Archiv für den Monat: März 2019

Aus der Rubrik “Wohnungspolitik”:

 

DER TAGESSPIEGEL am 14.03.2019: Wegen Enteignungsdebatte – Berlin fürchtet um seine Kreditwürdigkeit

Die Ratingagentur Moody’s kritisiert die Debatte um die Verstaatlichung von Immobilienkonzernen. Der Finanzsenator ist besorgt, die Wirtschaft entsetzt.

Die Ratingagentur Moody’s warnt vor den Folgen, die die Enteignungsdebatte für die Kreditwürdigkeit Berlins hat. Sollte der geplante Volksentscheid über die Verstaatlichung privater Immobilienkonzerne wie Vonovia oder die Deutsche Wohnen erfolgreich sein, würde das Berlins Kreditprofil negativ beeinflussen, heißt es in einem neuen Kommentar der Agentur. Die Enteignung von Immobilienkonzernen würde die Möglichkeiten der Hauptstadt mindern, Investoren anzuziehen und zudem die Verschuldung auf ein Rekordhoch drücken.

Die Landesregierung zeigte sich am Mittwoch besorgt angesichts dieser Warnung. Zwar seien die Auswirkungen des Moody’s-Kommentars noch nicht abzusehen, sagte Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) dem Tagesspiegel. Aber: „Ungeachtet dessen ist die Einschätzung der Ratingagentur ernst zu nehmen.“

Die Wirtschaft reagierte am Mittwoch entsetzt auf den Vorstoß der Ratingagentur. „Die Überlegung an den Finanzmärkten, Berlins Kreditwürdigkeit herabzustufen, muss dem Senat eine deutliche Warnung sein“, sagte Christian Amsinck, Hauptgeschäftsführer der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg (UVB), dem Tagesspiegel. „Dies würde bedeuten, dass das Land in Zukunft deutlich höhere Zinsen für neu aufgenommene Kredite zahlen müsste.“

Amsinck wies darauf hin, dass der Senat derzeit Milliarden-Ausgaben für den öffentlichen Nahverkehr, für den Schulbau, für die Rekommunalisierung der Energienetze, für den Rückkauf von Wohnungen im großen Stil oder für Entschädigungen nach Enteignungen plane. „Das zeigt, dass viele in der Koalition die finanziellen Möglichkeiten Berlins vollkommen überschätzen“, sagte er.

https://www.tagesspiegel.de/berlin/wegen-enteignungsdebatte-berlin-fuerchtet-um-seine-kreditwuerdigkeit/24100008.html

Aus der Rubrik “Wohnungspolitik”:

 

Berliner Morgenpost am 14.03.2019: Kommentar – Die Debatte um Enteignungen in Berlin ist gefährlich

Der Berliner Senat muss sich klar gegen die Enteignung von Wohnungsunternehmen stellen, fordert Gilbert Schomaker.

Die Überlegungen der Ratingagentur Moody’s, wegen der Enteignungsdebatte die Bonität Berlins schlechter zu bewerten, ist ein eindringliches Warnzeichen. Eine schlechtere Bonität hat zur Folge, dass neue Kredite für das Land teurer werden. Das wäre eine fatale Entwicklung. Hinzu kommt, dass die Schuldenbremse eigentlich genau eine solche Flucht in neue Schulden verbietet. Zudem werden die anderen Bundesländer wohl kaum in Euphorie verfallen, wenn Berlin, das immer noch viel Geld aus dem Länderfinanzausgleich erhält, Milliarden für die Enteignung von Wohnungskonzernen ausgibt.

Doch statt klar zu sagen, dass sich die Stadt bei ihrem hohen Schuldenstand einen massiven Rückkauf von Wohnungen oder gar eine Entschädigung nach einer Enteignung nicht leisten kann, spielen die politisch Verantwortlichen in Berlin ein gefährliches Spiel. Die Linkspartei und Teile von SPD und Grünen unterstützten das Volksbegehren offen. Dabei gehört zur Wahrheit dazu, dass es auch Kollateralschäden der Enteignungen geben würde. Die Hilfswerk-Siedlung GmbH (HWS), ein Unternehmen der evangelischen Kirche, findet sich auf der Liste der zu enteignenden Unternehmen wieder. Ausgerechnet. Denn die Hilfswerk-Siedlung bietet Mietern verhältnismäßig günstigen Wohnraum an und gehört wahrlich nicht zu den Mietentreibern. Aber die Einrichtung der evangelischen Kirchen hat das Pech, dass sie eben auch über 3000 Wohnungen besitzt.

Was wirklich gegen die Wohnungsnot hilft, ist der Neubau von Wohnungen. Der Enteignungsbewegung sollten der Regierende Bürgermeister und sein Senat eine klare Absage erteilen.

https://www.morgenpost.de/meinung/article216658777/Die-Debatte-um-Enteignungen-in-Berlin-ist-gefaehrlich.html

Aus der Rubrik “Wohnungsbau”:

 

Berliner Morgenpost am 15.03.2019: Stadtentwicklung – Wo in Berlin 200.000 neue Wohnungen entstehen sollen

Ein Senatsplan beziffert das Potenzial für Bauprojekte bis zum Jahr 2030. Auch bestehende Siedlungen sollen verdichtet werden.

Der Wohnungsbau ist das wichtigste Thema der Stadtpolitik für die nächsten Jahre. Der Senat bereitet seinen Stadtentwicklungsplan (Step) Wohnen vor, der Projekte, Potenziale und Instrumente auflistet, um den steigenden Wohnraumbedarf zu decken. Zumindest in der Theorie wäre das bis 2030 möglich. Glaubt man dem Step Wohnen, dessen noch nicht offiziell veröffentlichten Entwurf die Morgenpost ausgewertet hat, braucht Berlin bis zum Beginn des übernächsten Jahrzehnts 194.000 zusätzliche Wohnungen. Dazu wurde ein Potenzial von knapp 200.000 Wohnungen auf dem Stadtgebiet ermittelt.

90.000 davon werden als kurzfristig realisierbar eingeschätzt, 63.000 als mittelfristig, 47.000 als langfristig. Würden alle Freiraume genutzt, hieße das, dass der Wohnungsbestand in nur elf Jahren um mehr als zehn Prozent steigen würde. Ein Viertel der ausgeguckten Standorte gehört dem Land, ist somit grundsätzlich für billigere Bleiben geeignet, weil Bauherren nicht erst den hohen Grundstückspreis bezahlen müssen. Ein Blick auf die Karte, die die vielfältigen Standorte für neue Wohnungen in unterschiedlichen Stadien der Umsetzung und die verschiedenen Akteure aufzeigt, macht auch klar: Dort, wo das Land beziehungsweise die sechs landeseigenen Wohnungsbaukonzerne investieren sollen, findet sich die Farbe Orange sehr häufig. Das heißt, es wird dauern, bis dort bezahlbare Wohnungen den überhitzten Markt entlasten können.

https://www.morgenpost.de/berlin/article216666673/Wo-in-Berlin-200-000-neue-Wohnungen-entstehen-sollen.html

Aus der Rubrik “Wohnungspolitik”:

Berliner Morgenpost am 14.03.2019: Volksbegehren – Initiative will die Evangelische Kirche in Berlin enteignen

Das Volksbegehren „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ macht auch vor den Wohnungsbeständen der Hilfswerk-Siedlung nicht halt.

So geht aus der angefügten Tabelle der zu enteignenden Unternehmen – insgesamt zehn an der Zahl – hervor, dass auch die Hilfswerk-Siedlung GmbH (HWS), ein Unternehmen der evangelischen Kirche, zu den betroffenen Unternehmen gehört.

„Mit Erstaunen und Unverständnis“, habe man dies zur Kenntnis genommen, sagte HWS-Geschäftsführer Jörn von der Lieth der Berliner Morgenpost. Die Hilfswerk-Siedlung GmbH sei kein großer renditeorientierter Wohnungskonzern: „Unser vorrangiges Ziel ist es, eine sozial verantwortbare Wohnungsversorgung sicherzustellen.“

Denn in der Beschlussvorlage für das Volksbegehren steht geschrieben: „Als Schwelle für die Vergesellschaftungsreife der Unternehmen schlagen wir einen Umfang von 3000 Wohnungen pro Unternehmen vor“.Und weiter: Da das Ziel der Vergesellschaftung die Schaffung von Gemeineigentum sei, seien lediglich „Unternehmen im öffentlichen oder bereits kollektiven Besitz der Mieterschaft oder gemeinwirtschaftlich verwaltete Unternehmen rechtssicher“ auszunehmen.

Da letzteres aber nicht auf die HWS zutrifft, sie jedoch in Berlin einen Bestand von insgesamt 6000 Wohnungen hat, setzte die Senatsverwaltung sie auf die Liste der zehn zu enteignenden Unternehmen, wo sie mit ihrem auf 985 Millionen Euro veranschlagten Verkehrswert Platz neun bekleidet – vor der DIV Deutsche Vermögens- und Immobilienverwaltung (3800 Wohnungen, geschätzter Verkehrswert 679 Millionen Euro) und hinter der BGP Gruppe/BGP Investment (8000 Wohnungen, Schätzwert 1,292 Milliarden Euro).

Soziale Unternehmen werden nicht verschontAuf Platz 1 der Liste findet sich mit 111.500 Wohnungen in Berlin die Deutsche Wohnen (15,228 Milliarden Euro), gefolgt von der Vonovia (44.000 Wohnungen, 6,507 Milliarden) und ADO Properties (22.200 Wohnungen, 4,010 Milliarden).

https://www.morgenpost.de/berlin/article216658753/Initiative-will-die-Evangelische-Kirche-in-Berlin-enteignen.html

Aus der Rubrik “Wohnungspolitik”:

Berliner Morgenpost am 13.03.2019: Gegen steigende Mieten
Von Dassel: Ausländischen Investoren Häuser-Ankauf verbieten

Mittes Bezirksbürgermeister will ausländischen Investoren verbieten, in Berlin Wohnungen zu kaufen. Der Bezirk sei sonst oft machtlos.

In die Debatte um steigende Mieten in Berlin und was dagegen getan werden kann, hat sich Mittes Bezirksbürgermeister Stephan von Dassel (Grüne) mit einem Vorschlag eingeschaltet. Auf dem Leserforum der Berliner Morgenpost forderte er, ausländischen Investoren den Zugang zum Berliner Immobilienmarkt zu verbieten. „Warum kann ein luxemburgischer Immobilienfonds überhaupt ein Haus in Berlin kaufen? Warum kann man nicht sagen, das ist nicht zulässig und fordert nicht wenigstens einen deutschen Wohnsitz des Erwerbers?“

Der Bezirksbürgermeister verwies darauf, dass es in anderen Ländern auch Restriktionen gebe, etwa beim Kauf von Ferienwohnungen durch Ausländer. „Wir sollten mal gucken, wieso die das können und wir nicht.“

Besonders internationale Investoren würden dem Bezirk immer wieder Probleme bereiten so von Dassel. „Wenn es eine Firma aus Luxemburg oder den Cayman Islands ist, haben wir als Bezirk nie eine Chance, mit den Käufern ins Gespräch zu kommen“, sagte von Dassel. Während es bei inländischen Immobilienfirmen eher möglich sei, diese zu erreichen und Lösungen im Sinne der Mieter zu finden, fehle dem Bezirk dieser Zugang bei Firmen aus dem Ausland.

https://www.morgenpost.de/bezirke/mitte/article216657993/Von-Dassel-Auslaendischen-Investoren-Haeuser-Ankauf-verbieten.html

Aus der Rubrik “Mietenpolitik”:

 

DER TAGESSPIEGEL am 13.03.2019: Berliner Wohnungspolitik – Mietendeckel sorgt für Zoff zwischen SPD und Linken

Gegeneinander statt Miteinander: In der rot-rot-grünen Koalition hakt es. Es geht mal wieder ums Thema Wohnen.

Kommt der Mietendeckel und wenn ja, wann? Über diese Fragen gibt es in der Koalition Streit zwischen SPD und Linken. Anlass ist die Senatssitzung am vergangenen Dienstag. Für diese hatte Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) eine sogenannte Besprechungsunterlage angemeldet, in der sie die Einrichtung eines Arbeitskreises vorschlägt, der die juristisch komplexe Materie weiter beleuchtet.

Die Vorlage wurde mit Verweis auf eine vermeintliche Fristüberschreitung Lompschers nicht behandelt. Nachdem derTagesspiegel-Checkpoint am Mittwochmorgen darüber berichtet hatte, beschuldigten sich beide Seiten gegenseitig, das Projekt zu verzögern.

https://www.tagesspiegel.de/berlin/berliner-wohnungspolitik-mietendeckel-sorgt-fuer-zoff-zwischen-spd-und-linken/24097634.html

Aus der Rubrik “Wissenswertes”:

 

Kann ein einfacher Mietspiegel als Schätzgrundlage nach § 287 ZPO herangezogen werden?

Die Antwort des Verfassungsgerichtshofs Berlin (VerfGH Berlin – VerfGH 37/17, Beschluss vom 19.12.2018) lautet: Ja!

Zur Begründung führt der Verfassungsgerichtshof Berlin in seiner vorgenannten Entscheidung unter II. wie folgt aus: “Die zulässige Verfassungsbeschwerde ist unbegründet. Weder die Entscheidung in der Sache (1.) noch die Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision (2.) sind von Verfassungs wegen zu beanstanden.

1. Die Abweisung der Klage der Beschwerdeführerin auf Zustimmung zur Erhöhung der Miete verstößt nicht gegen die Verfassung von Berlin.

a) Das Urteil verletzt die Beschwerdeführerin nicht in ihrem durch Art. 23 Abs. 1 VvB verbürgten Eigentumsrecht. Die Vorschrift schützt vom Gesetzgeber gewährte konkrete vermögenswerte Rechte als Eigentum (vgl. Beschluss vom 25. April 2006 – VerfGH 32/06 – abrufbar unter www.gerichtsentscheidun-gen.berlin-brandenburg.de, Rn. 19). Zu den verfassungsrechtlich geschützten Rechtspositionen, die das bürgerliche Recht einem privaten Rechtsträger zuordnet, gehört auch das Eigentum an Mietwohnungen. Dabei ist es jedoch Sache des Gesetzgebers, Inhalt und Schranken des Eigentums und damit die konkrete Reichweite der Eigentumsgarantie zu bestimmen (Art. 23 Abs. 1 Satz 2 VvB). Gesetzliche Mietpreisbindungen schränken die Freiheit des Eigentümers ein, sein Eigentum wirtschaftlich möglichst vorteilhaft zu nutzen. Diese Einschränkungen werden durch das Ziel gerechtfertigt, Mieter in bereits bestehenden Mietverhältnissen vor unzumutbar hohen Mietsteigerungen zu schützen und es ihnen zu ermöglichen, ihre Wohnungen als Lebensmittelpunkt langfristig und verlässlich zu erhalten. Die Gerichte haben diese vom Gesetzgeber vorgenommene Abwägung bei der Anwendung und Auslegung der einschlägigen Vorschriften zu beachten. Sie müssen die im Gesetz zum Ausdruck kommende Interessenabwägung nachvollziehen und der Zweckbestimmung der gesetzlichen Vorschriften Rechnung tragen (vgl. Beschluss vom 5. März 2004 – VerfGH 108/03 – Rn. 14). Die Auslegung des einfachen Rechts und seine Anwendung auf den einzelnen Fall ist allerdings Sache der hierfür zuständigen Fachgerichte. Rechtsanwendungsfehler der Fachgerichte verstoßen erst dann gegen Art. 23 Abs. 1 VvB, wenn sie auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung der Eigentumsgarantie beruhen oder die gerichtliche Durchsetzung des Anspruchs auf die gesetzlich zulässige Miete unzumutbar erschweren (vgl. Beschluss vom 11. Oktober 2001 – VerfGH 7/01 – Rn. 25 f.; BVerfG, Beschluss vom 23. April 1974 – 1 BvR 6/741 BvR 2270/73).

Das angegriffene Urteil hält einer Nachprüfung anhand dieser Maßstäbe stand. Wie der Verweis auf sein Urteil vom 9. August 2016 – 18 S 111/15 – ergibt, hat das Landgericht in seiner Begründung unterstellt, dass der Mietspiegel 2015 nicht nach wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt wurde. Die in dem Mietspiegel enthaltenen Werte hat es dennoch für die Bestimmung der ortsüblichen Vergleichsmiete für maßgeblich gehalten und zur Begründung hierfür auf § 287 ZPO verwiesen. Eventuelle Abweichungen der Werte des Mietspiegels 2015 von der tatsächlichen ortsüblichen Vergleichsmiete hat es mit der jeder Schätzung innewohnenden Unschärfe gerechtfertigt. Dieser Begründungsansatz ist verfassungsrechtlich nicht unbedenklich, weil er es erlauben würde, auch Mietspiegel mit realitätsfernen Werten zur Grundlage von Entscheidungen über Mietstreitigkeiten zu machen, ohne dem Vermieter eine Möglichkeit zu belassen, die tatsächliche ortsübliche Vergleichsmiete nachzuweisen. Eine solche Verfahrensweise würde die Möglichkeit der gerichtlichen Durchsetzung der gesetzlich zulässigen Miete unzumutbar erschweren und verstieße gegen die Verfassung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. April 1974, a. a. O.). Allerdings hat sich das Landgericht vorliegend im Wege des Verweises auf sein Urteil vom 9. August 2016 mit der Eignung des Mietspiegels 2015 als Schätzgrundlage auseinandergesetzt. Ausgehend von der von der Beschwerdeführerin nicht in Frage gestellten Sachkunde und Lauterkeit der Verfasser des Mietspiegels 2015 hat es im Wege dieses Verweises die Einwände gegen die Eignung des Mietspiegels 2015 als Schätzgrundlage erörtert und hat diese für nicht durchgreifend erachtet. Das Landgericht hat der Beschwerdeführerin damit im vorliegenden Einzelfall einen noch zumutbaren Weg eröffnet, zu verhindern, dass realitätsferne Datensammlungen zur Grundlage der Bestimmung der ortsüblichen Vergleichsmiete herangezogen werden.

b) Die Anwendung von § 287 Abs. 2 ZPO durch das Landgericht verstößt nicht gegen Art. 10 Abs. 1 VvB. Eine gerichtliche Entscheidung verstößt nur dann gegen das Willkürverbot, wenn sie eine offensichtlich einschlägige Norm nicht berücksichtigt oder den Inhalt einer Norm in krasser Weise missdeutet, so dass ein gesetzgeberisches Anliegen grundlegend verfehlt wird (vgl. z. B. Beschluss vom 17. Februar 2015 – VerfGH 130/14 – Rn. 9). Diese Voraussetzungen hat die Beschwerdeführerin nicht dargelegt. Sie meint, es sei willkürlich, dass das Landgericht § 287 Abs. 2 ZPO angewendet habe, obwohl nicht nur ein Teil, sondern die gesamte Höhe des Mieterhöhungsbetrages im Streit gestanden habe. Damit kann sie nicht durchdringen. Der Bundesgerichtshof wendet § 287Abs. 2 ZPO in ständiger Rechtsprechung auch auf Sachverhalte an, in denen die gesamte Höhe einer Forderung in Streit steht (vgl. BGH, Urteil vom 17. Dezember 2014 – VIII ZR 88/13).

c) Das Landgericht hat den Anspruch der Beschwerdeführerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs aus Art. 15 Abs. 1 VvB nicht verletzt. Ein Verstoß gegen die Vorschrift ist anzunehmen, wenn ein Gericht zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, trotz entsprechenden Parteivortrags in den Entscheidungsgründen nicht Stellung nimmt, sofern die Frage nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder der Parteivortrag offensichtlich unsubstantiiert war (vgl. z. B. Beschluss vom 31. Mai 2017 – VerfGH 174/15 – Rn. 23) oder wenn es ein als erheblich angesehenes Beweisangebot übergeht, ohne dass sich im Prozessrecht eine Stütze dafür findet (vgl. z. B. Beschluss vom 16. Dezember 2015 – VerfGH 116/15 – Rn. 11 f.). Das Urteil des Landgerichts überschreitet diesen grundrechtlichen Rahmen nicht.

aa) Soweit die Beschwerdeführerin vorträgt, es sei unbestritten geblieben, dass der Berliner Mietspiegel 2015 auf einem nicht repräsentativen Datenmaterial beruhe und deshalb auch nicht als einfacher Mietspiegel taugliche Erkenntnisquelle für die Bestimmung der ortsüblichen Vergleichsmiete sein könne, liegt ein Verstoß gegen das Recht auf rechtliches Gehör nicht vor. Der Vortrag in der Klageschrift, dass der Mietspiegel nicht auf repräsentativem Datenmaterial beruhe, bezieht sich auf die Frage, ob der Mietspiegel 2015 nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt wurde und er daher die Vermutungswirkung eines qualifizierten Mietspiegels nach § 558d Abs. 3 BGB für sich in Anspruch nehmen kann. Das Landgericht hat seine Entscheidung dagegen – im Wege des Verweises – damit begründet, dass der Mietspiegel im Rahmen der Schätzung nach § 287 BGB als einfacher Mietspiegel herangezogen werden könne und die ihm zugrunde liegende Datenerhebung hierfür noch ausreichend sei (Urteil vom 9. August 2016 – 18 S 111/15 -, Rn. 27 ff.). Daher kam es nach seinem Rechtsstandpunkt nicht darauf an, ob der Vortrag der Beschwerdeführerin hinsichtlich des Vorliegens eines qualifizierten Mietspiegels unbestritten geblieben ist und konnte das Landgericht in der Anhörungsrügeentscheidung dementsprechend offen lassen, ob es an eine diesbezügliche übereinstimmende Bewertung der Parteien gebunden wäre. Soweit die Beschwerdeführerin darüber hinaus geltend gemacht hat, dass der Mietspiegel 2015 aufgrund der von ihr angenommenen Mängel bei seiner Erstellung auch nicht als einfacher Mietspiegel taugliche Erkenntnisquelle für die Bestimmung der ortsüblichen Vergleichsmiete sein könne, handelt es sich um eine rechtliche Wertung, der das Landgericht – ohne gegen das Recht auf rechtliches Gehör zu verstoßen – seine eigene rechtliche Beurteilung entgegensetzen durfte.

bb) Auch die weitere Rüge der Beschwerdeführerin, das Landgericht habe einen Hinweis erteilen müssen, dass eine weitere Substantiierung ihres Vortrags erforderlich sei, bleibt ohne Erfolg. Dieser Rüge steht bereits entgegen, dass sie im Rahmen der fachgerichtlichen Anhörungsrüge vom 30. November 2016 nicht geltend gemacht worden ist.

cc) Soweit die Beschwerdeführerin außerdem geltend macht, das Landgericht habe sich nicht mit ihrem Vorbringen zu den wohnwerterhöhenden Merkmalen “wohnungsbezogener Kaltwasserzähler” und “rückkanalfähiger Breitbandanschluss” auseinandergesetzt, ist damit ebenfalls kein entscheidungserheblicher Gehörsverstoß dargetan. Aus der Verfassungsbeschwerde ergibt sich nicht, dass die Entscheidung auf diesem von ihr geltend gemachten Gehörsverstoß beruht. Das Amtsgericht hat ausgehend vom Wortlaut der Merkmale in der Orientierungshilfe “Rückkanalfähiger Breitbandanschluss (Nutzung ohne zusätzliche vertragliche Bindung des Mieters mit Dritten)” und “Wohnungsbezogener Kaltwasserzähler, wenn der Mieter nicht die Kosten für Miete oder Leasing im Rahmen der Betriebskosten trägt” begründet, dass diese nicht wohnwerterhöhend in Ansatz zu bringen seien, weil der Breitbandanschluss nur bei Abschluss eines Vertrages mit einem Dritten genutzt werden könne und die Kosten für den Kaltwasserzähler auf die Mieter umgelegt würden. Dem hat sich das Landgericht angeschlossen, indem es die Spanneneinordnung durch das Amtsgericht in der angegriffenen Entscheidung und auch in der Anhörungsrügeentscheidung als zutreffend erachtet hat. Weshalb das Landgericht nach diesem Rechtsstandpunkt und damit abweichend vom klaren Wortlaut der von ihm für maßgeblich erachteten Orientierungshilfe zu einem anderen Ergebnis hätte kommen sollen, zeigt die Beschwerdeführerin nicht auf.

2. Die Nichtzulassung der Revision zum Bundesgerichtshof verletzt die Beschwerdeführerin ebenfalls nicht in ihren verfassungsmäßigen Rechten.

Die fehlerhafte Nichtzulassung eines Rechtsmittels kann sowohl als Verletzung des Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 15 Abs. 4 VvB und Justizgewährung aus Art. 7 VvB i. V. m. dem Rechtsstaatsprinzip als auch der Garantie des gesetzlichen Richters gemäß Art. 15 Abs. 5 Satz 2 VvB gerügt und geprüft werden (vgl. Beschluss vom 31. Mai 2017, a. a. O., Rn. 30 m. w. N.). Nach beiden Maßstäben liegt ein Verfassungsverstoß vor, wenn die Entscheidung sachlich nicht mehr zu rechtfertigen ist und den Zugang zur Rechtsmittelinstanz versperrt, weil es die Anforderungen an die Darlegung der Zulassungsgründe derart erschwert, dass die Möglichkeit, die Zulassung eines Rechtsmittels zu erstreiten, für den Rechtsmittelführer leerläuft (Beschluss vom 14. Mai 2014 – VerfGH 80/12 – Rn. 11 m. w. N.; vgl. zum Bundesrecht: BVerfG, Beschluss vom 7. September 2015 – 1 BvR 1863/12).

Gemessen an diesen Maßstäben verletzt die Nichtzulassung der Revision die verfassungsmäßigen Rechte der Beschwerdeführerin nicht. Die Entscheidung, die Revision nicht zuzulassen, entfernt sich vom Inhalt der Revisionszulassungsgründe nicht in völlig unvertretbarer und damit willkürlicher Weise. Das Landgericht hat weder unter dem Gesichtspunkt der grundsätzlichen Bedeutung noch unter dem Aspekt der Abweichung von der höchstrichterlichen Rechtsprechung Anlass zur Zulassung der Revision gesehen. Es geht davon aus, die Voraussetzungen, unter denen ein einfacher Mietspiegel als Schätzgrundlage nach § 287 ZPO herangezogen werden könne, seien höchstrichterlich geklärt und es weiche von dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht ab. Diese Rechtsansicht ist nicht unbedenklich. Insbesondere kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Landgericht die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Anwendung des § 287 ZPO bei der Einordnung einer Wohnung in die Spannenwerte eines qualifizierten Mietspiegels (vgl. BGH, Urteil vom 20. April 2005 – VIII ZR 110/04) und zur Schätzung sogenannter Stichtagsdifferenzen bei Steigerungen der ortsüblichen Vergleichsmiete in der Zeit zwischen der Datenerhebung für einen einfachen Mietspiegel und dem Zugang des Mieterhöhungsverlangens (vgl. BGH, Urteil vom 15. März 2017 – VIII ZR 295/15) fehlerhaft für einschlägig gehalten und sein Urteil im Einklang mit dieser Rechtsprechung gesehen hat. Sie überschreitet die Grenze zur Willkür aber nicht.”

Pressemitteilung 06/2019

Wende im Mietspiegelfall Wolf-Dietrich Kniffka

Landgerichtskammer: Mietspiegel statt Gutachten

Das Amtsgericht Spandau – 3 C 306/17, Urteil vom 29.11.2018, weigerte sich, in der Mieterhöhungsklage der Deutsche Wohnen Berlin 5 GmbH gegen Herrn Wolf-Dietrich Kniffka den Berliner Mietspiegel 2017 anzuwenden und verurteilte den Spandauer auf der Basis eines für 2.850,00 € eingeholten Sachverständigengutachtens zu einer Mieterhöhung von monatlich 23,17 €.

Zur Begründung heißt es in dem Urteil: „Die vom Sachverständigen herangezogenen Vergleichsobjekte sind der streitgegenständlichen Wohnung ähnlicher als die im Mietspiegel erfassten Objekte.“

Wolf-Dietrich Kniffka akzeptierte das Urteil des Amtsgerichts Spandau nicht und legte gegen dieses Berufung ein. Der Berufungsrechtsstreit wird beim Landgericht Berlin unter dem Aktenzeichen 67 S 21/19 geführt.

Mit Hinweisbeschluss vom 01.03.2019 teilte die Landgerichtskammer 67 mit:

„Die Kammer weist darauf hin, dass sie die ortsübliche Vergleichsmiete auch im hiesigen Fall unter Zugrundelegung des Mietspiegels 2017 bestimmen wird.”

Am 11.04.2019, 12:00 Uhr, findet vor dem Landgericht Berlin, Littenstraße 12 – 17, 10179 Berlin, Sitzungssaal 3807, die mündliche Berufungsverhandlung statt.

„Sollte das Landgericht Berlin, wovon auszugehen ist, bei seiner vorläufigen Rechtsauffassung bleiben und die ortsübliche Vergleichsmiete unter Zugrundelegung des Mietspiegels 2017 bestimmen, würde der Berliner Mietspiegel 2017 gestärkt. Die Rechtssicherheit des Berliner Mietspiegels würde erhöht”, erklärte der 1. Vorsitzende des AMV – Alternativer Mieter- und Verbraucherschutzbund e.V., Marcel Eupen. 

„Der AMV begrüßt es ausdrücklich, dass die Landgerichtskammer 67 beabsichtigt, dem vom Amtsgericht Spandau eingeholten Sachverständigengutachten mit 15 Vergleichswohnungen eine klare Absage zu erteilen. Sie bringt damit deutlich zum Ausdruck, dass der Berliner Mietspiegel eine bessere Wiedergabe der ortsüblichen Vergleichsmiete als Sachverständigengutachten mit Vergleichswohnungen darstellt”, so Eupen.

„Spandauer Mieter müssen sich aufgrund der mitgeteilten Rechtsauffassung des Landgerichts Berlin in Zukunft nicht mehr scheuen, notfalls einen Rechtsstreit zur Feststellung der ortsüblichen Vergleichsmiete zu führen”, so Eupen.

„Dennoch bleibt die Forderung des AMV, dass der Bundesgesetzgeber die Rechtssicherheit der Mietspiegel stärken muss, um Mieterinnen und Mieter besser vor Angriffen auf Mietspiegel zu schützen. Die Deutsche Wohnen wird den Berliner Mietspiegel trotz der Rechtsprechung des Landgerichts Berlin weiter nicht anerkennen und muss durch den Bundesgesetzgeber gestoppt werden”, schließt Eupen.

Berlin, den 15.03.2019

Ass. Marcel Eupen, Pressesprecher des AMV

Aus der Rubrik “Mietenpolitik”:

 
DER TAGESSPIEGEL am 13.03.2019: Unveröffentlichtes Senatspapier– Darf Berlin die Mieten deckeln?

Bausenatorin Lompscher wollte über ihre Vorlage zum Mietendeckel im Senat sprechen, doch sie vermasselte die Formalitäten.

Vergangenen Mittwoch hatte Bausenatorin Katrin Lompscher (Linke) angekündigt eine Vorlage zum „Mietendeckel“ einbringen zu wollen. Vergangenen Donnerstag wurde sie in der „Aktuellen Stunde“ dazu befragt. Donnerstagabend reichte sie die Vorlage ein. Und am gestrigen Dienstag? Wurde Lompscher wütend, weil die „Einführung eines landesrechtlichen Mietendeckels“ nicht auf der Tagesordnung der Senatssitzung stand.

Die Erklärung: Senatsvorlagen haben eine Deadline: Dienstag, 12 Uhr. Darauf Lompscher: „Seit wann denn das?“ Darauf der Regierende schmunzelnd zu einem Mitarbeiter: „Wie lange?“ Darauf der Mitarbeiter: „Solange ich hier arbeite.“ Müller: „Und das ist wie lange?“ Mitarbeiter: „Seit 19 Jahren!“ Nach insgesamt mehr als sieben Jahren als Senatorin weiß Frau Lompscher das jetzt also auch.

Die Ausgangslage: „Die Regierungsfraktionen haben zum Ausdruck gebracht, dass sie einen solchen Weg gern beschreiten wollen und den Senat um Prüfung der Umsetzungsmöglichkeiten gebeten.“ Das Zwischenergebnis: Jurist Peter Weber sagt ja. Jurist Max Putzer sagt ja, wenn „die Versorgung der Berliner Bevölkerung mit bezahlbarem Wohnraum nicht gewährleistet“ ist.

Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages verneint. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen verneint ebenfalls, weist aber darauf hin, dass auf „Grundlage der gemäß Art. 70 Abs. 1 GG bestehenden Gesetzgebungskompetenz der Länder für das Wohnungswesen ‚Regelungen mit Auswirkungen auf Konditionen von Mietverträgen‘ geschaffen werden könnten.“

Lompschers Fazit: Aufgrund der „widerstreitenden Auffassungen(…) kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine abschließende Empfehlungabgegeben werden“. Ihr Vorschlag: Arbeitsgruppe gründen. Die soll, sofern der Senat zustimmt, bis zur Sommerpause eine entschiedenere Vorlage liefern.

https://www.tagesspiegel.de/berlin/unveroeffentlichtes-senatspapier-darf-berlin-die-mieten-deckeln/24096236.html

Aus der Rubrik “Wohnungspolitik”:

 
rbb24.de am 13.03.2019: Rekommunalisierung in Berlin-Altglienicke– Experten halten Kaufpreis für Kosmosviertel für unwirtschaftlich
 
250 Millionen Euro soll die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft “Stadt und Land” nach rbb-Recherchen für unsanierte Wohnungen im Berliner Kosmosviertel gezahlt haben. Immobilienexperten halten das für sicheres Geldverbrennen.
Dem rbb liegt ein Maklerexposé aus dem Jahr 2018 vor, nach dem die Jahresnettokaltmiete für die Wohnungen im Kosmosviertel rund 6,7 Millionen Euro beträgt. Demnach würde der Kaufpreis das 37-Fache der Jahresmiete bedeuten. Das heißt: Die “Stadt und Land” hätte erst in 37 Jahren den Kaufpreis über die Mieten wieder erwirtschaftet. “Ein Preis zum 37-Fachen ist wohnungswirtschaftlicher Unfug”, meint Thomas Doll. Er ist Berliner Projektentwickler und hat bereits viele Bauvorhaben für die städtischen Wohnungsbaugesellschaften realisiert.
Bereits vor Jahren extremer Sanierungsbedarf

Ein freies Unternehmen würde das niemals machen, sagt Doll. Üblich seien bei Immobilienkäufen das 20- bis 25-Fache der Jahresnettokaltmiete. Ihm sei die Siedlung von dem bisherigen Eigentümer schon 2013 angeboten worden – da habe der Preis noch bei 130 Millionen Euro gelegen. “Das war uns schon damals zu teuer”, berichtet der Projektentwickler. Denn der Sanierungsbedarf sei extrem hoch gewesen.

Doll kann nicht verstehen, dass die Wohnungsbaugesellschaft “Stadt und Land” nun fast das Doppelte bezahlt haben soll. Generell findet er es richtig, dass das Land Berlin die Wohnungen durch Ankauf der Spekulation entziehe. “Aber ich kann den Preis überhaupt nicht nachvollziehen. Es ist nicht wirtschaftlich.” Dafür spreche auch, dass die Wohnungsbaugesellschaft einen Zuschuss von 36,5 Millionen Euro vom Land Berlin für den Kauf der Siedlung bekommen haben soll.