungen nach noch weiter reichenden Mietregulierungen bei kommunalen Wohnungen.

„Aufgrund der deutlich steigenden Kosten für den Bau neuer Wohnungen“ schlug der Sprecher der Firmen, Jörg Franzen, am Mittwoch im Beisein von Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) eine „Indexierung der Neubaumieten“ vor. Damit würden die Mieten ähnlich steigen wie die Baukosten auf dem Markt.

Franzen bekannte sich zum Sozialkurs der Firmen, machte aber zugleich deutlich, dass diese an die Grenze ihrer Belastbarkeit gelangen. Zehn Milliarden Euro wollten die sechs Firmen in den Neubau investieren. „Das geht nur mit sozial stabilen Quartieren und wirtschaftlich stabilen Unternehmen. Die steigenden Baukosten hinterlassen aber Spuren bei den landeseigenen Unternehmen, die Senat auf Druck der Mieterbewegung auf Sozialkurs trimmt. Das Ergebnis wurde am Mittwoch im neuen Bericht zur „Kooperationsvereinbarung“ zwischen dem Senat und den landeseigenen Wohnungsunternehmen durch den Vorstand der Wohnraumversorgung Berlins (WvB) vorgestellt.

Die Einrichtung war ebenfalls auf Druck der Mieterbewegung gegründet worden. Zurzeit laufen Verhandlungen für die bevorstehende Novelle der Kooperationsvereinbarung.

Seit 2017 gilt: Nicht mehr als zehn Euro pro Quadratmeter

Laut der Kooperationsvereinbarung mit dem Land Berlin aus dem Jahr 2017 sollen sie nicht mehr als zehn Euro je Quadratmeter bei Neubauten verlangen. Während die Neubaumieten also eingefroren sind, laufen den Unternehmen die Baukosten weg.

Hinzu kommen immer mehr Belastungen für die Firmen. Zum Beispiel durch die Einführung des Mietendeckels. Weil dieser niedrige staatliche Höchstmieten vorschreibt, entwertet das Gesetz gleichsam die Immobilien. Franzen zufolge sei der „Beleihungswert“ der Wohnungsbestände wegen des neuen Gesetzes „leicht reduziert“. Hintergrund: Geringe Beleihungswerte und hohe Schulden erschweren die Finanzierung von Neubauvorhaben durch die Banken.

Die Verschuldung liegt bei mehr als 6,6 Milliarden Euro

In diese Problematik drohen die sechs landeseigenen Unternehmen allmählich hineinzurutschen. Denn deren Verschuldung ist seit Ende des Sanierungskurses in den 2000er Jahre wieder kräftig gestiegen: von 6,64 Milliarden Euro im Jahr 2008 auf über zehn Milliarden Euro im vergangenen Jahr laut Beteiligungsbericht des Senats.

Das liegt an den Kosten des Sozialkurses sowie an den hohen Preisen, die für den systematischen Erwerb von Wohnungsbeständen und den Bau neuer Wohnungen bezahlt werden müssen. Angesichts des „Potpourris“ an Aufgaben – bis hin zu Hausaufgabenhilfen, Förderung von Sportvereinen und Seniorenbetreuung sowie dem Management randständiger Quartiere – warnte Franzen davor, „uns überzustrapazieren“.

Zumal dem Vernehmen nach bei den Verhandlungen über die anstehende Novelle der Kooperationsvereinbarung wie berichtet eine Deckelung aller Mieten für Neubauten ab 2017 auf 12 Euro gefordert wird sowie die Vergabe von drei von vier neu gebauten Wohnungen an Haushalte mit geringen Einkünften.

Nicht berücksichtigt von der Kooperationsvereinbarung ist die landeseigene Firma „Berlinovo“. Diese vermietet Wohnungen zu Preisen weit über den Vorgaben. Der politische Zwist über den Umgang mit der Berlinovo schwelt noch.

https://www.tagesspiegel.de/berlin/mietendeckel-und-hohe-baukosten-in-berlin-landesfirmen-wollen-mehr-miete-fuer-neubauten-fordern/25905800.html

Aus der Rubrik “Wohnungspolitik”:

 

DER TAGESSPIEGEL am 10.06.2020: Regierender Bürgermeister trifft Enteignungsaktivisten – Volksbegehren „Deutsche Wohnen und Co. enteignen“ soll zugelassen werden

Der Regierende Bürgermeister und Justizsenator Behrendt verhandeln mit den Aktivsten. Juristisch ist der Volksentscheid wohl nicht zu stoppen.

Für diesen Donnerstag (gestern) ist (war) ein erstes Treffen von Mitgliedern des Senats und der Regierungsfraktionen mit Vertretern des Volksbegehrens „Deutsche Wohnen und Co. enteignen“ vereinbart.

Der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD), der Senator für Justiz Dirk Behrendt (Grüne), Katina Schubert von der Linken und andere sollen beteiligt sein.

Bei dieser ersten Begegnung wird der Senat dem Vernehmen nach seine grundsätzliche Bereitschaft signalisieren, den Anlauf zur zweiten Stufe des Volksbegehrens dem Grundsatz nach zulassen zu wollen.

https://www.tagesspiegel.de/berlin/regierender-buergermeister-trifft-enteignungsaktivisten-volksbegehren-deutsche-wohnen-und-co-enteignen-soll-zugelassen-werden/25906288.html

Aus der Rubrik “Wohnungspolitik”:

 

rbb24.de am 10.06.2020: Wohnungsmarkt – Landeseigene Mietwohnungen in Berlin deutlich preiswerter

Die Mieten der landeseigenen Berliner Wohnungsunternehmen liegen weiterhin deutlich unter Marktniveau. Mieter mussten dort 2019 pro Quadratmeter im Schnitt 6,22 Euro bezahlen – etwa sechs Prozent weniger als die laut Mietspiegel vergleichbare Miete von 6,63 Euro. Das geht aus den Daten hervor, die die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen am Mittwoch vorgestellt hat.

Landeseigene Wohnungen bei Neuvermietungen deutlich günstiger

Die Miete bei Neuverträgen betrug im Schnitt 7,43 Euro pro Quadratmeter. Das waren knapp 30 Prozent weniger als die marktüblichen 10,45 Euro. Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) sprach von einer positiven Entwicklung, die die Preise auf dem ganzen Berliner Mietwohnungsmarkt dämpfe.

Lompscher wies auch auf die Neuanstrengungen der sechs landeseigenen Unternehmen wie Gesobau, Degewo oder WBM hin. So sei die Zahl der fertiggestellten Neubauwohnungen 2019 um 36 Prozent auf rund 4.450 gestiegen. Insgesamt verfügten die Wohnungsbaugesellschaften in Berlin über rund 325.400 Wohnungen.

Die Wohnungsbaugesellschaften selbst hingegen weisen auf Probleme hin, die den Wohnungsbau ausbremsen könnten. Der Sprecher der Gesobau, Jörg Franzen, gab zu bedenken, dass Neubauprojekte zunehmend schwieriger zu finanzieren seien, Neubaukosten seien deutlich gestiegen. “Ich verrate kein Geheimnis, dass das Mietendeckelgesetz und die aktuelle Herausforderung in Corona-Zeiten unsere Gespräche mit den Banken nicht leichter machen”, sagte er.

https://www.rbb24.de/wirtschaft/beitrag/2020/06/mieten-wohnungsmarkt-berlin-wohnungen-preise-neuvermietung.html

Aus der Rubrik “Wohnungspolitik”:

 

DER TAGESSPIEGEL am 10.06.2020: Neue Richtlinie für städtische Wohnungsbaugesellschaften – Drei von vier Neubauwohnungen sollen an Geringverdiener gehen

Berlin baut zu wenig für ärmere Mieter. Die landeseigenen Unternehmen sollen Abhilfe schaffen, doch die sozialen Probleme in den Großsiedlungen nehmen zu.

Der Senat will die sechs landeseigenen Wohnungsbauunternehmen dazu verpflichten, finanzschwachen Mietern deutlich mehr Wohnraum anzubieten. Die kommunalen Firmen, die nach dem neuen „Bericht zur Kooperationvereinbarung“ mit dem Senat im Jahr 2019 ihren Bestand um 5,2 Prozent auf rund 322.500 Wohnungen vergrößert haben, sollen künftig drei von vier neu gebauten Wohnungen an Empfänger von Sozialhilfe oder Haushalte mit geringen Einkünften vermieten.

Außerdem sollen sich Landesfirmen nach der zurzeit verhandelten Novelle zur „Kooperationsvereinbarung“ mit dem Senat dazu verpflichten, die Mieten aller seit dem Jahr 2017 fertig gestellten Wohnungen im Bestand auf maximal zwölf Euro je Quadratmeter zu deckeln. Bisher zahlen Mieter in guten Lagen für gut ausgestattete kommunale Wohnungen dieser Art bis zu 16 Euro.

Die geplante Verschärfung der Sozialpflichten sieht ferner vor, dass die sechs Landesfirmen die sozialen Regulierungen des Mietendeckels auch dann weiterhin anwenden, wenn das umstrittene Landesgesetz vom Bundesverfassungsgericht gekippt wird. Eine Klage ist bereits anhängig.

Die soziale Neuausrichtung der Firmen führte nach dem neuen Bericht im vergangenen Jahr dazu, dass bei Neubauvorhaben 41,7 Prozent aller errichteten Wohnungen sozial gefördert sind – im Jahr zuvor waren es noch 26,9 Prozent gewesen.

Bei den Neuvertragsmieten einschließlich frei finanzierter Wohnungen forderten die Kommunalen 7,43 Euro je Quadratmeter und „liegen damit knapp 30 Prozent unterhalb der auf dem Markt üblichen Angebotsmieten“, schreibt die Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen Katrin Lompscher (Linke) im Vorwort zum Bericht.

Berlin verzichtet auf Fördermilliarden vom Bund

Doch die gesamtstädtische Ankurbelung des Sozialen Wohnungsbaus in der gesamten Immobilienwirtschaft misslingt dem Senat nach einem „Bericht der Bundesregierung“ zur „Wohnraumförderung 2019“. Demnach lässt das Land Berlin Milliarden an Bundesförderungen liegen: „Eine Abnahme des geförderten Mietwohnungsbaus ist vor allem in Berlin zu verzeichnen“.

Statt 3373 Einheiten wie im Jahr 2018 habe der Senat nur 1778 Sozialwohnungen im vergangenen Jahr auf den Weg gebracht. Damit zähle Berlin zu den wenigen Bundesländern, die die Gelegenheit versäumen, in die prall gefüllten Fördertöpfe des Bundes für den Bau günstiger Mietwohnungen zu greifen. Auf Drängen der Länder hatte der Bund die Förderung kürzlich noch um eine Milliarde Euro aufgestockt.

Bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen erklärte eine Sprecherin den Rückgang mit der Änderung der Förderbedingungen des Landes: „Die Programmjahre 2019 und 2020 mit einem Gesamtvolumen von 8500 Förderwohnungen wurden zusammengelegt“. Dadurch profitierten alle Vorhabenträger von verbesserten Förderbedingungen.

Immerhin kommen die sechs landeseigenen Wohnungsunternehmen beim Neubau voran. Nach dem Bericht über die Kooperationsvereinbarung, der an diesem Mittwoch in Anwesenheit von Senatorin Lompscher vorgestellt wird, stieg die Anzahl der bezugsfertigen Neubauwohnungen von 3279 im Jahr 2018 um knapp 750 auf 4026 Wohnungen im Jahr 2019.

Angebot an kommunalen Wohnungen wächst

Das Angebot kommunaler Wohnungen stieg aber vor allem durch den Zukauf von Immobilien. 11.936 Wohnungen erwarben die sechs Unternehmen 2019.

Dazu zählt auch ein Kontingent von vor Jahren vom Senat privatisierter und nun zu einem Vielfachen des Preises zurückgekaufter Wohnungen der Deutschen Wohnen in Spandau, ferner zahlreiche Wohnhäuser in sozialen Erhaltungsgebieten, in denen die öffentliche Hand auf dem Wege des Vorkaufsrechts in Kaufverträge zwischen privaten Immobilienhändlern einsteigen können.

An der Kooperationsvereinbarung zwischen dem Senat und seinen Unternehmen arbeitet die „Wohnraumversorgung Berlin“ mit, die soziale Belange im Blick hat und auch den aktuellen Bericht zur Geschäftstätigkeit der Firmen vorlegt. Der Vorstand der Wohnraumversorgung Berlin, Jan Kuhnert, wollte zu der verhandelten Vorschrift, wonach landeseigene Firmen drei von vier neu gebauten Wohnungen an Haushalte mit geringen Einkünften vergeben sollten, keine Stellung nehmen.

Die wohnungspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Katrin Schmidberger, verteidigte die Forderung: „Der Kreis der Personen, die eine geförderte Wohnung beziehen können, wurde noch einmal erweitert“. Die Berliner Grenzen lägen nun bei bis zu 180 Prozent der im Wohnraumfördergesetzes festgeschriebenen Einkommensobergrenzen (Einpersonen-Haushalt: 12.000 Euro jährlich), jedenfalls im neu eingeführten zweiten Förderweg (Neubaumiete: 8,50 Euro).

Das aktuelle Monitoring zur sozialen Entwicklung hatte eine verschärfte Spaltung der Stadt in gute Lagen im Zentrum und zunehmenden Problemen vor allem in Großsiedlungen der „Äußeren Stadt“ beobachtet. Der größte Berlin-Brandenburgischer Wohnungsverband BBU warnt davor, in den großen von der Stadt geplanten Neubaugebieten diese Fehler der Vergangenheit zu wiederholen.

https://www.tagesspiegel.de/berlin/neue-richtlinie-fuer-staedtische-wohnungsbaugesellschaften-drei-von-vier-neubauwohnungen-sollen-an-geringverdiener-gehen/25901816.html

Aus der Rubrik “Mietenpolitik”:

 

Berliner Zeitung am 03.06.2020 – Interview: Katrin Lompscher: „Man muss auch über Möglichkeiten eines Mietverzichts sprechen“

Die Stadtentwicklungssenatorin über die Folgen der Corona-Pandemie, eine mögliche Fortschreibung des Mietspiegels, die Klagen gegen den Mietendeckel und einen neuen Anlauf zur Reform des sozialen Wohnungsbaus.

Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) fordert, dass der Kündigungsschutz für Mieter, die in der Corona-Krise in Zahlungsschwierigkeiten geraten, verlängert wird. Im Interview mit der Berliner Zeitung sagt sie außerdem, warum sie zuversichtlich ist, dass die Klagen gegen den Mietendeckel nicht erfolgreich sind – und wie Mieter auf sogenannte Schattenmieten reagieren sollten, die von manchen Vermietern verlangt werden.

Frau Lompscher, viele Berliner wissen in der Corona-Pandemie nicht, wie sie die Miete bezahlen können. Haben Sie schon einen Überblick, wie viele um eine Stundung der Miete gebeten haben?

Katrin Lompscher: Wir können das nur für die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften sagen, die ein Informationssystem eingerichtet haben, um die Entwicklung zu beobachten. Zum Glück – muss man sagen – haben sich bisher noch nicht so viele MieterInnen gemeldet. Bei allen sechs Gesellschaften sind es bisher noch weniger als 2000. Ganz bestimmt wirkt sich positiv aus, dass wir die landeseigenen Gesellschaften schon im März angewiesen haben, mit Zahlungsschwierigkeiten von MieterInnen kulant umzugehen. Es gibt aber schon jetzt – und nicht nur bei den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften – Hinweise darauf, dass sich das Problem zuspitzen könnte, je länger der Zustand anhält.

Die von Bundesregierung und Bundestag beschlossene Möglichkeit zur Stundung der Miete hilft zwar für den Moment, aber bis Mitte 2022 müssen die Haushalte die Miete zurückzahlen. Ist das realistisch?

Zunächst mal will ich darauf hinweisen, dass die Stundungsregelung mit einem Kündigungsschutz verbunden ist, der nur bis Ende Juni gilt. Die Bundesregierung muss diesen Schutzzeitraum dringend verlängern. Mindestens, wie ursprünglich gedacht, bis Ende September. Wir haben bisher allerdings keine Signale, dass das geplant ist. Aus meiner Sicht ist es aber extrem dringlich und wichtig, dass das passiert. Der beste Weg für alle Mieterinnen und Mieter ist natürlich, alle Hilfen zu nutzen, um die Miete weiter zu zahlen. Für Wohnungen des freien Marktes gibt es Wohngeld und für den sozialen Wohnungsbau einen Mietzuschuss. Diese Unterstützung in Anspruch zu nehmen, ist immer die Vorzugsvariante vor einer Stundung und einer späteren Rückzahlung, die ja eine weitere Belastung darstellt. Natürlich muss man auch über Möglichkeiten eines Mietverzichts auf Seiten der Vermieter sprechen.

Sind Sie darüber im Gespräch mit großen Vermietern?

Solche Gespräche sind anberaumt. Aber sie haben noch nicht stattgefunden. Ich bin sehr gespannt auf das Ergebnis.

Wer im Moment eine neue Wohnung in Berlin sucht, sieht sich nach einer Auswertung des Instituts F + B mit Mietforderungen in Höhe von rund 15 Euro pro Quadratmeter konfrontiert. Was läuft da falsch?

Hohe Angebotsmieten sind kein neues Phänomen und in Zeiten von Wohnungsknappheit auch nicht besonders überraschend. Im Neubau sind solche Mieten leider inzwischen üblich. Man muss aber ganz klar sagen, dass sich solche Angebotsmieten tendenziell nicht realisieren lassen. Jedenfalls in Wohnungen, die bis 2013 errichtet wurden, denn für die gilt der Mietendeckel.

Es gibt jetzt aber Vermieter, die versuchen, den Mietendeckel mit sogenannten Schattenmieten zu umgehen. Um für den Fall vorzusorgen, dass das Bundesverfassungsgericht den Mietendeckel kippt. Die Vermieter schreiben eine höhere Miete als laut Mietendeckel erlaubt im Vertrag fest, kassieren zunächst aber nur den zulässigen Betrag. Was können Mieter hier tun?

Dass Schattenmieten in Neuverträge aufgenommen werden, ist unschön und führt zu einer großen Verunsicherung bei den Mieterinnen und Mietern. Das Bundesverfassungsgericht bewertet ein solches Vorgehen, für den Fall einer gerichtlichen Entscheidung, jedoch als rechtlich zulässig. Klar ist aber: der Mietendeckel und die Mietpreisbremse gelten und damit auch die darin vorgesehenen Mietpreisbegrenzungen. Ich rate den Mieterinnen und Mietern in Berlin deshalb: Informieren Sie sich und gehen Sie zur kostenlosen Mieterberatung, die es stadtweit gibt.

Es soll auch Kaufverträge geben, in denen niedrigere Kaufpreise für Wohnhäuser für den Fall vereinbart werden, dass der Mietendeckel vor Gericht Bestand hat.

Ich habe davon gehört. Dass der Mietendeckel nicht nur Mietpreise dämpft, sondern in der Tendenz auch Kaufpreise bremst, liegt auf der Hand.

FDP und CDU haben gerade Klage gegen den Mietendeckel vor dem Landesverfassungsgericht und dem Bundesverfassungsgericht erhoben. Sie halten ihn, wie viele Vermieter auch, für nicht verfassungskonform. Was ist Ihr stärkstes Argument dafür, dass der Mietendeckel mit der Verfassung vereinbar ist?

Wir haben im Vorfeld verfassungsrechtliche Expertise eingeholt. Das Ergebnis war, dass die Bundesländer, die nach der Föderalismusreform von 2006 die Kompetenz für das Wohnungswesen haben, ein solches Gesetz verabschieden dürfen. Ich bin zuversichtlich, dass das Bundesverfassungsgericht dies genauso sieht. Das gilt auch für die Frage, ob unser Gesetz den verfassungsrechtlichen Grundsätzen entspricht, also zum Beispiel der Verhältnismäßigkeit und der Geeignetheit. Im Ergebnis unserer Prüfungen haben wir deshalb zum Beispiel eine Härtefallregelung für Vermieter geschaffen. Und die Mietobergrenzen wurden – hochgerechnet mit dem Lebenshaltungsindex bis 2019 – aus dem Mietspiegel 2013 abgeleitet.

Gibt es schon Signale für einen Termin vor dem Bundesverfassungsgericht?

Nein. Das Bundesverfassungsgericht hat uns bislang nur bis Ende Juli um Stellungnahme zu den Verfassungsbeschwerden gegen den Mietendeckel gebeten, die im März eingereicht wurden. Die Normenkontrollanträge von CDU/CSU und FDP, die beim Bundesverfassungsgericht eingegangen sind, sind noch gar nicht bei uns gelandet, ebenso wenig die Normenkontrollklage der Fraktionen von CDU und FDP aus dem Abgeordnetenhaus vor dem Berliner Verfassungsgerichtshof. Ich kann deswegen keine Prognose abgeben, wann hier jeweils mit einem Urteil zu rechnen ist.

Was ist mit dem Mietspiegel? Wird es wirklich keinen neuen geben?

Wir überprüfen aktuell, ob und wie wir den Mietspiegel fortschreiben können, da der Mietendeckel ja nicht für alle Wohnungen gilt. Möglicherweise lässt sich ein Mietspiegel zumindest für Teilsegmente des Wohnungsmarktes erarbeiten.

Welche Mieten wollen Sie dem Mietspiegel zugrunde legen? Das dürfen ja nur solche Mieten sein, die sich am Markt frei gebildet haben. Wären das noch die Mietendeckel-Mieten?

Alle Mieten, die eingefroren sind, haben sich ja davor am Markt frei gebildet. Sie könnten die Grundlage bilden, ebenso die Mieten für Neubauwohnungen ab Baujahr 2014, denn die fallen ja nicht unter den Mietendeckel. Die unterschiedlichen Möglichkeiten werden derzeit noch überprüft.

Die Initiative Deutsche Wohnen und Co enteignen will mehr als einen Mietendeckel. Sie will über ein Volksbegehren und einen Volksentscheid die Bestände von Immobilienunternehmen mit mehr als 3000 Wohnungen in Berlin vergesellschaften. Haben Sie Verständnis dafür, dass die Innenverwaltung mehr als 300 Tage nach Übergabe der Unterstützer-Unterschriften noch immer nicht entschieden hat, ob das Volksbegehren zulässig ist?

Da es Sache des Innensenators ist, die Prüfung durchzuführen, liegt es in seinem Ermessen wie lange das dauert. Aber ich habe auch den Eindruck, dass es schon sehr lange dauert. Nicht umsonst hat die Initiative sich ja entsprechend öffentlich positioniert und erwartet, dass sie zügig ein Ergebnis bekommt.

Die Corona-Krise führt dazu, dass Berlin wieder Schulden in Milliardenhöhe machen muss. Ist da eine Vergesellschaftung von rund 240.000 Wohnungen, für die eine Entschädigung gezahlt werden müsste, überhaupt denkbar?

Die Corona-Krise wirft eine Menge Fragen auf, wenn sie aber eines ganz deutlich zeigt, dann, wie wichtig ein bezahlbares Dach über dem Kopf ist.

Wie wirkt sich die Corona-Pandemie auf den Neubau der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften aus?

Das Baugeschehen wird durch die Corona-Pandemie bisher zum Glück nur wenig beeinträchtigt, läuft aber natürlich auch nicht komplett störungsfrei. Zum einen verzögern sich durch die veränderte Arbeitssituation Planungs- und Abstimmungsvorgänge. Zum anderen gibt es den einen oder anderen Lieferengpass für Materialien. Generell sind die Störungen auf den Baustellen aber geringer als in anderen Bereichen der Wirtschaft. Alle Beteiligten haben großes Interesse daran, das Bauvolumen unverändert zu realisieren und wie geplant zu erweitern. Wir sehen aber die Gefahr, dass es zu Verzögerungen kommen kann.

Lässt sich sagen, wie viele Wohnungen die landeseigenen Unternehmen in dieser Legislaturperiode mit Corona fertigstellen?

Es ist noch zu früh, um wirklich sagen zu können, in welchem Umfang sich die Corona-bedingten Verzögerungen auf die Projekte auswirken werden. Deshalb kann ich derzeit seriös noch keine Zahlen nennen. Bislang sind wir davon ausgegangen, dass wir bis Ende 2021 mit dem Bau von rund 30.000 Wohnungen begonnen und rund 24.000 fertiggestellt haben werden. Wir müssen beobachten, wie sich die aktuelle Situation weiter entwickelt.

Rot-Rot-Grün hat zu Beginn der Regierungszeit eine Reform des sozialen Wohnungsbaus versprochen. Die Mieten sollten gesenkt und nach dem Einkommen der Mieter gestaffelt werden. Wann kommt die Reform?

Der alte soziale Wohnungsbau ist tatsächlich ein großer Brocken. Die Reform sollte in drei Schritten erfolgen. Die ersten beiden Schritte, zu denen ein Mieterhöhungsstopp und die Erweiterung des Mietzuschusses gehörten, hat die Koalition geschafft. Beim dritten Schritt, der gesetzlichen Neugestaltung, gibt es weiterhin Klärungsbedarf in der Koalition. Es geht im Kern um die Frage, ob von der bisherigen Kostenmiete, in die alle irgendwann im Zusammenhang mit Bau und Finanzierung angefallenen Ausgaben eingeflossen sind, auf eine einkommensorientierte Richtsatzmiete umgestellt werden soll. Wir wollen jetzt einen neuen Anlauf zur gesetzlichen Reform unternehmen, Kostenmieten neu zu bestimmen und zu reduzieren, indem Kosten, die nicht mehr anfallen, nicht mehr angerechnet werden. Der zweite wichtige Effekt wäre, dass die Wohnungen nach dem Ende der Sozialbindung mit niedrigeren Mieten in das Vergleichsmietensystem übergehen. Dadurch könnten wir künftige Mieterhöhungsspielräume verringern.

Neben der Initiative Deutsche Wohnen und Co enteignen gibt es derzeit noch eine weitere Initiative zur Wohnungspolitik. Die wirtschaftsnahe Initiative Neue Wege für Berlin hat Unterschriften für den Bau von 12.500 bezahlbaren Wohnungen jährlich gesammelt. Was halten Sie davon?

Mit den Forderungen der Initiative beschäftigt sich zunächst das Parlament, dann wird der Senat eine Stellungnahme abgeben. Die Frage für mich ist, was die Initiative unter bezahlbaren Wohnungen versteht, wieviel Geld sie bereitstellen will und mit welchen Partnern die Wohnungen errichtet werden sollen? Wir stellen für dieses Jahr Mittel zum Bau von 4500 Sozialwohnungen zur Verfügung. Das kostet einen dreistelligen Millionenbetrag, und es ist anspruchsvoll, diese Zielzahlen zu erreichen. Unsere derzeitige Projekt-Pipeline bildet relativ gut das Volumen ab, das auf dem Wohnungsneubaumarkt zu realisieren ist. Wenn man bis zu dreimal mehr machen will, wie die Initiative, muss man auch darstellen, wie das zu schaffen wäre. Darauf bin ich gespannt.

Bezweifeln Sie, dass 12.500 bezahlbare Wohnungen nötig sind?

Nein, ich bezweifle, dass sie möglich sind – unter den jetzigen Rahmenbedingungen.

https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/man-muss-auch-ueber-moeglichkeiten-eines-mietverzichts-sprechen-li.84827

Aus der Rubrik “Mietenpolitik”:

 

Berliner Zeitung am 25.05.2020: Berlin Weitere Verfassungsklage gegen Mietendeckel eingereicht

Die Fraktionen von CDU und FDP aus dem Berliner Abgeordnetenhaus ziehen gegen das rot-rot-grüne Gesetz zur Begrenzung der Mieten vor Gericht.

Der Mietendeckel wird jetzt auch ein Fall für den Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin. Knapp drei Wochen, nachdem Bundestagsabgeordnete von CDU/CSU und FDP vor dem Bundesverfassungsgericht Klage gegen das rot-rot-grüne Mietengesetz eingelegt haben, folgten am Montag CDU und FDP im Berliner Abgeordnetenhaus. Sie reichten auf Landesebene eine Normenkontrollklage gegen den Mietendeckel ein.

„Mit der von uns eingereichten Verfassungsklage werden wir die Rechtssicherheit für Mieter und Vermieter endlich wiederherstellen“, sagte FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja. Die Klage vor dem Berliner Verfassungsgerichtshof sei weitgehender als die vor dem Bundesverfassungsgericht. Der Mietendeckel reglementiere in vielfacher Weise die Rechte des Eigentümers. So sei der Mietenstopp „ein direkter Eingriff in die Vertragsfreiheit“. Zudem werde in den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz eingegriffen. Alle Lasten des Gesetzes, vor allem ausfallende Erträge, träfen Vermieter unverhältnismäßig.

Der Berliner Mieterverein (BMV) kritisiert die Klage von CDU und FDP gegen den Mietendeckel. „Dass Berliner Parteien gegen das notwendige Gesetz zur Begrenzung des Mietanstiegs vorgehen, ist beschämend“, sagte BMV-Geschäftsführer Reiner Wild. Der Mietendeckel sei gerade im Hinblick auf die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Corona-Pandemie von besonderer Bedeutung.

Der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) bezeichnete es dagegen als „gut, wenn jetzt auch auf Landesebene eine höchstrichterliche Überprüfung“ des Mietendeckels auf den Weg gebracht werde. Wegen des Mietendeckels können laut BBU viele Vermieter weniger in Neubau, Modernisierung und energetische Sanierung investieren.

Zumindest die kürzlich vorgelegten Zahlen über Baugenehmigungen in Berlin sprechen eine andere Sprache. Laut Amt für Statistik wurde im ersten Vierteljahr der Bau von 5 315 Wohnungen genehmigt – 9,8 Prozent mehr als zur gleichen Zeit im Vorjahr.

https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/weitere-verfassungsklage-gegen-mietendeckel-eingereicht-li.84344

Aus der Rubrik “Wohnungspolitik”:

 

Berliner Zeitung am 19.05.2020: Deutsche Wohnen und Co enteignen Enteignungs-Initiative klagt gegen Innensenator  

Elf Monate lang hat Innensenator Geisel nicht über die Zulassung des Volksbegehrens zur Vergesellschaftung von Wohnungen entschieden.

Die Initiative „Deutsche Wohnen und Co enteignen“ hat am Montag beim Berliner Verwaltungsgericht Klage gegen Innensenator Andreas Geisel (SPD) eingereicht. Die Initiative will damit eine Entscheidung über die Zulässigkeit des Volksbegehrens zur Vergesellschaftung von Wohnungen großer Immobilienunternehmen in Berlin herbeiführen.

Grund für die Klage ist, dass die Senatsverwaltung für Inneres mehr als elf Monate nach Einreichung der nötigen Unterstützer-Unterschriften noch immer nicht über die Zulässigkeit des Volksbegehrens entschieden hat. „Der Senat betreibt politisches Schindluder mit dem in der Berliner Verfassung verankerten Recht auf Volksbegehren“, kritisierte Moheb Shafaqyar, der Sprecher der Initiative. Allen voran der Regierende Bürgermeister Michael Müller und sein Innensenator müssten die „unwürdige Hinhaltetaktik sofort beenden“.

Der Gang zum Verwaltungsgericht wurde von Unterstützern der Initiative begleitet. „Direkte Demokratie ist systemrelevant“, stand auf einem Transparent, das sie mitgebracht hatten. „Mietendeckel hält fünf Jahre. Vergesellschaftung: Hält ein Leben lang“ war auf Pappschildern zu lesen.

Ziel der Initiative ist es, die Bestände von Immobilienunternehmen mit mehr als 3000 Wohnungen in Berlin zu vergesellschaften. Die Initiative beruft sich dabei auf Artikel 15 des Grundgesetzes. Darin ist formuliert, dass „Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel“ zum Zwecke der Vergesellschaftung durch ein Gesetz in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft überführt werden können.

https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/enteignung-wird-fall-fuers-gericht-li.83883

Aus der Rubrik “Wohnungspolitik”:

 

DER TAGESSPIEGEL am 18.05.2020: „Deutsche Wohnen & Co. enteignen” – Enteignungs-Initiative klagt gegen Berliner Senat

Die Initiative will ein Volksbegehren zur Enteignung großer Wohnungskonzerne durchführen. Der Senat muss es für zulässig erklären – das dauert ihr zu lange. 50 Miet-Aktivisten protestierten.

Protestieren, aber dabei die Hygienevorschriften beachten, geht auch: Auf dem Mundschutz, den einige der 50 Miet-Aktivisten am Montag trugen, stand: „Gesundheit? Wohnraum? Keine Ware!“ Vor fast einem Jahr hatten sie deshalb mehr als 77000 Unterschriften eingereicht von Berlinern, die eine „Vergesellschaftung“ der Deutsche Wohnen sowie aller Firmen mit mehr als 3000 Wohnungen fordern. Ein beispielloser Eingriff in die soziale Marktwirtschaft, dessen rechtliche Prüfung der Senat seither „aufschiebt“. Eine Klage beim Verwaltungsgericht warfen die Aktivisten am Montag nun ein, öffentlichkeitswirksam von Protest begleitet.

„Der Senat betreibt politisches Schindluder mit dem in der Verfassung verankerten Recht auf Volksbegehren“, sagt der Sprecher der Initiative Moheb Shafaqyar. Diese „unwürdige Hinhaltetaktik“ müsse der Senat „sofort beenden“. Mit der Klage wolle die Initiative dies beenden. Rouzbeh Taheri, Mitbegründer der Initiative meint: „Das schädigt die direkte Demokratie, die einen Verfassungsrang hat.“

Lang andauernde Prüf- und Abwägungsprozesse haben Initiativen „aus dem Volk“ die politisch sonst gerne herbeigesehnte Partizipation schon oft schwer gemacht. Weil die Mühlen der Verwaltung langsam mahlen, hatte schon der Radvolksentscheid Klage eingereicht – erst dann reagierte der Senat mit einem Gesprächsangebot.

Dieses soll auch im Fall von „DW enteignen“ im Raum stehen: Gerüchten zufolge gibt es einen Brief von drei Politikern der Regierungsfraktionen SPD, Linke und Grünen. Offiziell zugestellt ist dieser aber nicht. Und: Und: Müsste nicht eigentlich entweder die Verwaltung urteilen über die Rechtmäßigkeit oder der Senat selbst verhandeln?

https://www.tagesspiegel.de/berlin/deutsche-wohnen-und-co-enteignen-enteignungs-initiative-klagt-gegen-berliner-senat/25839178.html

Aus der Rubrik “Wohnungspolitik”:

 

Berliner Zeitung am 13.05.2020: Bündnis „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ will Senat verklagen

Monatelang wartete die Initiative vergeblich auf die Entscheidung, ob ihr Volksbegehren zugelassen wird. Jetzt will sie es vor Gericht erzwingen.

Nach monatelangem Warten hat das Berliner Bündnis „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ die Nase voll: Es will den Senat nun auf juristischem Wege zu einer Entscheidung über die Zulässigkeit des geplanten Volksbegehrens zur Enteignung großer Wohnungskonzerne zwingen. Eine entsprechende Klage werde am kommenden Montag beim Verwaltungsgericht eingereicht, kündigte die Initiative am Mittwoch an.

„Die Verschleppungsstrategie des Senats in Sachen Volksbegehren ist eine Zumutung für die direkte Demokratie“, sagte ihr Sprecher Moheb Shafaqyar. „Die rechtliche Prüfung darf nicht dazu dienen, unliebsamen Initiativen den Wind aus den Segeln zu nehmen.“

„Eine abschließende Stellungnahme der Senatsverwaltung für Inneres und Sport liegt noch nicht vor, sondern lediglich ein vorläufiges Ergebnis, das noch abgestimmt werden muss“, betonte der Sprecher der Innenverwaltung, Martin Palgen, auf dpa-Anfrage. „Erst wenn die abschließende Stellungnahme vorliegt, wird die fachlich zuständige Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen und anschließend der Senat über den Ausgang in Kenntnis gesetzt.“

Das Vorhaben ist innerhalb der rot-rot-grünen Koalition hochumstritten. Linke und Grüne stellten sich in unterschiedlicher Form bereits hinter das Volksbegehren. Die SPD mit Regierungschef Michael Müller positionierte sich gegen Enteignungen. Auch die Oppositionsparteien CDU, AfD und FDP sind dagegen.

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